Kapitel 20 - And now it seems my only chance is giving up the fight

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In meinem Kopf spielte sich immer und immer wieder die Unterhaltung zwischen mir und Sophie ab, der Kuss wiederholte sich vor meinem inneren Auge wie eine gesprungene Schallplatte - doch in der Realität stand eine schlechte gelaunte Sophie vor uns, die uns so viele Hausaufgaben aufgab, dass wir damit den ganzen Abend verbringen würden. „Können wir nicht den einen Teil der Aufgaben morgen im Unterricht bearbeiten, das ist wirklich viel und...", fragte Phillip, ohne sich gemeldet zu haben. Sophie drehte sich ruckartig um und schoss einen Todesblick in seine Richtung, Phillip, der eigentlich von stattlicher Statur war, sank tiefer auf seinem Stuhl und wirkte auf einmal winzig. „Nein", antwortete Sophie und ich hatte das Gefühl, dass ihre Fassade für einen Moment einen Riss bekam, „Morgen will ich die Ergebnisse sehen. Nächste Woche steht die Klausur an und ihr sollt bestmöglich vorbereitet sein. Bis morgen!" Sie fuhr sich mit fahrigen Fingern durch die Haare, mied es die Klasse anzusehen und verschwand keine zwei Sekunden später als die Glocke ertönte. Ihre Fassade, ihre Art, hatte fast die ganzen zwei Stunden perfekt gesessen, aber in den letzten Minuten war sie nicht mehr wie zum Anfang der Stunde, weshalb sie vermutlich auch so schnell abgehauen war.

Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, welche Sorgen ich mir um sie machte, denn Greta starrte mich an und schien die Antwort in mir zu suchen. „Was hast du?", fragte ich und packte meine Sachen zusammen, „Du siehst blass aus." „Nichts", murmelte sie und ich hob fragend eine Augenbraue. Doch Greta entschied sich dagegen etwas zu sagen und seufzte schwer: „Lass uns zum nächsten Unterricht gehen." Auch wenn Greta die Sorge aufzufressen schien, sie verkniff es sich, es laut auszusprechen, was auch Timo mit einem dankbaren Blick quittierte. Vielleicht hatte sie sich unser Gespräch vom Wochenende zu Herzen genommen und wollte uns zuliebe an sich arbeiten. Niemand in der Klasse war Sophies schlechte Laune entgangen, nein, wir hatten sie auch alle zu spüren bekommen. Sie hatte uns Schüler zwar gesehen, aber nicht richtig gesehen, es war, als hätte sie durch uns hindurchgeschaut. Als wären wir gar nicht anwesend. Sie unterrichtete, aber irgendwie auch nicht. Es kam kein harmonisches Zusammenspiel zwischen ihr und den Schülern zustande. So hatte ich sie noch nie erlebt und meine Sorge war berechtigt, immerhin waren wir uns am Wochenende nähergekommen, ich hatte Dinge erfahren, die sie nun vielleicht bereute. Grummelnd packte ich die letzten Sachen ein und eilte meinen Freunden hinterher. Greta ging trottend vor mir, mit hängenden Schultern und Büchern, die sie unter ihre Arme geklemmt hatte. Ich holte etwas auf und hielt neben ihr Schritt. „Was ist los, Greta?", fragte ich und versuchte dabei so einfühlsam wie möglich zu klingen. Auch ich wollte an mir arbeiten und eine bessere Freundin sein, ich hoffte noch immer, dass es nicht so war, wie Daria vermutete. Sie bliebt dabei, dass wir uns auseinandergelebt hatten, was sie auch überhaupt nicht schlimm fand, ich dagegen konnte mich mit dem Gedanken nicht richtig anfreunden. „Nichts ist, was soll schon sein?", erwiderte sie etwas gereizt und ich legte die Stirn in Falten. „Nun, es ist ganz eindeutig was", antwortete ich und berührte kurz ihren Unterarm, „Du kannst mit mir reden, das weißt du hoffentlich, oder?" „Es ist schon okay, Charlie. Du musst dich jetzt nicht um mein Wohlergehen scheren, wenn es dich vorher auch nicht interessiert hat", giftete sie mich an, legte einen Zahn zu und ließ mich mit Timo im Flur zurück. „Wow, was ist ihr denn für eine Laus über die Leber gelaufen?", hörte ich Timo fragen, doch ich war noch immer zu sehr damit beschäftigt, Gretas Worte zu verarbeiten. Die Worte taten weh, aber sie entsprachen der Wahrheit. „Nimm dir das nicht so zu Herzen", sagte Timo und er umarmte mich leicht, „Sie hat sich doch in letzter Zeit auch für nichts und niemanden interessiert, da sollte sie mit solchen Beschuldigungen echt vorsichtig sein." „Nun, aber ganz unrecht hat sie nicht", gab ich zu und straffte die Schultern, „Auch egal, sie wird sich schon wieder einkriegen."

Gegen meine Erwartung kriegte sie sich nicht wieder ein, sondern strafte mich den ganzen Tag über mit gekonnter Ignoranz. Ich verstand nicht ganz ihre Beweggründe, hatten wir in der Bar doch alles kurz angesprochen und uns darauf geeinigt, ein vernünftiges Gespräch zu führen. Ein Gespräch ohne Alkohol, dass durch unsere Adern pumpte, ohne Vorurteile und Vorwürfe. Jedoch spürte ich mehr als deutlich ihre Blicke auf mir ruhen, die mal musternd, abwertend oder auch verstörend böse waren. Doch immer wenn ich hochsah, blickte sie in eine andere Richtung, tippte auf ihrem Handy, oder blätterte in dem Buch für Deutsch herum. Daria lehnte sich zu mir und wisperte: „Ärger im Freundinnen-Paradies?" „Halt die Klappe", murrte ich und seufzte schwer, „Keine Ahnung was los ist." „Oh, ich habe eine", antwortete Daria grinsend und ich sah sie fragend an. Allerdings schüttelte Daria nur den Kopf und blickte verstohlen zu Greta, die zu uns hinübersah. „Gibt es ein Problem?", fragte Greta angriffslustig und Daria gähnte voller Absicht. „Außer, dass du dich wie ein Arschloch verhältst? Nein, sonst gibt es kein Problem", sagte Daria frei raus und alle aus unserer Runde verstummten. Annalena warf mir einen panischen Blick zu, den ich wiederrum zu Daria herüberspielte. Daria war schon immer sehr direkt, aber damit hatte niemand gerechnet und am allerwenigsten wohl Greta. „Ich verhalte mich nicht wie ein Arschloch!", presste Greta zwischen gefletschten Zähnen hervor, „Das einzige Arschloch in dieser Runde trägt einen Undercut." Ich riss die Augen ungläubig auf und Panik durchzuckte mich - was hatte ich Greta nur getan? „Ich verstehe nicht", stotterte ich und eine Taubheit erfasste meinen Körper, ein Gefühl, dass sich kaum in Worte packen ließ. Meine Beine prickelten, meine Arme und Hände fühlten sich kalt an, eiskalt. Während mein Herz raste und sich gleichzeitig unheimlich leblos anfühlte. Die Schläge meines Herzens waren stark, kamen jedoch nicht bei mir an - die Leere und Taubheit nahm mich immer weiter ein und ließ mich in ein tiefes Loch fallen. „Du verstehst nicht?", lachte Greta und nun baute sie sich vor mir auf, was Timo auf den Plan rief. Bevor er sich zwischen uns drückte, stand auch ich auf, um nicht wie ein Häuflein Elend zu wirken.

Summer Breeze - Like the feeling of a thousand butterflies (girl x girl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt