Kapitel 28 - They're the things that keep me from thinking of you

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15:45 Uhr. Seufzend wandte ich mich von der altmodischen Uhr über der Tür zum Flur ab und kritzelte weiter undefinierbare Figuren auf meinen Collegeblock. Die Zeit am heutigen Tag zog sich wie Kaugummi und ich sehnte nichts mehr herbei als das Ende des Schultags. Dazu kam, dass der heutige Stoff äußerst langweilig war und dadurch die Zeit noch langsamer umging als sowieso schon. 15:50 Uhr. Mein ganzer Körper spannte sich an und ich warf einen verstohlenen Blick auf mein Handy, doch da war nicht eine einzige neue Benachrichtigung. Ob Sophie unser Treffen vergessen hatte? Ich scrollte durch Instagram, die mir Bilder entgegenschleuderte, die keinesfalls der Realität entsprachen. Da lächelte mir Daria mit Ajax entgegen, ihr Gesicht wurde von einem Filter verschmälert und kleine Herzen flogen um die beiden herum. Weiter unten tauchte eine Bloggerin auf, deren Hüfte so schmal war, dass ich nicht zweimal hinschauen musste, um die gebogenen Wände um ihre Körpermitte zu entdecken. Es folgten viele unbekannte Gesichter, Reiseziele und Anzeigen, aber ziemlich weit unten strahlte mir Greta entgegen, ihre Arme schlangen sich um das Mädchen von gestern und eine Wulst an Hashtags beschrieb ihre neu gewonnene Freundschaft. #bestiesforlife #bestfriendsforever #neuanfängesinddiebesten #gibdichmitdenrichtigenab #aussortieren #wahrefreunde #freundschaft

Ich riss meine Augen vom Bildschirm, ließ ihn gleichzeitig schwarz werden und schluckte schwer. So sah Greta das alles also und es tat mehr weh als ich zugeben wollte. So viele Jahre der Freundschaft waren wie ausgelöscht und dass nur wegen einer Person. Vielleicht wäre es leichter ertragbar, wenn ich nicht auch Gefühle für Sophie hätte, dann würden wir heute vielleicht drüber lachen, uns in den Armen liegen, doch jetzt war bereits alles geschehen. Wir würden uns niemals wieder lachend in den Armen liegen, uns über dieselben Dinge amüsieren, die dunkelsten Geheimnisse teilen. Wir gingen seit Wochen getrennte Wege und das würde wohl auch so bleiben. Je mehr ich darüber nachdachte, umso klarer wurde mir, dass Greta vielleicht niemals eine wahre Freundin gewesen war. Natürlich war es für jede Freundschaft eine Herausforderung, wenn zwei Menschen die gleiche Person toll fanden, aber bei vielen waren es nur Phasen, Momentaufnahmen, die wieder vergingen. Doch Sophie war für mich keine Momentaufnahme, sie war nicht nur eine Schwärmerei, so wie für Greta. Für mich war sie die Realität, meine Gegenwart und hoffentlich auch meine Zukunft. Sie war alles was ich wollte und wenn ich dafür Menschen gehen lassen musste, die am Ende des Tages nie meine wahren Freunde waren, dann würde ich damit leben können. Ich musste zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, wie meine Freunde darauf reagieren würden, wenn sie irgendwann einmal von mir und Sophie erfahren würden. Wie viele würden sich abwenden, ihr Unverständnis äußern? Timo war solch ein Kandidat. Ich kannte ihn mein Leben lang, aber er verstand weder Greta noch mich. Jedoch keimte in mir die Hoffnung, wenn er die wahre Begebenheit kennen würde, würde er es verstehen. Annalena würde geschockt sein, aber dass sie etwas dagegen haben könnte, glaubte ich nicht. Und bei Daria wusste ich, dass es mehr als okay für sie war. Während ich über die Reaktionen meiner Freunde nachdachte, beschlich mich eine neue Angst, eine, die ich bisher immer wieder erfolgreich verdrängt hatte: die Reaktion meiner Eltern. Wie würden sie auf meine Beziehung zu Sophie reagieren? Sie war nicht nur meine Lehrerin, sondern auch deutlich älter. Nicht zu vergessen, dass sie noch immer, wohl mehr meine Mutter als mein Vater, Probleme mit der Akzeptanz meiner Sexualität hatten. Meine Mutter gab sich Mühe, aber ich wusste genau, dass in ihr noch immer die Hoffnung bestand, ich könnte doch noch mit einem Mann nach Hause kommen – wie würde sie also auf eine ältere Lehrerin reagieren? Eine Person, die sie sogar schon kannten, auch wenn sie sie bestimmt nicht sofort zuordnen konnten. Ob sie Sophie erkennen würden? Meinem Vater war im Urlaub mein Starren nicht entgangen, er war ein sehr aufmerksamer Mensch, einer, der kein Gesicht vergaß. Dafür war mein Vater bekannt, sein Elefantengedächtnis erinnerte sich an die kleinsten Geschehnisse die weit in der Vergangenheit lagen, wieso sollte er sich also nicht an Sophie erinnern? An Sophie, die mit mir gemeinsam ein Spiel auf der Bühne im Hotel absolvieren musste? Hatte er nicht sogar Fotos gemacht? Wenn er sich an sie erinnern würde, dann auch an ihren Mann und ihre Kinder. Ein unwohles Grummeln machte sich in mir breit und die Erkenntnis, nicht nur auf positive Reaktionen zu stoßen, machte es nicht besser. Doch eigentlich sollte es mir egal sein, was andere von mir dachten, doch wenn es um Freunde und Familie ging, war ich leider zart besaitet.

Summer Breeze - Like the feeling of a thousand butterflies (girl x girl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt