Kapitel 27 - Don't know how to take it, don't know where to go

2.2K 117 4
                                    

„Was tut sie da?", fragte Annalena und Timo, Daria und ich zuckten gleichzeitig mit den Schultern. „Keine Ahnung, vielleicht zieht sie wieder eine Show ab", erwiderte Daria gelangweilt und ihr Kaugummi platzte lautstark. Ich warf einen langen, analysierenden Blick in Gretas Richtung, die heute ein enges, knielanges Kleid trug. Ein ungewohnter Anblick, da sie eigentlich eher weniger auf Kleider stand, dennoch stand es ihr ausgezeichnet. Das bordeauxrot schmeichelte ihren Haaren, ihrer Haut und verlieh ihr eine Ausstrahlung, die auf viele unwiderstehlich zu sein schien. Jungs drehten sich nach ihr um und auch die Mädels blickten ihr nach, auch wenn ich an deren Körperhaltung erkennen konnte, dass sie sich vermutlich wenig später den Mund über sie zerreißen würden. Dieses Verhalten gehörte zu den Dingen, die ich an der Schule, an unserer Jugend verurteilte, regelrecht verabscheute. Diese wertenden Blicke, die falschen Worte, die Heuchlerei und das in den Rücken fallen. Mochten sie dir vor einer Minute noch Komplimente zu deinen Ohrringen gemacht haben, deiner neuen Frisur, dem außergewöhnlichen Pony, den dir die Friseurin verpasst hatte, sobald man sich von ihnen abwandte, redeten sie über dich. Sie machten dich schlecht, machten sich über dich lustig – es war nichts worauf ich scharf war. Ich gehörte schon immer zu den Menschen, die versuchten nach Möglichkeit wenig aufzufallen, um genau solchen Situationen zu entgehen. Ich musste immer wieder an Rabea denken, die aufgrund ihrer Kleidung oft von den Divas des Jahrgangs gemobbt wurde. Ihre Eltern hatten nicht viel Geld und sie besaß keine Kleidung, die einen Markennamen trug. Ophelia, ein Mädchen aus einem Elternhaus mit Geld, organisierte mit ihrer Mädchengang eine regelrechte Hetzjagd auf Rabea. Überall in der Schule verteilten sie Plakate , auf denen Fotos aus Prospekten mit ihren Kleidungsstücken geklebt waren. Darüber prangten hässliche, verletzende Worte. Rabea verließ die Schule, Ophelia bekam eine Strafe, die jedoch nicht das wiedergutmachte, was sie Rabea angetan hatte.

Ich entfernte mich gedanklich von der Thematik und beobachtete Greta, die sich mit einem Mädchen unterhielt, es war das Mädchen, mit dem sie auch vor der Sporthalle geredet hatte. „Sie kann machen was sie möchte", versuchte ich Daria zu beschwichtigen, da ich nicht über Greta herziehen wollte, „Sieht doch schick aus, das Kleid." „Das stimmt", pflichtete Annalena mir bei, „Aber warum erhebt sie immer die Stimme, wenn sie in unserer Nähe ist. Sollen wir zuhören?" „Das denke ich mir auch jedes Mal", Timo lachte verlegen, da er unserem Gossip meist nicht viel abgewinnen konnte, „Aber wir könnten ja auch einfach mal versuchen, erneut auf sie zuzugehen?" Er warf mir einen hoffnungsvollen Blick zu, doch ich schüttelte den Kopf: „So gerne ich auch würde, Timo. Ich bin bisher immer auf taube Ohren gestoßen und ich möchte nicht vor versammelter Mannschaft eine erneute Hasstirade über mich ergehen lassen." „Das ist einfach lächerlich. Ihr seid beste Freundinnen", in Annalenas Stimme schwang Verärgerung mit, doch ich zuckte nur mit den Schultern. „Das war wohl mal", murmelte ich und vergrub mein Kinn in meinem dicken Wollschal. Vor meinem inneren Auge zogen all die guten Momente mit Greta vorbei, doch wurden sie von ihrem Verhalten der letzten Wochen zerstört. „Die Pause ist gleich vorbei. Lass uns hochgehen", sagte Timo, der bemerkt hatte, wie still es geworden war, er wusste, wie unangenehm mir dieser Streit war. „Eine gute Idee", antwortete ich, schnappte mir meinen Rucksack und verabschiedete mich von den Mädels, um mit Timo Schritt zu halten, „Bis später!"

Aufregung machte sich in mir breit – heute war der erste Tag nach unserem Gespräch, an dem ich wieder auf Sophie treffen würde. Nachdem unser Gespräch vor zwei Tagen eher unerwartet geendet hatte, hoffte ich auf eine Möglichkeit mit ihr zu reden. Als wir auf ihrem Sofa gesessen hatten, wurden wir kurz nach ihrer Offenbarung von Lena unterbrochen. Sophie hatte von oben Geräusche vernommen, die mir bis dahin gänzlich verborgen geblieben waren. Ich hatte es gerade noch rechtzeitig in die Küche geschafft, denn wenig später war eine müde Lena ins Wohnzimmer getapert. Nun schritt ich durch die Holztür des Klassenzimmers und wurde unsanft zur Seite gerempelt. Ich stieß mir den Ellbogen an und fluchte laut auf. „Geht's noch?", fragte ich mit hoher Stimme und Gretas mir unbekannte Freundin grinste mir schelmisch entgegen. „Sorry", sagte sie nur, aber wirkte dabei nicht so, als täte es ihr leid. Kurz darauf schlängelte sich auch Greta an mir vorbei, die es bei einem Seitenblick beließ und ihre Aufmerksamkeit lieber auf Sophie lenkte, die das ganze Schauspiel aufmerksam beobachtet hatte. Während Greta sich hinsetzte, ging das Mädchen zielstrebig auf Sophie zu, mir blieb dabei nichts anderes übrig, als ebenfalls meinen Platz einzunehmen. „Ja tut mir leid, ich wollte nur...", hörte ich sie sagen, aber Timo warf geräuschvoll seine Bücher auf den Tisch und verwehrte mir damit den Rest zu hören. Ich seufzte und warf einen Blick aus dem Fenster, was ich vor allem tat, da Greta mich aufmerksam studierte. Was war heute nur ihr Problem?

Summer Breeze - Like the feeling of a thousand butterflies (girl x girl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt