Kapitel 9 - Don't look too deep into those angeleyes

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Unser Urlaub näherte sich einem Ende, die Halbzeit war geschafft und nie im Leben hätte ich geglaubt, drei Wochen könnten sich so kurz anfühlen. Ich sah mir bekannte Familien abreisen und neue Menschen in die Zimmer ziehen. Jeder Tag begann mit einem Kribbeln in meinem Körper, die Angst Sophie könnte abgereist sein, ohne dass ich es wusste, zerfraß mich regelrecht. Dabei sollte ich solche Gedanken gar nicht erst haben, denn wieso sollte ich das Recht besitzen, etwas über ihre Abreise zu erfahren? Es waren drei Tage seit unserem Aufeinandertreffen am Strand vergangen, meist wechselten wir flüchtige Blicke aus, aber zum größten Teil mied sie mich, was mir mittlerweile zu schaffen machte. Ich versuchte mich abzulenken, keinen Gedanken mehr an sie zu verschwenden, aber wie zur Hölle sollte ich dieses schöne Gesicht aus meinen Erinnerungen streichen? Vorgestern ging sie im Licht der Sonne am Strand entlang, ihre Haare wehten vom Wind durch die Luft, schimmerten Golden und zogen mich automatisch in ihren Bann. Der Wind trug einen Hauch Kokosnuss und Sonnencreme an mich heran, ein Geruch den ich mittlerweile mit ihr verband. Ihr Lachen hallte über das Meer und kam doppelt so laut bei mir an, sie besetzte all meine Sinne und ich wusste mir nicht mehr wirklich zu helfen. Ich entschied mich die Animation zu meiden, sowie den Pool, aber dann tauchte sie am Meer auf und all meine Versuche schienen umsonst.

Diesen Tag widmeten wir einem Tagesausflug, was ich sehr begrüßte, da in meinem Kopf endlich genug Platz für andere Dinge war. Wir fuhren vorbei an kargen Hügeln, wehenden Heuballen, einigen Häuserruinen und einer wüstenähnlichen Landschaft – mein Eindruck zum Anfang der Reise verstärkte sich bei dieser Ansicht. Ich konnte der Insel noch immer nichts abgewinnen, außer dem Meer und den Menschen, reizte mich hier nichts. Nach einer dreiviertel Stunde bogen wir in einem bepflanzten Kreisverkehr an der dritten Ausfuhrt ab, ein kleines, gelbes Schild wies uns auf unseren ersten Zwischenstopp hin. Der Roque Nublo schien nicht mehr weit und ich versuchte ihn bereits vom weiten zu erspähen. Ich konnte mir noch nicht vorstellen, dass hier so viel Grün auftauchen würde, wie auf den Bildern, dennoch war ich gespannt. Ich stierte erwartungsvoll in den Himmel und erst nach weiteren 10 Minuten erkannte ich das Wahrzeichen, das wie ein Faustkeil eines Riesen gen Himmel ragte. Auf einem Parkplatz, der nicht mehr hergab als ein paar Bänke, zogen wir uns die Wanderschuhe an, um in der brennenden Hitze der Sonne den Berg zu erklimmen.

Als ich zwei Stunden später wieder im Auto saß, genoss ich die Luft der kühlen Klimaanlage und die Freiheit für meine Füße. Ich fühlte mich wie nach einem Marathon und auch meine Eltern schienen von der Wanderung mehr als erledigt. „Es war doch anstrengender als gedacht", murmelte mein Vater, der sich den Schweiß von der Stirn tupfte und einen Blick in den Rückspiegel warf, „Bei dir alles gut, Charlotte?" Ich nickte und nahm einen Schluck von meinem Wasser: „Im Internet klang es nicht so anstrengend, aber ich denke es lag auch eher am Wetter. Wir haben einen der heißesten Tage erwischt." „Das stimmt", murmelte meine Mutter, die sich zusätzlich zur Klimaanlage etwas Luft zu wedelte, „aber schön war wirklich, dass man Teneriffa von dort sehen konnte." Ich nickte zustimmend und schaute mir die Fotos vom höchsten Punkt an, man konnte auch einen Großteil Gran Canarias sehen, grüne Bereiche gab es wenig. „Sicher, dass wir jetzt noch zum Kolumbushaus wollen?", hakte meine Mutter nach, die den Reiseführer durchblätterte. „Ja, auf jeden Fall", warf ich ein, da ich mich darauf mit am meisten gefreut hatte, „Dort müssen wir ja auch keine Berge erklimmen, oder? Lasst uns dort etwas essen gehen und das Haus anschauen." „Alles klar, dann nehmen wir nun Kurs auf Las Palmas", summte mein Vater, der das Radio lauter stellte, da ihm das Lied gefiel.

Die verschiedenen Eindrücke, die wir bei unserem Ausflug gesammelt haben, beschäftigten mich auch noch beim Abendessen. Das Kolumbushaus war für mich beeindruckender, als der Roque Nublo, während meinen Eltern eher das Naturerlebnis gefiel. „Fandet ihr das Museum nicht interessant?", hakte ich also nach, nachdem wir schon eine längere Diskussion geführt hatten. „Doch, es war wirklich interessant", setzte mein Vater an, der gerade versuchte, ein zähes Stück Fleisch zu zerschneiden, „aber es ging doch mehr um Gran Canaria, als Kolumbus – ich habe es mir einfach anders vorgestellt." „Mich hat auch eher der Bau des Hauses beeindruckt", pflegte meine Mutter bei, was mir die Lust an der Diskussion nahm. „Ich denke Geschichte zu studieren, wird bei dir wie die Faust aufs Auge passen", sagte nun mein Vater, der bemerkte wie still ich plötzlich war. „Schauen wir mal was die Zukunft bringt", war alles was ich sagte. Gerade als mein Vater nachhaken wollte, bedachte meine Mutter ihn mit einem Blick, der ihn zum Schweigen bringen sollte. Ich sprach nicht gerne über meine Zukunftspläne, da ich eine der wenigen Personen war, die nicht wirklich wusste, was mir ein Leben lang wohl Spaß machen könnte. Meine beste Freundin Greta wusste schon im Kindergarten, dass sie sich für Tiere interessierte. In der weiterführenden Schule kristallisierte sich sehr schnell raus, dass sie Tierärztin werden wollte. Mein Nachbar Timo, den ich ebenfalls schon viele Jahre kannte, trat in jungen Jahren der Jugendfeuerwehr bei, nun bereitete er sich darauf vor, ein richtiger Feuerwehrmann zu werden. Um mich herum schienen alle zu wissen, was ihr Plan fürs Leben ist, nur ich schien unschlüssig. Im Kindergarten wollte ich Polizistin werden, wenig später Köchin, mit 9 Jahren sagte ich allen, ich wolle Kindergärtnerin werden und umso älter ich wurde, desto weniger hatte ich einen Plan was ich wirklich wollte. Einige Zeit war ich davon überzeugt Versicherungskauffrau werden zu wollen, dann Landschaftsgärtnerin und nun war ich bei Lehramt mit dem Fach Geschichte angekommen. Dies hielt sich etwas hartnäckiger als alles zuvor, dennoch war ich mir nicht sicher, ob ich mir das für mein ganzes Leben vorstellen konnte. Geschichte lag mir schon immer, ich interessierte mich für all die Dinge, die die meisten zum Gähnen brachte. Meine Mutter und ich haben viel über meine Zukunft gesprochen, deshalb wusste sie über meine Gedanken und Zweifel Bescheid, sodass ich ihr mehr als dankbar war, dass sie meinen Vater nur mit einem Blick zum Schweigen bringen konnte. „Ein Eis?", fragte meine Mutter und ich stimmte zu. Wir erhoben uns und gingen zielstrebig auf die Eistheke zu, wo es nur so von Kindern wimmelte. Ich entdeckte die kleine Lena zwischen ihnen und ich spürte die Erleichterung in mir aufflammen. Ich versuchte den Drang zu unterdrücken, nach ihrer Mutter Ausschau zu halten, wobei mir das Geschnatter meiner Mutter half. „Schokolade?", fragte sie zum dritten Mal und riss mich aus meinen Gedanken. „Ja bitte", murmelte ich und richtete den Blick auf den Boden, „Ich hole uns schon mal Obst." Mit diesen Worten nahm ich Abstand zu der Theke und Lena und somit auch der Gefahr, Sophie über den Weg zu laufen. Meine Beine fühlten sich schwach an, zittrig, doch ich konzentrierte mich auf meine Aufgabe und schnappte mir zwei Äpfel, mit denen ich zurück zu unserem Tisch eilte. Meine Mutter kam wenig später zurück, mit leicht geröteten Wangen und einem genervten Ausdruck im Gesicht: „Unglaublich was dort immer los ist." Ich warf einen Blick zurück zur Eistheke und wusste sofort was sie meinte, die Kinder drängelten sich Drumherum, schubsten sich gegenseitig und manschten mit dem Eis und den Verzierungen herum. Überall lagen kleine Eiswaffeln, Streusel und Kekse herum, die Soßen liefen an den Flaschen hinab und ergossen sich zum Teil noch über die Oberfläche der Theke.

Summer Breeze - Like the feeling of a thousand butterflies (girl x girl)Where stories live. Discover now