Kapitel 30 - Lovers live a little longer

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Mein Handy vibrierte bereits zum fünften Mal in meiner Tasche und Daria warf mir einen fast schon strafenden Blick zu: „Willst du nicht endlich drangehen?" Ihre perfekt gezupfte Augenbraue hüpfte in die Höhe und ein wissender Schimmer lag in ihren Augen. Ich zuckte mit den Achseln und erwiderte: „Ich möchte mich gerade auf die Aufgabe konzentrieren." „Ich auch", antwortete Daria und ihre Augen formten sich zu kleinen Schlitzen, „Aber ich kann nicht, weil dein Handy ununterbrochen vibriert. Also geh jetzt endlich ran und antworte ihr." Ich warf meiner Freundin einen fragenden und zugleich irritierten Blick zu, die einfach nur grinsend nickte und fordernd auf mein Handy zeigte: „Jetzt mach schon! Geh raus, dann hört euch keiner." Mit zitternden Fingern fischte ich das Handy aus meiner Tasche, warf nur einen flüchtigen Blick aufs Display, schnappte mir meine Jacke und stolperte nach draußen. Es war Sophie und mein Herz hämmerte vor Aufregung schmerzhaft stark gegen meinen Brustkorb. Die Winterkälte kroch bereits nach Sekunden in meine Glieder und wurde durch meine Unsicherheit nur noch verstärkt. Es waren nur ein paar Stunden seit unserem letzten Zusammentreffen vergangen, doch dieses war dafür noch omnipräsent in meinem Kopf. Ich zermarterte mir den Schädel über ihre Reaktion, machte mir Vorwürfe, dass ich sie angerufen hatte, aber ich brauchte sie und wieso sollte man sauer auf jemand sein, der Hilfe benötigte? War ich denn nur ein Jemand? Ich verstand die Welt nicht mehr, Sophie ebenfalls nicht, auch wenn ich unsere Abmachung natürlich vor Augen hatte. Aber ich hätte sie niemals angerufen, wenn es mir nicht ernst gewesen wäre. Seufzend und mit einem unguten Gefühl im Magen, nahm ich den Anruf entgegen und brachte nicht mehr als ein Hallo über die Lippen. Für einen Moment war es still am anderen Ende der Leitung ich glaubte fast, sie hätte bereits wieder aufgelegt, doch ich konnte ihren Atem hören und entschied mich, nachdem zwei Schüler an mir vorbeigingen, noch weiter fortzugehen. Ich bog um die mit Schilf bepflanzte Ecke unserer Schule, vorbei an Klettergerüsten und ging auf den kleinen Wald zu, vor dem sich meistens die Raucher unserer Schule trafen. Dort mache ich es mir auf einer Bank gemütlich und wartete ab. Ich hörte ein Rascheln durch mein Telefon, was kurz darauf ein Seufzen mit sich brachte: „Ich habe nicht gedacht, dass du ans Telefon gehst. Jetzt bin ich irgendwie unvorbereitet." Wäre mir nicht fast zum Heulen zumute, hätte ich über ihre Worte gelacht, doch mit ernstem Ton erwiderte ich: „Du hast bereits mehrfach versucht anzurufen, warst du da auch schon unvorbereitet?" Selbst durch das Telefon spürte ich, wie hart meine Worte sie trafen, sie war es nicht gewohnt, dass auch ich andere Emotionen an den Tag legen konnte. „Nein", raunte sie und wieder vernahm ich ein Seufzen, „Nein, natürlich nicht. Charlotte, ich weiß einfach nicht, womit ich anfangen soll." In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und alles, woran ich denken konnte und wollte, war ein Entschuldigung von ihr zu hören. Ich wollte nicht wieder mit Ausreden abgespeist werden, mit Argumenten, die nur für Arne sprachen und mich völlig außen vorließen. Vielleicht war es egoistisch von mir, vielleicht war es unfair so zu denken, aber ich musst auch an mich selbst denken. Ich konnte mich nicht immer und immer wieder hintenanstellen, meine Emotionen und Gefühle unterdrücken und zurücknehmen. Es war schon schwer genug eine Person zu mögen, die in einer Position war, die in den Augen der Gesellschaft für mich verboten war. Auch ich wollte beachtet und ernstgenommen werden. Ich war es Wert ans Telefon zu gehen, meine Gefühle und ich waren es Wert. Natürlich war sie noch verheiratet und das was wir taten, war schlimm genug, aber trotzdem sollte ich nicht so behandelt werden, als wäre ich nur ein Jemand. Ich war Charlotte, der sie ihre Gefühle gestanden hatte und für die sie ihren Mann verlassen wollte. Oder war ich einfach zu blauäugig an die Sache herangegangen? Würde sie es überhaupt jemals tun? Ihn für mich verlassen? Ihre Familie für mich zerstören, auseinanderreißen? Bevor ich mich von den negativen Gedanken runterziehen lassen konnte, murmelte ich: „Fang einfach da an wo du meinst." Vor meinem inneren Auge konnte ich sehen wie Sophie sich versteifte, sich aufgeregt durch ihre honigblonden Haare fuhr und nach den richtigen Worten suchte, ich hatte mehr als genug Zeit gehabt sie während der Unterrichtsstunden zu beobachten. „Dann fange ich mit dem einzig richtigen an: es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war... Es tut mir leid, dass ich dir das Gefühl gegeben habe, du wärst nicht wichtig...", setzte sie an und mein Herz machte einen ungewollten Salto, „Du bist mir unheimlich wichtig und als du angerufen hast, habe ich richtig Panik bekommen, dir könnte etwas zugestoßen sein. Als ich nicht drangegangen bin, habe ich mir den Kopf über das Warum zerbrochen, was schnell von einer unbeschreiblichen Angst abgelöst wurde. Was wenn dir etwas passiert war und du brauchtest Hilfe? Und als ich dich im Unterricht vor mir stehen sah, sind die Sicherungen durchgebrannt, anders kann ich es nicht beschreiben... Ich will dir keine Ausreden auftischen, sondern die Wahrheit, Charlotte. Arne ist... unberechenbar. Ich..." Die Stille, die nach diesen Worten folgte, zerriss mir das Herz. Ich war froh über ihre Entschuldigung, glücklich darüber, dass ich ihr wichtig war, aber der letzte Satz, nahm mir schier die Luft zum Atmen. „Was meinst du damit?", fragte ich vorsichtig und mit zitternder Stimme. Ich spitzte die Ohren und hörte wie ihre Atmung unregelmäßiger wurde, fast schon abgehackt: „Sophie?" „Es soll hier nicht um mich gehen, hörst du? Ich wollte mich entschuldigen und dir sagen, dass du zu jederzeit anrufen kannst, aber ich werde nicht immer rangehen können...", erklärte sie und ging nicht weiter auf Arne und ihre Andeutung ein, „Du bist mir wichtig und ich hoffe unser Wochenende steht noch? Ich habe Pläne für uns..."

Summer Breeze - Like the feeling of a thousand butterflies (girl x girl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt