chapter sixty-six

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Als ich meine Augen leicht öffnete, wurde ich bewegt. Ich öffnete sie weiter und sah in Harrys Gesicht. Er trug mich wie eine Braut und ich musste lächeln.

»Ich will dich nicht unten auf der Couch schlafen lassen.« sagte er zu mir und ich spürte das Vibrieren seiner tiefen Stimme.
Er war gerade dabei mich die Treppen hochzutragen, als ich Schulgefühle bekam.

»Ich bin doch viel zu schwer.« murmelte ich im Halbschlaf vor mich hin.

»Du bist federleicht.« lachte Harry und ich spürte etwas Weiches unter mir.
Ich kuschelte mich in das Kissen, welches nach ihm roch. Er wollte gerade gehen, als ich nach seiner Hand griff.

»Nein, bleib hier.« nuschelte ich und zog ihn.

»Ich muss mich nur umziehen und bin gleich wieder da.« sagte er und ich konnte hören, dass er lächelte.
Ich hörte, wie sich seine Schritte in seinen Stiefeln von mir entfernten. Meine Augen waren geschlossen, aber ich konnte nicht weiterschlafen. Mein Unterbewusstsein ließ mich nicht wieder einschlafen, solange ich nicht sichergegangen war, dass er wieder bei mir war. Nach kurzer Zeit hörte ich rauschende Geräusche und Klimpern aus dem Bad im Flur. Eine halbe Ewigkeit später kam Harry wieder ins Zimmer und legte sich auch ins Bett. Das Licht ging aus und er zog eine große Decke über uns.

»Also ich bin jetzt wach.« gab ich von mir und drehte mich zu ihm.

»Und ich habe mich gefreut jetzt endlich schlafen gehen zu können.« sagte Harry und ich konnte erneut sein Lächeln hören.

»Tja, blöd jetzt. Wie waren deine Interviews?« fragte ich ihn.
Das Licht ging wieder an und vor mir lag ein oberkörperfreier Harry, den Rest sah ich nicht, er wurde von der Decke bedeckt. Unsere Gesichter waren gute vierzig Zentimeter voneinander entfernt und zwischen uns war generell ein großer Abstand.

»Langweilig. Ich hätte dich gerne dabei gehabt.« sagte er und ich hob meine Mundwinkel.

»Wie war es hier? Ich war überrascht davon, dass das Haus noch steht, als ich zurückgekommen bin.« grinste er mich an.

»Ja, ich habe mich zurechtgefunden.« 

»Und du hast dich nicht verlaufen. Ich bin stolz auf dich.« stichelte er schmunzelnd mich an.

»Ja, lustig.« gab ich gespielt beleidigt zurück.

»Hast du was gegessen?« fragte er mich und erinnerte mich an eine überfürsorgliche Mutter.

»Ja, Mama. Einen Joghurt.«

»Wow, so viel gleich!« zog er mich auf.
Eigentlich aß ich immer viel und oft, aber ich hatte an diesem Tag einfach keinen Hunger gehabt. Ich ignorierte seine Sticheleien und stellte ihm die Frage der Fragen.

»Hast du eigentlich jemanden der für dich einkaufen geht? Weil du warst jetzt Wochen nicht zuhause und alles war frisch im Kühlschrank.« während ich fragte nickte er.

»Ja, ich habe eine Haushälterin, Fiona. Sie ist wirklich nett. Sie kümmert sich hier eben um alles und macht meine Einkäufe.«
Mir fiel der Garten mit Teich den ich durch die großen Fenster im Wohnzimmer gesehen hatte, ein.

»Und du hast auch bestimmt jemanden der sich um deinen Garten kümmert.« zog ich ihn auf.

»Ja, wenn ich so viel unterwegs bin, muss das ja jemand machen.« grinste er.
Zwischen uns wurde es wieder still und ich drehte mich auf den Rücken.

»Bist du jetzt wieder müde?« fragte er mich und ich nickte.
Eigentlich hatte mir mein kleines Schläfchen von vorhin gereicht, aber ich wollte, dass er schlief. Sein Tag war stressig und anstregenden gewesen und am nächsten Abend trat er schon wieder irgendwo auf. Er brauchte den Schlaf.

»Na dann. Schlaf gut. Träum was schönes.« kam es von ihm und das Licht ging wieder aus.

»Du auch.« flüsterte ich.
Wenige Zeit später hörte ich ein gleichmäßiges und lautes Atmen neben mir. Er war eingeschlafen. Ich konnte spüren, dass es mir gut tat wieder in seiner Nähe zu sein. Ich bereute die Entscheidung ihm erneut vertraut zu haben bis dahin nicht. Meine Gefühle ihm gegenüber waren komisch und undefinierbar, aber ich bereute noch nichts.

Ich wälzte mich noch einige Male umher, ehe ich aufgab und aufstand. Leise und vorsichtig, um ihn nicht zu wecken. Ich wollte an die frische Luft. Deswegen nahm ich mir eine Decke, die über einem Stuhl in der Ecke hing und wickelte sie um mich. Im Schlafzimmer gab es einen kleinen Balkon, aber ich wollte nicht, dass er aufwachte, wenn ich die Balkontür aufschob. Deswegen ging ich leise aus dem Zimmer und die Treppen nach oben. Vor der Dachterrasse, zog ich die schwere Glastür zur Seite und ging raus.
Die Terrasse war eine freie Fläche, auf der zwei Liegen und eine Gartencouch mit Tisch standen. Als ich nach draußen ging, betätigte ich wohl einen Sensor, denn einige Zentimeter über dem Boden, gingen Lichter an. Die kleinen Lampen waren in der Mauer, die die Terrasse umringte, angebracht. Es war ziemlich kalt, weshalb ich mich selbst lobte, weil ich die Decke mitgenommen hatte. Harry hatte recht gehabt, man hatte keine unglaubliche Aussicht dort oben. Direkt vor mir, sah ich viele Baumkronen und rechts konnte man die Straße entlang sehen. Beides war nicht unglaublich spannend.
Ich ging nach hinten zu einer der Liegen und legte mich darauf. Sie war eiskalt und ich bekam Gänsehaut, aber es war okay. Ich wollte es genauso. Enttäuscht davon, dass London zu hell war, um Sterne zu haben, sah ich in den Himmel.
Mein Leben hatte sich in so wenigen Monaten so unglaublich gewandelt und das alles nur wegen Harry. Ich versuchte es zu verstehen, aber es ging nicht. Zu oft dachte ich darüber nach, was das zwischen ihm und mir letztlich war, aber ich hatte keine Antwort. Ich fühlte mich so, wie als ob sich immer mehr in mir staute und ich jeden Moment platzen konnte.
Weil ich wieder anfing zu viel nachzudenken, stand ich auf und ging zitternd zurück in das Haus. Ich schloss die Terassentür hinter mir und tapste ganz nach unten. Im ganzen Haus brannten Lichter, weil überall Bewegungssensoren waren. Im Wohnzimmer suchte ich nach meinem Handy. Mein iPhone lag angesteckt an meine Power-Bank auf dem Couchtisch. Ich nahm beides und ging in die Küche, wo ich mir ein Glas mit Wasser füllte. Mir fiel auf, dass ich immer noch meine Alltagsklamotten trug, aus welchem Grund ich in das Vorzimmer ging, wo unsere Koffer unberührt standen. Es wäre auch unnötig gewesen unsere Sachen auszupacken, weil wir am nächsten Tag wieder flogen. Kopfschüttelnd stellte ich fest, dass ich, seitdem ich Harry kannte, praktisch nur aus meinem Koffer lebte. Ich war wegen ihm nur unterwegs. Es hatte schon was, aber mein eigenes Bett fehlte mir trotzdem. Wobei ich sagen musste, dass Harrys Bett viel besser war, als meines.
Ich nahm mir aus meinem Koffer eine Stoffhose und ein Shirt. Kurz dachte ich darüber nach, wo ich mich umziehen sollte, weil überall Gläser und Fenster waren. Letztlich ging ich in das Gästebad neben dem Fitness-Raum. Ich zog mich um und putzte meine Zähne. Schlaffertig ging ich wieder nach oben und legte mich zu Harry ins Bett. Ich starrte ins Nichts und wollte eigentlich nachdenken, aber meine Augen fielen zu. 

love destroyed through glory | [H.S.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt