chapter fifty

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Ich starrte angsterfüllt zur Tür und wartete die ganze Zeit darauf, dass einer von ihnen reinkam und mich erschoss oder erstach. Ich solle mich auf etwas gefasst machen, hatte sie zu mir gesagt. Mit ziemlicher Sicherheit würden sie mich einfach töten, dachte ich mir.
Ich wusste nicht mal im Ansatz, wie lange ich dort gewesen war. Die ganze Zeit verbrachte ich mit Nachdenken. Ich dachte an meine Eltern und meine Schwester die meinen Tod nicht verkraftet hätten. Ich dachte an Camila, die dann alleine gewesen wäre, ohne Sam und mich. Ich dachte an Harry, der dann für den Rest seines Lebens Schuldgefühle gehabt hätte.
Meine Nase hatte aufgehört zu bluten und das Blut trocknete krustig auf meinem Gesicht, Körper und BH.

Ich saß für einen unabsehbaren Zeitraum dort und wurde mit der Zeit wahnsinnig. Die Tür öffnete sich und jemand mit einem Becher kam rein. Er kam auf mich zu und hielt ihn mir an den Mund. Ich drehte reflexartig meinen Kopf weg und rümpfte die Nase.

»Du sitzt hier seit viel zu langer Zeit ohne Trinken, wenn du verdurstet müssen wir auch noch deine Leiche entsorgen, also trink den Scheiß!« befahl eine männliche Stimme mir.

»Was ist das?« fragte ich und drehte meinen Kopf weiterhin weg.

»Wasser. Und jetzt trink!«
Ich ließ ihn das Behältnis an meine Lippen setzten und nippte kurz. Es schien normales Wasser zu sein, auch wenn ich niemandem von ihnen traute. Ich nahm ein paar Schlucke davon und drehte meinen Kopf wieder. Die Flüssigkeit lief meine trockene Kehle entlang und ich konnte spüren, wie sich das kalte Wasser seinen Weg durch mich bahnte. Der maskierte Typ drehte sich wieder um und verließ den Raum. Ich dachte über seinen Satz mit der Leiche nach. Ob sie schon mal Leichen entsorgen mussten? Er klang nicht so, wie als ob er das noch nie getan hatte. Ich verstand nicht, was sie wollten, wenn sie mich nicht töten wollten. Die einzige Möglichkeit in meinem Kopf war, dass sie mich am Leben hielten und somit Harry um Geld erpressten, wenn er nicht wollte, dass ich starb. Es bestand aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich nicht einig waren, was sie mit mir machen wollten.
Ich saß in dem Raum war es komplett still. Die Stille machte mich verrückt, weil ich nichts hörte, außer meinen eigenen Atemzügen. Ich war unbeschreiblich müde und hungrig und ich hatte das Gefühl, dass sich das Knurren in meinem Magen verstärkt hatte, seitdem ich das Wasser getrunken hatte.
Meine Augen fielen immer wieder zu. Ich durfte aber nicht einschlafen. Ich hatte Angst.

Plötzlich, irgendwann, in der ganzen Stille, konnte ich etwas hören. Es waren Stimmen, sie diskutierten lautstark, aber dennoch hörte ich sie nur dumpf.

»Ihr könnt ihm das nicht antun...« kam es von jemandem.

»Er konnte es uns aber antun!« hörte ich die verhasste weibliche Stimme.

»Das kannst du nicht vergleichen, Angel!«

»Beruhigt euch mal und denkt nach! Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor er hier hereinmarschiert und uns umbringen will! Diesmal sind wir zu weit gegangen.«
Die Stimmen wurden immer leise und ich konnte sie nicht mehr hören. Sie sprachen ganz sicher über Harry. Ich konnte plötzlich unter dem Schlitz der Tür Schatten sehen. Sie öffnete sich und rein kamen vier maskierte Leute.

»Schlampe, wie lange bleibt Harry noch in Chapel?« fragte die weibliche Stimme.
Ich zuckte mit den Schultern, weil ich keine Antwort hatte. Selbst wenn ich eine gehabt hätte, hätte ich ihr ganz bestimmt nichts gesagt. Sie griff plötzlich in ihre Tasche und holte ein Messer raus. Die Klinge war etwas rostig und befleckt.

»Du redest jetzt!« kreischte sie schon fast.
Sie standen langsam unter Druck, ich konnte es spüren. Sie waren verzweifelt und ich hoffte, dass sie es bereuten, jemanden gekidnappt zu haben.

»Ich weiß es nicht!« gab ich weiterhin entschlossen zurück.

»Wie du weißt es nicht? Bist du denn so dämlich?« fragte eine der männlichen Stimmen.

»Ich wusste nicht wohin wir fliegen! Nach der Beerdigung meiner besten Freundin, die ihr getötet habt, wollte Harry mich wegbringen! Ich weiß nicht, wie lange er hierbleiben wollte und wann er wieder auf Tour ist! Ich weiß das alles nicht!« schrie ich sie mit aller Kraft, wütend und unter Tränen an.
Sie verstummten alle und sahen sich an. Wahrscheinlich dachten sie nicht, dass ich so viel über sie wusste.

»Scheiße, er hat es ihr erzählt.« kam es entsetzt von einem der Männer.

»Fuck! Wieviel weißt du?« sagte die Frau zu mir und sah mich bedrohlich an.

»Niemand hat mir irgendwas erzählt!« log ich.
Ich schrie sie an und war selbst überrascht davon, woher ich plötzlich die Kraft dazu hatte.

»Hör auf zu lügen, du Schlampe! Woher weißt du das sonst?«

»Es ist nicht so schlau, dieselbe Maske zu tragen, die man in der Nacht des Mordes getragen hat.« gab ich frech von mir und sie kauften es mir ab.

»Als ob die so schlau ist. Nie im Leben. Harry hat sich bei ihr ausgeheult wegen dem Geld und den ganzen Sachen!« sagte einer der Männer.

»Nein, aber danke, jetzt weiß ich, worum es geht. Wollt ihr Geld? Nehmt mein verdammtes Geld und lasst mich in Ruhe!« kreischte ich und Bäche von Tränen flossen aus meinen Augen.

»Raus, alle!« schrie die Frau und sie setzten sich in Bewegung.
Ohne ein weiteres Wort, fiel die Tür ins Schloss und wurde verriegelt. Außer Atem sackte ich wieder auf dem Sessel zusammen, auf dem ich mich größer gemacht hatte, während ich geschrien hatte.
Ich verstand einfach nicht, was sie wollten, wenn es kein Geld war. Ich verstand es nicht. Ich war bereit dazu weiterzuschreien, weswegen ich sie rufen wollte, um mit ihnen zu streiten. Aber ich hatte Angst, sie würden mir den Mund zukleben und ich würde keine Luft mehr bekommen.
Ich saß dort und wartete darauf, dass etwas passierte, aber es passierte nichts und es kam niemand. Ich wusste nicht mal, worauf ich wartete. Auf meinen Tod? Auf weitere Schläge? Auf Antworten? Auf Harry? Ich hatte keine Ahnung.

Mein Magen schmerzte unglaublich und meine Nase pochte. Ich wollte nicht mehr. Es war aussichtslos gewesen. Alles.
Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, dass Harry versuchen würde, mich zu retten. Er hatte sich tatsächlich dafür entschieden gehabt, selbst keine Probleme zu bekommen. Ich weinte längst nicht mehr, denn ich konnte nicht mehr. Die vorherigen drei Wochen, hatte ich mehr geweint, als in meinem gesamten Leben zuvor und ich wollte nicht mehr. Ich schloss meine Augen und ich fing an zu beten. Ich war nie sonderlich religiös gewesen, aber ich wusste nicht mehr, was ich sonst hätte tun sollten. Ich hörte auf und fing an zu zählen. Ich zählte mit geschlossenen Augen bis hundert. Ein Mal. Noch weiteres Mal. Wieder und wieder. Ich hatte achtzehn Mal bis hundert gezählt. Eine halbe Stunde hatte ich einfach nur gezählt. Ich wurde verrückt.
Mir wurde bewusst, dass ich wirklich anfangen sollte, mich von meinem Leben zu verabschieden. Eigentlich, war das übertrieben gewesen, aber in dem Moment wartete ich nur noch auf meinen Tod.
Ich zählte die Dinge auf, die ich schon immer machen wollte, aber nie gemacht hatte. Mir fiel auf, dass die meisten der Dinge Sam und Camila beinhalteten und meine Gedanken brachen in sich zusammen. Ich atmete tief ein und aus und redete mir selbst ein, ich würde es nicht besser machen, wenn ich über so etwas nachdachte.
Ich hörte erneute Schreie von draußen. Ich öffnete meine Augen, als der Klinke der Tür gepackt und gerüttelt wurde. Eine männliche Stimme schrie, man solle zurücktreten. Dann passierte für eine Sekunde nichts.

love destroyed through glory | [H.S.]Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz