Die Trauer eines Elben

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Wie betäubt lasse ich die folgenden Ereignisse an mir vorbeistreifen, lediglich Erinnerungsfetzen bleiben zurück. Aragorn legt mir eine Hand auf die Schulter und sagt etwas, Gimli schaut mich traurig an und einige Männer bringen Jedwigas Leichnam weg. Nach Gondor, der befreiten Stadt.
Aragorn erlöst die Geister von ihrem Schwur und die Armee verweht im Wind, dann wird alles verschwommen. Leute kommen zu mir und bekunden mir ihr Beileid, doch ich reagiere nicht. Ich reagiere nur auf wenige Dinge, beispielsweise wenn ihr Name fällt oder jemand mich berührt. Nur dann zeige ich eine Regung, ein Zucken, eine Bewegung der Augen, eventuell schaue ich die Person auch an.
In Gondor wird mir ein Zimmer zugewiesen und ich erhalte frische Kleidung. Als ich in einen Spiegel schaue, bemerke ich erst, dass Jedwiga mit ihrem Blut einen Handabdruck auf meiner Wange hinterlassen hat und meine Augen gerötet sind vom weinen. Allerdings verleiht mir dieser blutige Handabdruck ein grimmiges, ja fast grausames Aussehen. Ich befeuchte einen Lappen und beginne mich langsam zu waschen, bis der Lappen rot ist vor Blut und mein Gesicht wieder sauber.
Wenige Stunden nachdem man Jedwiga in die Stadt gebracht hat, kommt Aragorn zu mir und lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich.
"Hatte Jedwiga den Beutel von Galadriel noch?", lautet seine einfache Frage und ich nicke.
"Man hat mir alles von ihr gegeben", antworte ich mit rauer Stimme und deute auf einen kleinen Stapel auf einem Tisch. Ihr Schwert, verklebt vom schwarzen Orkblut, sowie ihre Kleidung und der besagte Beutel. Ihren Ring trage ich an einer Kette um den Hals, so wie Frodo den Einen Ring trägt. Mit dem Unterschied dass ich meinen nicht loswerden will.
Ich habe keine Ahnung was Aragorn mit dem Beutel will, aber ich lasse ihn ziehen. Er sagt noch etwas zu mir, irgendetwas von Hoffnung. 'Hoffnung. Als könnte ich noch hoffen.'
Ich weiß dass ich sterben werde, an einem gebrochenen Herzen, und zwar bald. Es ist ein Wunder dass ich solange durchgehalten habe, das ist mir bewusst. Mein Versprechen an Jedwiga hält mich am Leben und verhindert dass ich ihr einfach folge. Ich könnte es mir nicht verzeihen sie zu enttäuschen indem ich mein Versprechen breche. Außerdem sehe ich sie dann wieder.
Mit einer dumpfen Sehnsucht stehe ich auf dem Balkon meines Zimmers und schaue nach Mordor, ohne die dunkle Bergkette zu sehen. Vor meinem inneren Auge sehe ich Jedwiga, blass und leblos auf dem Feld liegen, um sie herum andere Tote, und ihr Blut sickert in den braunen Boden. Meine Augen brennen, aber es kommen keine Tränen. Stattdessen balle ich die Hände zu Fäusten und atme tief durch um nicht verrückt vor Trauer zu werden. Hinter mir höre ich Aragorn leise mit Gandalf sprechen, die beiden sind zu mir ins Zimmer gekommen ohne dass ich es gemerkt habe.
"Erstaunlich dass er noch lebt, wenn auch nicht weiter verwunderlich. Ein Versprechen, gegeben im Tod, ist oft wirkungsvoller als ein Schwur im Leben", meint Gandalf leise und ich spüre seinen Blick in meinem Rücken.
"Ich mache mir Sorgen. Seine Augen werden mit jeder Stunde kälter und er zieht sich immer mehr zurück. Lange wird er nicht mehr durchhalten können. Sollten wir es ihm sagen?", höre ich die Stimme von Aragorn.
"Lieber nicht. Die Hoffnung könnte sein Herz endgültig zerstören falls es eine falsche Hoffnung ist. Nein, wir warten ab. Ich habe bereits Nachricht an Herr Elrond und König Thranduil geschickt, falls diese durchkommen", antwortet Gandalf.
"Ist das ratsam? Was ist wenn es doch funktioniert? König Thranduil könnte unnötig den Tod erleiden, ganz zu schweigen von Herrn Elrond."
"Mein Freund, es ist nur gerecht die Väter über die Geschehnisse zu informieren. Es ist keineswegs in den Nachrichten so dargelegt dass alles schlecht ist, nein, es gibt noch Hoffnung. Ich glaube fest daran dass dies hier nicht das Ende ist."
Allmählich wird es mir zu viel und ich spanne meine Kiefermuskeln an.
"Sprecht, wenn euch etwas am Herzen liegt, aber sonst geht und lasst mich mit euren Vermutungen in Ruhe", fordere ich kalt und augenblicklich verstummen meine Freunde. Ich drehe mich zu ihnen herum und schaue sie grimmig und mit Schmerz in den Augen an.
"Sie ist tot! Begreift das endlich! Sie kommt nicht wieder."
Ohne ihre Antworte abzuwarten marschiere ich an ihnen vorbei aus dem Raum. Trotz meiner weichen Schuhe hallen meine Schritte in den Gängen wieder und ich balle die Hände erneut zu Fäusten. Vor Wut, Trauer und Verzweiflung merke ich gar nicht wo ich hin laufe, erst als ich plötzlich auf einer Terrasse im Haus der Heiler ankomme, bleibe ich stehen. 'Warum bin ich hierher gekommen?' Verwirrt wende ich mich wieder ab und gehe langsam den Weg wieder zurück. Meine Gedanken kreisen nun um meinen Vater und Elrond. Beide wissen noch nichts von den Vorfällen, aber wenn sie es erfahren, stirbt mein Vater. Da bin ich mir sicher. Den Tod meiner Mutter hat er nur wegen mir verkraftet, und wenn ich sterbe, stirbt auch er. Bei dieser Erkenntnis regt sich kein Gefühl in mir, es ist als hätte Jedwiga einen Teil von mir mit in den Tod genommen. Ich sollte traurig sein, oder mitfühlend, aber ich bin einfach nur kalt. So kalt dass meine Haut sich anfühlt wie Stein.
Schließlich bin ich wieder in meinem Zimmer und setze mich auf mein Bett. Seit der Schlacht habe ich weder gegessen noch geschlafen, oder mich um meine Waffen gekümmert. Ich spüre wie die Kälte in mir sich langsam ausbreitet, wie meine Haut kühl und glatt wird. Das alles sind Anzeichen für mein Sterben und plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher ob ich mein Versprechen werde halten können. Ein neues Gefühl macht sich in mir breit, Panik.
Da öffnet sich auf einmal die Tür zu meinem Zimmer und Gimli kommt herein.
"Was willst du?", höre ich mich selbst mit einer Stimme wie Eissplitter fragen und schaue den Zwerg an.
"Ich will fragen ob der Herr sich für immer in seinem Zimmer einsperren will oder sich dazu bequemt mit mir mitzukommen", antwortet er schroff, aber nichtsdestotrotz höre ich die Sorge in seiner Stimme. 'Er ist mein Freund. Natürlich macht er sich Sorgen.' Wenn es auch seltsam ist für einen Zwerg.
Langsam stehe ich auf und gehe auf ihn zu, dann laufen wir durch die Gänge und in Richtung Speisesaal.
"Ich esse nichts", sage ich und Gimli schnaubt.
"Ich aber, falls du das schon vergessen haben solltest."
Ein wenig später sitzen wir uns an einem Tisch gegenüber und Gimli raucht Pfeife nachdem er gegessen hat.
"Und wie geht es dir, Junge?"
"Wie soll es mir schon gehen?", antworte ich tonlos und schlucke. Gimli zieht an seiner Pfeife und bläst den Rauch aus.
"Hör mal, ich weiß dass dir diese Elbenfrau-"
"Sie heißt Jedwiga", unterbreche ich ihn, doch er redet einfach weiter.
"-dass sie dir sehr viel bedeutet hat-"
"Ich habe sie geliebt."
Meine Stimme klingt brüchig und ich kann den Schmerz in meinem Blick nicht verbergen. Gimli sieht mich mit einer Art von Mitgefühl an und spricht dann weiter.
"Ich mochte sie auch und bin traurig dass sie tot ist, aber das Leben geht weiter."
Mir ist bewusst dass er es nur gut meint, doch ich sehe ihn bewusst nicht an und balle die Hände zu Fäusten bis es wehtut.
"Wir brauchen dich, Junge. Im Kampf bist du wertvoll und das können wir wirklich gut gebrauchen."
"Vorausgesetzt er kann noch kämpfen", mischt sich da Éomer ein und ich schaue wütend zu ihm auf.
"Wieso sollte ich das nicht können?", frage ich scharf und stehe auf, damit ich auf einer Augenhöhe mit dem Menschen bin.
"Weil ihr seid dem Tod dieser Elbenfrau nur noch ein Schatten eurer Selbst seid. Auch ich habe geliebte Menschen verloren, aber ich bin nicht ansatzweise so zerbrochen wie ihr. Warum eigentlich? Es gibt so viele Frauen in der Welt, ihr könnt euch ganz leicht eine neue Spielgefährtin suchen. Aber wahrscheinlich seid ihr nicht mal mehr dazu in der Lage, geschweige denn ein Schwert zu führen."
Mit einem Schrei stürze ich mich auf ihn und schleudere ihn gegen die nahe Wand.
"Sie war meine Frau! Und niemand wagt es sie als meine Spielgefährtin zu bezeichnen!", rufe ich und packe Éomer am Kragen.
"Ich habe sie geliebt", zische ich und will gerade weitermachen, als jemand mir seine Hand auf die Schulter legt.
"Legolas, lass ihn los", fordert die ruhige Stimme von Aragorn, doch ich sträube mich dagegen. Schließlich lasse ich Éomer los, starre ihn aber wütend an. Der Mensch wirkt überrascht und macht dass er schnell davonkommt.
Aragorn dreht mich zu sich herum und schaut mich ernst an.
"Das war nicht klug mein Freund."
Einen Moment schaue ich ihn an, dann gehe ich wütend an ihm vorbei und aus dem Speisesaal ohne ein Wort zu sagen.

Yaaaay endlich wieder Updates :D
Was sagt ihr dazu? ^^ (auch zu diesem und den letzten Kapitel)

Irgendwelche Wünsche?

Verbesserungen?

Anmerkungen? Ich bin offen für Kritik aller Art :)

Danke dass ihr dieses Buch lest und so fleißig votet, das bedeutet mir wirklich viel :3 Mittlerweile hat dieses Buch schon 6,66K views und etwas mehr als 670 votes ♥♥♥ Danke ♡

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt