Ein Bankett

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Nach einigen weiteren Stunden des Trainings entlässt mich Elrond.
"Ach ja, heute Abend findet ein Bankett zu deinen Ehren statt", informiert er mich noch nebenbei bevor ich von dem Platz verschwinde. Verblüfft bleibe ich stehen. 'Ja, klar. Bestimmt, ein Bankett zu meinen Ehren. Gut dass du mir das überhaupt sagst.' Doch ich nicke.
"Damit habe ich zwar nicht gerechnet, aber ich werde selbstverständlich kommen. Wer wird denn anwesend sein?"
"Arwen, natürlich ich und ein paar Freunde von mir."
Ein weiteres nachdenkliches Nicken meinerseits.
"Danke. Bis heute Abend."
Ich neige respektvoll den Kopf und verlasse den Trainingsplatz. Vater hin oder her, ich kann einfach noch nicht mit Elrond so gut umgehen. Mal fällt es mir leicht, aber meistens habe ich keine Ahnung was er von mir erwartet oder was ich machen soll. Aber jetzt mache ich mich erstmal auf zu meinem Zimmer um mir neue Anziehsachen zu holen, dann will ich mir von einer Dienerin den Weg zum Frauenbad zeigen lassen.
Kaum habe ich mein Kleid in der Hand und biege um eine Ecke, laufe ich fast in eine Dienerin rein.
"Huch, entschuldigt meine Unachtsamkeit. Ist alles in Ordnung?", frage ich sie und sie schaut mich leicht irritiert an. Doch dann verschwindet dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht und sie lächelt freundlich.
"Ja, danke der Nachfrage. Das kann schonmal passieren, das ist nicht schlimm."
"Oh, sehr gut. Könnten Sie mir vielleicht den Weg zum Frauenbad zeigen? Ich bin noch nicht so lange hier", bitte ich sie höflich und sie nickt sofort.
"Klar, kommt einfach mit mir."
Ein erleichtertes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich folge mit einem Kopfnicken in ihre Richtung der Dienerin durch die Gänge. Nach einer Weile gelangen wir an eine Tür, in einem Teil des Hauses in dem vorwiegend Frauen hausen und sich aufhalten.
"Durch diese Tür kommt ihr ins Frauenbad. Handtücher liegen schon bereit."
Ich lächle sie dankbar an und sie entfernt sich nach einem leichten Knicks. Dann öffne ich die Tür und tauche in die feuchte Wärme des Bades ein.

Knapp eine dreiviertel Stunde später mache ich mich mit meinem frischen Kleid auf zum Speisesaal, denn das Training macht hungrig. Durch das Buch über die Geschichte der Elben weiß ich, dass Elben eigentlich nichts oder nur sehr wenig essen müssen sobald sie aus der Wachstums- und Entwicklungsphase heraus sind. Ich jedoch stecke noch mittendrin und mein Körper braucht reichlich Energie. Nachdem ich im Speisesaal gegessen habe, irre ich ein wenig verloren umher, denn niemand hat mir gesagt wo ich zu meinem Unterricht hin muss, oder wann dieser anfängt.
Nach einer Weile treffe ich auf einen älteren Elben, der mir mit ernster Miene entgegenkommt und vor mir stehenbleibt.
"Seid ihr Jedwiga?"
Ein wenig überrascht bleibe ich ebenfalls stehen und mustere den Elben. Er hat lange, dunkelbraune Haare, mit einigen grauen Strähnen, braune Augen, buschige, schwarze Augenbrauen und kneift den Mund zu einem Strich zusammen.
"Ja, die bin ich", antworte ich vorsichtig und verneige mich leicht.
"Was kann ich für euch tun?"
"Mein Name ist Peliorian, ich bin euer Lehrer in Geografie und Mathematik. Man hat mir gesagt, dass ihr bei mir Unterricht erhalten werdet."
Sofort hellt sich meine Miene auf. 'Endlich jemand der Bescheid weiß! Aber sein Name ist schon ein wenig kompliziert...'
"Freut mich euch kennen zu lernen, Peliorian."
Ich lächle ihn freundlich an und kann meine Aufregung nur schwer verbergen.
"Wie ich sehe seid ihr schon ganz voller Tatendrang. Das freut mich, sowas sehe ich gerne bei meinen Schülern. Folgt mir bitte."
Er dreht sich herum, allerdings nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass ich ihm hinterherkomme. Dann führt er mich durch die Gänge von Bruchtal, über wunderschöne Plätze an der Bibliothek vorbei bis zu einem Raum, in dem sechs Pulte stehen und der voller sortierter Landkarten ist. Licht fällt durch zwei hohe Bogenfenster gegenüber der Tür und auf den Pulten liegen Federn und Tintenfässer.
Mit vor Staunen großen Augen trete ich ein und schaue mich aufmerksam um. Landkarten hängen an den Wänden, von verschiedenen Teilen Mittelerdes, doch ich habe keine Gelegenheit, sie mir genauer anzusehen, denn Peliorian beginnt sofort mit dem Unterricht. Aber dagegen habe ich überhaupt nichts.

Nach zwei Stunden Lernen schwirrt mein Kopf vor lauter Flüssen, Städten, Gebirgen und Meeren. Niemals hätte ich gedacht, dass es so viele Namen geben kann.
"Das war es für heute, ihr solltet nun gehen und euch fertig machen. Das Bankett beginnt in einer Stunde und man erwartet von euch Pünktlichkeit."
Ich verneige mich vor meinem Lehrer.
"Vielen Dank. Ich habe die Zeit genossen. Wann sehen wir uns wieder?"
"In drei Tagen, im Mathematik Unterricht."
Mit einem kleinen Lächeln entlässt er mich und ich hüpfe schon fast die Gänge zu meinem Zimmer entlang, so glücklich bin ich. Als ich die Tür öffne, kommt mir sofort eine Dienerin entgegen.
"Da seid ihr ja endlich!"
Sie bugsiert mich mit einem sanften Schubser in Richtung Bett, auf dem ein wunderschönes Kleid ausgebreitet liegt, welches nur darauf wartet getragen zu werden. Ein wenig verdattert stehe ich herum, bis die Dienerin anfängt um mich herum zu wuseln.
"Ich bin Leara, eine Zofe. Ich soll auf Geheiß von Herrn Elrond euch für das Bankett fertig machen."
Sie schaut mich streng aus grünen Augen an, ihre blonden Haare sind zu einem festen Dutt zurückgebunden und sie stemmt die Arme in die Seiten. Sie ist genauso groß wie ich, aber wohl ein wenig älter.
"A-aber...", stottere ich, doch sie unterbricht mich.
"Keine Widerrede. Und jetzt, zieht euch um!"
Leara hilft mir in das Kleid und zupft es zurecht, um sich danach mit meinen Haaren zu beschäftigen. Ich mag ihre etwas ruppigere Art irgendwie, es ist angenehm nach der ganzen Höflichkeit, die hier vorherrscht. Das Kleid ist blassgrün, der weiche Stoff fällt in eleganten Falten, der Ausschnitt ist nicht zu groß und am Rand mit dunkelgrünen Ranken bestickt. Es passt mir perfekt, und einen Moment wundere ich mich darüber, doch nicht lange.
"So, nun seid ihr fertig. Gefällt es euch?"
Erwartungsvoll schaut Leara mich an und ich betrachte mich im Spiegel. Sie hat meine Haare zu einem Zopf geflochten, in dem kleine Blüten eingearbeitet sind. Vorsichtig streiche ich mit der Hand darüber.
"Danke, es ist wunderbar."
Dies sind die ersten Worte, die ich an sie richte, doch sie verfehlen ihre Wirkung nicht. Leara fängt an zu strahlen und ich lächle. Sie ist keine Elbe, das sehe ich an ihren Ohren.
"Darf ich fragen, woher ihr stammt?", frage ich sie und sie nickt.
"Ich bin ein Mensch aus Bree, ich arbeite hier seit meine Großmutter gestorben ist. Herr Elrond hat mich aufgenommen und mir Arbeit gegeben. Jetzt wird es aber Zeit, ihr müsst los!"
Mit energischen Handbewegungen scheucht sie mich aus dem Zimmer in den Gang. Dann schließt sie die Tür und eilt vor mir her zum Bankettsaal. Während des Laufens werde ich immer nervöser und mein Herz beginnt zu rasen. 'Hoffentlich stelle ich nichts dummes an und blamiere mich vor allen!' Leara bleibt vor der Tür stehen, zieht noch einmal mein Kleid zurecht und öffnet dann die Türe.
"Viel Glück."
Mit einem Lächeln verschwindet sie den Gang hinunter. Ich stehe da, schlucke einmal, hole tief Luft und trete dann durch die Tür in den Saal.
Im Inneren stehen vielleicht ein Dutzend Elben in kleinen Gruppen, deren Gespräche sofort verstummen, sobald ich den Raum betrete. Ich spüre die Blicke aller auf mir und Unbehagen breitet sich in mir aus, doch ich lasse mir nichts anmerken. Mit hoch erhobenem Kopf und (hoffentlich) eleganten Schritten gehe ich durch den Saal direkt auf Elrond und Arwen zu, die auf der anderen Seite des Saals warten. Arwen strahlt mich an und ich lächle zurück. Sie trägt ein dunkelgrünes Kleid, das genaue Gegenstück zu meinem, mit hellgrünen Stickereien. Ihre dunklen Haare fallen ihr offen über den Rücken, nur ein Stirnreif ziert ihren Kopf. Elrond trägt auch so einen Stirnreif, doch bei ihm sieht er aufwändiger und edler aus.
Mit einem warmen Lächeln breitet er die Arme aus.
"Willkommen, meine Tochter."
Ich senke kurz den Kopf, dann gehe ich zu den beiden hin und stelle mich an Elronds andere Seite. Diese ganze Aufmerksamkeit ist mir unangenehm.
"Lasst das Fest beginnen!"

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt