Ein Gefallen

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Einige Tage lang bleibe ich in meinem Zimmer und lese, wenn nicht gerade Legolas bei mir ist. Doch eines Tages kommt er morgens in das Zimmer, während ich gerade aufstehe und eine Heilerin mir erklärt, dass ich meinen linken Arm erst noch schonen muss. Außerdem wird jeden Morgen und Abend eine Heilerin zu mir kommen um die Wunde zu untersuchen und den Verband zu wechseln.
Zwar heilen Wunden immer sehr schnell bei Elben, aber durch die zeitweilige Vergiftung wurde der Heilungsprozess ein wenig verlangsamt.
"Was ist denn hier los?", fragt er verblüfft und bleibt stehen.
"Ich darf nach draußen! Und ich kann wieder in meinem eigenen Zimmer schlafen", erzähle ich ihm und er lacht fröhlich.
"Das ist ja toll!"
Da wird er plötzlich nachdenklich und schließlich errötet er ein wenig.
"Aber das bedeutet auch, dass du unseren Besuch kennenlernen kannst", murmelt er und ich stutze. Die Heilerin verlässt diskret den Raum und Legolas schließt die Tür.
"Der Besuch ist hier weil... ich wohl bald mir eine Frau aussuchen soll."
Er verzieht das Gesicht.
"Oder eher gesagt, sie kommen einfach. Und bei diesem Besuch handelt es sich um eine ganz besonders hartnäckige Halbelbe. Und bei meinen Versuchen, sie abzuwimmeln, ist mir da etwas rausgerutscht..."
Er tritt unruhig von einem Fuß auf den anderen, während ich ihn aufmerksam mustere. Da holt er tief Luft und schaut mich an.
"Ich habe gesagt, dass ich bereits eine... Auserwählte hätte, aber natürlich glaubt sie mir nicht. Und deswegen möchte ich dich um einen Gefallen bitten."
Er schluckt und wirkt auf einmal furchtbar nervös, aber irgendwie ist das niedlich und ich kann nur schwer ein Lächeln zurückhalten.
"I-ich wollte dich bitten, o-ob du vielleicht... für ein paar Tage so tun könntest... als wärst du... meine Freundin."
Einen Moment lang starre ich ihn an und er wirkt noch nervöser.
"Natürlich musst du nicht wenn du nicht willst. Wir würden sowieso nur Händchen halten und so, nichts mehr", fügt er hastig hinzu.
"Ich verstehe. Ja, warum eigentlich nicht. So kann ich mich endlich für all die Male revanchieren, bei denen du mir das Leben gerettet hast", antworte ich und grinse ihn an. Legolas seufzt erleichtert und grinst mich dann schief an.
"Ich dachte schon, du würdest das falsch aufnehmen."
Da muss ich lachen.
"Keine Sorge, ich weiß dass du anders bist."
"Gut. Dann komm."
Er deutet auf die Tür und öffnet sie, damit ich hindurchgehen kann. Lächelnd danke ich ihm und laufe in Richtung Höhle. Er kommt mir hinterher und als wir auf den Gang treten, nimmt er meine Hand.
"Ihre Leute sind irgendwie überall und erstatten ihr ständig Bericht", flüstert er nahe an meinem Ohr und ich kann seinen warmen Atem spüren. Zwar habe ich keine Ahnung ob dies stimmt, aber ich genieße seine Berührung.
Ein wohliger Schauer läuft über meinen Rücken. Seine warme Hand hält meine sanft fest, als ich unsere Finger miteinander verschränke. Falls Legolas darüber überrascht ist, lässt er sich nichts anmerken. Gemeinsam laufen wir auf den Wurzeln entlang und die Elben auf den Wegen schauen positiv überrascht auf unsere verschränkten Hände, um dann sanft zu lächeln. Vorallem die älteren Elben schauen uns wohlwollend an und ich merke erstaunt, dass ich das hier genieße. Es fühlt sich gut und richtig an, ihm so nahe zu sein.
"Legolas?", frage ich ihn und schaue ihn an. Erst jetzt fällt mir auf, dass er nur ein kleines bisschen größer ist als ich. 'Genau die richtige Größe um ihn zu-' Erschrocken unterbreche ich meine Gedanken, die in eine ganz seltsame Richtung abdriften.
"Ja?"
"Ähm, ich wollte nur zu meinem Zimmer gehen, um mich zu waschen und mir etwas anderes anzuziehen."
"Klar, komm."
Er führt mich die Wege entlang zu meinem Zimmer und bleibt vor meiner Tür stehen.
"Danke", flüstert er an meinem Ohr und ich lächle schüchtern.
"Das habe ich... gerne gemacht."
Dann strecke ich mich ein wenig, küsse ihn kurz auf die Wange und verschwinde schnell in meinem Zimmer.
Mein Herz klopft schneller und ich kann gar nicht richtig fassen, was ich da getan habe. 'So viel zum Thema, mir nicht den Kopf von ihm verdrehen zu lassen.' Ein wenig wackelig auf den Beinen gehe ich in mein Bad und bade mich ausgiebig.
Mit einem frischen Kleid bekleidet verlasse ich mein Zimmer wieder und halte mit einem mulmigen Gefühl im Bauch nach dem Prinzen Ausschau. Dieser befindet sich eine Etage unter mir auf einer breiten Wurzel.
Langsam geht er darauf entlang und wirkt dabei sehr nachdenklich. Anscheinend hat er sich auch umgezogen, denn er trägt nun eine dunkelgraue Hose und ein grünes Stoffhemd. Seine Haare sind hinter seine Ohren geflochten und er sieht viel jünger aus.
Plötzlich scheint er meinen Blick zu bemerken und schaut zu mir auf. Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus und er eilt den Weg entlang zur nächsten Treppe. Augenblicke später, so scheint es mir, steht er auch schon vor mir, ein glückliches Leuchten in seinen Augen. Bei diesem Anblick stockt mir der Atem und ich starre ihn an.
Dann fasse ich mich wieder und lächle ebenfalls.
"Da bist du ja wieder", meint er und nimmt wieder meine Hand. 'Entweder spielt er das sehr gut, oder es ist am Ende wirklich echt...'
"Mein Vater erwartet uns bereits zum Essen, zusammen mit dem Besuch."
Ich nicke nur, zu mehr bin ich nach diesem Gedanken nicht fähig. Legolas grinst und zieht mich sanft mit sich.
Wir laufen gemeinsam zum Speisesaal und treten durch die Tür. An dem Tisch sitzt wie immer Thranduil, aber auf einem anderen Platz, der normalerweise leer ist, sitzt eine blonde Elbe mit grünen Augen und starrt uns entgegen.
"Guten Abend", begrüßt Legolas die beiden fröhlich und ich tue es ihm gleich. Thranduil schaut uns überrascht an, kann diese Überraschung aber schnell verbergen.
"Jedwiga, schön dass es dir besser geht. Setzt euch."
Legolas führt mich zu meinem Platz, zieht den Stuhl für mich zurück und ich setze mich hin. Erst dann geht Legolas zu seinem Platz und lässt sich darauf nieder. Mit einem Zwinkern in meine Richtung nimmt er sich etwas zu essen und reicht mir danach die Schüssel. Dankend nehme ich mir auch etwas und Thranduil lächelt eine winzige Sekunde lang. Doch die grünäugige Frau durchbohrt mich mit ihrem Blick und ich habe das Gefühl, dass sie mir am liebsten den Hals umdrehen würde. Das tut sie jedoch zum Glück nicht, denn da wären Legolas sowie Thranduil wahrscheinlich ziemlich sauer geworden.
Ich lächle ihr freundlich zu und reiche ihr die Schüssel. Mit einer heftigen Bewegung reißt sie sie mir aus der Hand und zischt ein beinahe drohendes: "Dankeschön!", zurück. Schweigend essen wir eine Weile lang, bis Legolas ein Gespräch anfängt.
Er wirkt so lebendig, aufgeweckt und glücklich, dass ich kaum meinen Blick von ihm lösen kann. Und dabei ist unsere Romanze ja nur gespielt, oder etwa nicht?
Bei dem Gedanken, dass Legolas und ich wirklich zusammensein könnten, breitet sich ein starkes, aber angenehmes Kribbeln in meinem Bauch aus und ich muss unwillkürlich lächeln.
Nach dem Nachtisch kommt Legolas plötzlich zu mir an den Stuhl und schaut mich auffordernd an. Ich verstehe erst nicht und hebe fragend eine Augenbraue. Da tippt Legolas mit seiner Hand auf seinen Oberschenkel, ich verstehe was er will und stehe auf. Er setzt sich auf meinen Stuhl, legt seine Hände an meine Taille und zieht mich seitlich auf seinen Schoß. Jetzt liegt in Thranduils Zügen eine eindeutige Andeutung eines Lächelns welches ein wenig stärker wird als Legolas seine Arme um meine Taille schlingt und mich näher an sich zieht. Meine Füße baumeln ein wenig über dem Boden, doch das stört mich nicht. Das Kribbeln in meinem Bauch wird stärker als ich meinen Kopf gegen seinen lehne und er lächelt.
Ich atme tief ein und rieche seinen Geruch, der mir bisher noch nie so aufgefallen ist.
Er riecht nach Wald, Wind und irgendwie nach Büchern. Er riecht wunderbar.
Das allererste Mal in meinem Leben fühle ich mich komplett, vollkommen und richtig geheilt. Und ich wünsche mir, dass dieser Moment niemals endet.

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt