Ein Tag im Wald

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Legolas P.O.V.

Es ist so schön hier mit ihr auf dieser Lichtung. Seit gestern Abend fühle ich mich so lebendig und glücklich wie noch nie in meinem Leben. Auch wenn es nur eine Scheinbeziehung ist, ich genieße diese Nähe zu Jedwiga so sehr, dass ich mir nicht mehr vorstellen kann wieder anders mit ihr umzugehen. Es fühlt sich richtig an und ich glaube, dass Jedwiga es auch mag. Allerdings ist sie seltsam seit gestern. 'Vielleicht weiß sie nicht was sie tun kann.' Wahrscheinlich hat sie Angst, dass sie sich noch mehr zerstört, als sie ohnehin schon ist. Aber in diesem Moment, hier auf der Lichtung mit mir, sieht sie so glücklich aus wie ich sie noch nie gesehen habe. Ich will, dass sie immer so froh ist.
"Gibt es eigentlich schon etwas neues wegen dieser Frau?", fragt sie mich plötzlich und schaut mich an. Ihre eisblauen Augen haben etwas von ihrer Kälte verloren und für einen Augenblick drohe ich in ihrem Blick zu versinken.
Doch dann reiße ich mich zusammen.
"Sie will abreisen, gleich morgen früh nach dem Fest. Unsere Aktion hat also etwas gebracht!"
"Das heißt also, dass wir das nicht mehr machen müssen", murmelt Jedwiga kaum hörbar.
"Hm?"
"Ach... nichts", wehrt sie ab und ich seufze innerlich. Doch da fährt sie fort.
"Naja, obwohl..."
Sie ringt offensichtlich mit sich bevor sie weiterspricht. Ich schaue sie aufmerksam an.
"I-ich, ich wollte dir etwas sagen."
Sie holt tief Luft und schaut mich dann an.
"Ich möchte nicht, dass es endet", sagt sie leise und schluckt.
"Ich liebe dich."
Einen Moment lang schaue ich sie erstaunt an, dann bildet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht. Unbändige Freude breitet sich in mir aus und ich würde am liebsten jauchzend über die Wiese springen.
Doch dann reißt mich ihr ängstlicher Blick zurück ins hier und jetzt. 'Sie ist verletzbar.' Ich bemerke, dass ich seit einer Weile nichts mehr gesagt habe und Jedwiga lässt den Kopf traurig sinken.
Da lege ich ihr zwei Finger unters Kinn und hebe ihren Kopf wieder an um sie anzusehen.
"Ich liebe dich auch", erwidere ich mit vor Rührung leicht zitternder Stimme. Sofort leuchten ihre Augen auf und sie fängt an zu lächeln. Ich neige den Kopf leicht zur Seite und komme ihrem Gesicht langsam näher. Dann berühren sich unsere Lippen und ich schließe die Augen.
Ein Kribbeln erfasst meinen ganzen Körper und ich nehme alles intensiver wahr. Ihre weichen Lippen, ihren wunderbaren Duft, ihre Nähe zu mir, die Vögel, die Lichtung, alles. In diesem Moment bin ich wohl der glücklichste Elb des ganzen Düsterwaldes.

Jedwiga P.O.V.

Seine Lippen fühlen sich so gut an, und seine Liebe zu mir strömt durch meinen Körper. Ich spüre, wie neue Kraft in mir erwacht und wie der Riss in meinem Herzen sich langsam wieder schließt. Legolas ist der Richtige für mich.
Da lösen sich unsere Lippen voneinander und Legolas schaut mich ein wenig überrascht an. Dann lächelt er, schlingt seine Arme um mich, hebt mich leicht hoch und wirbelt mich einmal im Kreis herum. Mit einem erschrockenen Aufschrei lege ich beide Arme um seinen Hals, doch dann lache ich gemeinsam mit ihm. Es ist so wunderbar, dieses Gefühl, als wäre ich endlich zu Hause.
Er setzt mich ab, nimmt mein Gesicht sanft zwischen seine Hände und betrachtet mich mit Freudentränen in den Augen.
"Endlich haben wir uns gefunden, nach so langer Zeit und so viel Leid", flüstert er und küsst mich dann erneut. Ich schließe wieder die Augen, lege aber dieses Mal meine Hände an seine Seiten.
Nach kurzer Zeit lösen wir uns voneinander, Legolas legt seine Arme um meine Taille und lehnt seine Stirn gegen meine. Mit geschlossenen Augen stehen wir dicht voreinander und genießen diesen Augenblick.
Ich spüre, dass die Kälte, die mich seit dem Verlust meiner alten Familie gepackt hielt, langsam aus meinem Körper entweicht und dass meine Augen ihr altes Strahlen zurückhaben. Und eben diese Augen öffne ich nun und schaue ich ihn an. Er nimmt den Kopf ein kleines Stückchen zurück und schaut mich liebevoll an, dann bemerkt er die Veränderung in meinem Blick und seine Augen werden groß.
"Jedwiga, deine Augen... sie sind anders."
"Ich weiß", flüstere ich und gebe ihm eine Kuss auf die Nasenspitze.
"Ehrlich gesagt siehst du jetzt noch schöner aus als ohnehin schon", meint er. Vorsichtig lasse ich ihn los, nehme seine Hand und ziehe ihn sanft mit mir mit.
"Komm, wir gehen zum Palast. Dort warten sie bestimmt schon auf uns", meine ich lachend und Legolas folgt mit einem Grinsen. Wir haben gar nicht bemerkt, wie tief die Sonne schon über dem Wald steht. Wir haben noch circa eineinhalb Stunden bis zum Beginn des Festes, und wir beide müssen uns noch passend dafür anziehen.
"Weißt du, manchmal könnte ich meinen Vater echt umbringen, aber heute ausnahmsweise mal nicht."
Ich schaue ihn verblüfft an.
"Wieso denn das?"
"Er veranstaltet das Fest, um zu feiern dass ich endlich jemanden gefunden habe."
Da muss ich lachen.
"Perfekte Zeit."
Er grinst.
"Absolut."
Gemeinsam gehen wir durch den Wald zurück zum Haupttor und ich bemerke die Veränderungen an mir. Alles scheint strahlender, grüner und schöner, und vorallem Legolas scheint zu leuchten. Ich nehme alles mit neuem Eifer wahr, als wäre ich aus einer Nebelbank getreten, die alles vor mir verschleiert hat. Legolas muss mich bremsen, sonst wäre ich wahrscheinlich auf und davon durch den Wald gelaufen.
"Ich liebe es zwar wenn du so bist, aber nicht heute. Morgen gehen wir gemeinsam in den Wald, versprochen", meint er und legt einen Arm um meine Taille.
"Na gut", erwidere ich und lege meinen Arm ebenfalls um seine Taille.
An der Brücke angekommen mustern uns die Wachen mit unergründlichen Blicken, aber das ist uns egal. Wir laufen über die Wege und lachen gemeinsam über jede Kleinigkeit. Legolas ist sichtlich entspannter als noch heute Mittag, obwohl nur wenige Stunden vergangen sind. Auch ich bin freier und erlebe alles noch einmal. Es ist, als wäre ich in eine andere Welt getreten. Plötzlich bemerke ich, dass wir beobachtet werden und zügele mich sofort. Aufmerksam schaue ich nach oben und dort steht König Thranduil. Legolas folgt meinem Blick und stoppt.
Doch Thranduil lächelt leicht, neigt den Kopf und geht majestätisch von dannen.
"Hat er gerade gelächelt?", frage ich Legolas ungläubig und er nickt stumm. 'Anscheinend ist der König doch nicht so ein Eisklotz wie ich gedacht habe.' Dann ziehe ich Legolas sanft weiter mit mir, die Treppe hoch und zu meinem Zimmer. Dort bleibe ich vor der Tür stehen und schaue Legolas glücklich an.
"Bis gleich", flüstere ich ihm zu und küsse ihn sanft auf den Mund.
"Ich hole dich ab, in einer Stunde", informiert er mich und geht dann den Weg weiter zu seinem Zimmer. Einmal dreht er sich zu mir um und grinst. Ich grinse zurück und gehe in mein Zimmer.
Dort warten schon eine Heilerin und eine Dienerin, um sich einerseits um meine Schulter zu kümmern und andererseits mich für das Fest fertigzumachen. Protestlos lasse ich die Prozeduren über mich ergehen, denn ich muss erst einmal das Geschehene aus den letzten Stunden verarbeiten.
Schließlich ist meine Wunde gereinigt, eingesalbt und frisch verbunden, aber die Heilerin meint, dass ich nur noch den nächsten Tag einen Verband tragen muss. Dann wird es soweit verheilt sein, dass ich den nicht mehr brauche.
Die Dienerin hält mir gerade ein wunderschönes dunkelgrünes Kleid hin, welches mit silbernen Ranken und Mustern bestickt ist. Sie hilft mir es anzuziehen und macht mir dann meine Haare zu einer schönen, aber einfachen Flechtfrisur.
Als ich endlich fertig bin, bedanke ich mich bei den beiden, da klopft es an der Tür. Legolas steht davor und hält mir lächelnd seinen Arm hin.
"Fertig?"
Er trägt ein silber-blaues Gewand und schaut mich mit großen Augen an.
"Fertig!"
Ich hake mich bei ihm unter und wir gehen gemeinsam in Richtung Festhalle.

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt