Abreise

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Später an diesem Abend bleibt Legolas bei mir im Zimmer, aber das ist mir ganz recht. Ich glaube, selbst wenn ich es gewollt hätte, wäre er nicht gegangen.
"Hast du schon alles für die Abreise gepackt?", fragt er mich, während ich mich gerade im Bad hinter der Abtrennung für die Nacht fertig mache. Der Lautstärke seiner Stimme nach zu urteilen befindet er sich im Raum, gleich neben der Tür.
Mittlerweile hat er eingesehen, dass ich mitkommen werde, egal was passiert, und er hat nun auch Gefallen an der Sache gefunden. Immerhin sind wir so nicht voneinander getrennt. 'Wenigstens etwas.'
"Nein, noch nicht. Ich dachte mir, ich nehme mal nicht so viele Dinge mit. Nur das Nötigste", antworte ich und versuche derweil eine kleine Knopfleiste an meinem Nacken zu schließen.
"Brauchst du Hilfe bei irgendetwas?", höre ich seine Stimme schon etwas näher.
"Ja, ich kriege diese Knöpfe nicht zu", gebe ich zurück, da höre ich leise Schritte und spüre Legolas' Präsenz hinter mir. Sanft berühren mich seine Finger am Rücken und er beginnt die Knöpfe zu schließen. Ich lasse die Hände sinken und genieße seine zärtlichen Berührungen an meinem Nacken.
Schließlich ist er fertig, legt mir aber beide Hände auf die Schultern, damit ich mich nicht umdrehe. Gerade will ich fragen was er vorhat, da berühren seine Lippen meine Haut am Nacken und ich schließe vor Wohlbehagen die Augen. Sanft liebkost er meinen Hals, während seine Hände über meine Arme streichen und sich von hinten auf meinen Bauch legen.
"Ich habe dich wirklich vermisst, auch wenn es nur wenige Stunden waren", flüstert er und ich drehe mich in seinen Armen zu ihm herum.
"Ich habe dich auch vermisst, obwohl mein Herz es erst später bemerkt hat", flüstere ich zurück, lege meine Arme um seinen Hals und küsse ihn sanft auf den Mund. Er zieht mich unwillkürlich enger zu sich und vergräbt eine Hand in meinem Haar.
Doch schließlich lösen wir uns voneinander, wobei Legolas leise keucht. Amüsiert schaue ich ihn an und kann mir ein Grinsen gerade so verkneifen.
"Ich wusste gar nicht dass du Atemprobleme hast", necke ich ihn und er lacht.
"Habe ich auch nicht. In deiner Gegenwart passiert mir das öfter."
Ich grinse nun doch und gebe ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. Dann ziehe ich ihn hinter mir her in mein Zimmer zurück und Legolas folgt mir glücklich lächelnd.

Der nächste Morgen ist der Tag der Abreise und Legolas und ich stehen noch vor den ersten Sonnenstrahlen auf und machen uns endgültig für die Reise fertig. Wir verzichten auf unsere Umhänge, ziehen jeder unsere Reise- und Kampfkleidung an und befestigen unsere Waffen auf dem Rücken oder am Gürtel. Ich lasse das Holzpferdchen von Bahel hier, da mir das Risiko zu hoch ist, dass es beschädigt werden könnte.
In eine kleine Tasche, die ich an meinen Gürtel hängen kann, habe ich die nötigsten Dinge gepackt und dann helfe ich Legolas mit seinen Unterarmschützern aus Leder. Ich schnüre sie ihm zu und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
"Danke, meine Liebe", sagt er lächelnd zu mir und hält mir dann die Tür auf, damit ich als erstes auf den Gang gehen kann. Wir gehen nebeinander her zum südlichen Ausgang von Bruchtal, von wo aus wir aufbrechen werden.
"Hat dein Vater eigentlich mit dir geredet, wegen dieser Reise?", fragt Legolas mich plötzlich.
"Ähm, nein, hat er nicht. Wieso fragst du?"
Er zuckt mit den Schultern.
"Nur so."
Wie aufs Stichwort kommt mein Vater aus einer Tür zu uns auf den Gang und bleibt stehen als er uns sieht.
"Guten Morgen Elrond", begrüßt Legolas ihn und Elrond lächelt.
"Euch auch einen guten Morgen. Kann ich vielleicht kurz mit Jedwiga sprechen?"
Mein Verlobter nickt und geht, mit einem Blick auf mich, weiter den Weg entlang. Mein Vater hingegen macht mit mir einen kleinen Umweg, damit wir ungestört reden können.
"Weshalb möchtest du mich sprechen, Ada?"
"Ich möchte mich versichern dass es dir gut geht und du bereit bist für diese Reise."
"Ada! Das hatten wir doch schon mit Legolas. Ich bin bereit und fähig, diese Herausforderung zu bestehen. Mach dir bitte keine Sorgen, mir geht es gut."
Elrond schmunzelt und schaut mich liebevoll an.
"Wenn ich mir keine Sorgen machen würde wäre ich doch kein guter Vater", antwortet er und legt mir sanft eine Hand auf die Schulter.
"Wieso war Arwen eigentlich nicht zu der Beratung eingeladen, ich aber schon?", frage ich ihn nach einer Weile neugierig und warte auf seine Antwort. Er scheint ein wenig überrascht von meiner Frage zu sein, doch er fasst sich schnell wieder und in seinem Blick liegt nun so etwas wie Belustigung.
"Arwen ist wesentlich älter und reifer als du und ist nicht mehr an solchen Dingen interessiert. Du allerdings bist noch sehr impulsiv, beherzt und unüberlegt, du lässt dich sehr leicht von neuen Ereignissen begeistern. Vorallem wenn ein Abenteuer in Sicht ist."
Der Ton in seiner Stimme ist warm und ich höre heraus, dass er sich darüber ein wenig amüsiert. 'So habe ich mich noch nie wahrgenommen.'
"Oh", mache ich nur und schaue geradeaus.
"Ich hoffe, ich habe dich nicht dadurch beschämt?", fragt er mich besorgt, als ich nichts weiter sage.
"Nein nein, ich... ich habe das nur noch nie so betrachtet", beruhige ich ihn und lächle kurz. Aber ich weiß, dass Elrond Recht hat, ich bin einfach jünger und impulsiver als meine Schwester. Doch ich habe nicht vor dies zu ändern.
"Solange du mich gehen lässt und mich nicht zurückhalten willst ist alles gut", füge ich hinzu und beobachte genau die Reaktion meines Vaters. Dieser bleibt allerdings ganz ruhig und nickt nur.
"Du solltest dein Leben so leben wie du es möchtest, auch wenn ich manche Dinge am liebsten anders haben möchte. Ich kann und werde sie aber nicht ändern, ich kann dich lediglich unterstützen und beraten, wenn du meine Hilfe brauchst", meint er schließlich und schaut mich ernst an.
"Danke Ada", sage ich und nehme ihn in den Arm, als Abschiedsgruß. Er erwidert meine Umarmung sanft.
"Auf Wiedersehen, Ada."
"Auf Wiedersehen, meine Tochter."
Wir lösen uns voneinander und ich lege meine Stirn mit geschlossenen Augen gegen seine. Mein Vater umfasst mein Gesicht mit den Händen und gibt mir einen Kuss auf die Stirn, danach gehen wir weiter.
Wir gelangen auf den Platz, von dem aus wir aufbrechen werden. Legolas, Gimli, Boromir, Gandalf und die vier Hobbits sind schon dort, nur Aragorn fehlt noch. Ich schaue Legolas warm an und laufe dann zu ihm, während mein Vater sich zu anderen Elben stellt.
"Und, was wollte er?", fragt Legolas mich flüsternd und greift meine Hand.
"Nichts schlimmes, er hat mich nur gefragt wie es mir geht. Also ähnlich wie du", antworte ich und schaue hinüber zu der Treppe, auf der Arwen gerade auf den Hof kommt. Ich versuche ihren Blick auf mich zu lenken, doch sie schaut mich nur kurz an, dann fixiert sie wieder Aragorn, der sich zu uns stellt. Anscheinend haben er und Arwen gerade eben noch miteinander gesprochen. Sie ist blass und sieht traurig aus, aber versucht es zu verbergen. 'Was ist denn geschehen?'
Am liebsten würde ich jetzt zu ihr laufen, sie in den Arm nehmen und sie fragen wie es ihr geht, aber ich muss hier stehen bleiben.
Ich sehe Aragorn an und bemerke auch bei ihm eine gewisse Traurigkeit. Misstrauisch beobachte ich ihn und nehme mir fest vor mit ihm zu sprechen. 'Wenn er wirklich der Grund dafür ist, dass Arwen traurig ist, dann kann er was erleben!'
Aber es ist relativ offensichtlich, dass er an ihrer Traurigkeit Schuld ist.
Plötzlich stellt sich mein Vater vor die Gruppe der versammelten Ringgefährten hin und beginnt zu sprechen.
"Der Ringträger bricht nun auf nach dem Schicksalsberg. Euch, die ihr mit ihm geht, wird kein Eid und keine Verpflichtung auferlegt weiter zu gehen als ihr wollt. Lebt wohl, haltet fest an eurem Ziel. Möge der Segen der Elben und Menschen, und aller freien Völker euch begleiten."
Er neigt den Kopf, legt seine rechte Hand auf sein Herz und führt diese in einer Abschiedsgeste von sich weg. Legolas und ich erwidern diesen Gruß, doch die anderen tun dies nicht. Dann wendet sich Gandalf an Frodo, der ja der Führer unserer Gemeinschaft sein wird.
"Die Gemeinschaft wartet auf den Ringträger."
Frodo schaut zu uns auf während er auf den Ausgang zugeht. Wir reihen uns hinter ihm und Gandalf ein, wobei Legolas und ich nebeneinander her gehen.
"Mordor Gandalf. Liegt das links oder rechts?", höre ich die leise Frage von Frodo und muss schmunzeln.
"Links", antwortet Gandalf und wir schlagen den Weg nach Osten ein. Aragorn, der am Ende der Reihe geht, dreht sich noch einmal herum und auch ich werfe einen letzten Blick auf mein Zuhause. 'Ich werde wiederkommen.'
Da ergreift Legolas meine Hand und drückt sie sanft.
"Ich bin bei dir", flüstert er mir zu und ich schaue ihn an.
"Ich weiß."
So beginnt die Reise nach Mordor, die für immer ein wichtiger Teil in meinem Leben bleiben wird.

Es tut mir so unendlich leid, dass ich so ewig lange nicht geupdatet habe, aber erst hatte ich keine Zeit, dann hatte ich Zeit, aber eine Schreibblockade 😭
Falls ich jetzt einige treue Leser verloren habe, so tut es mir aufrichtig leid! Ich versuche jetzt wieder öfter zu updaten. Versprochen.
Aber ich lebe noch! Ich bin nicht tot!

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt