Reise nach Süden

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Der Weg von Bruchtal nach Osten zum Nebelgebirge ist schön, aber auch lang. Vierzig Tage lang müssen wir auf Wegen westlich der Berge nach Süden wandern, zur Pforte von Rohan. Obwohl wir Frodo die Treue geschworen haben, führt Gandalf die Gemeinschaft über das Gelände. Sam führt ein Pony hinter sich her, welches mit Gepäck und Vorräten beladen ist, und langsam aber sicher kommen wir vorwärts. Legolas und ich sitzen abends oft zusammen und reden leise, während die anderen schlafen.
Mit Aragorn habe ich während der ersten zehn Tagen nicht sprechen können, doch eines Abends gehe ich mit energischen Schritten zu ihm. Er sieht mich kommen und erwartet mich mit einem Gesichtsausdruck, der verrät, dass er weiß was ich von ihm will.
"Jedwiga, mir ist klar weshalb du mit mir reden möchtest."
Ich verschränke meine Arme vor der Brust und schaue ihn prüfend an.
"Warum war Arwen so traurig?", frage ich ihn scharf, aber er bleibt ganz ruhig.
"Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht zu ihr zurückkehren werde", antwortet er und ich hebe überrascht beide Augenbrauen.
"Was?"
"Sie hat die Chance auf ein besseres Leben, jenseits des Meeres in den unsterblichen Landen von Valinor. Dort bleibt sie ewig jung und kann glücklich werden", erklärt er, doch ich schnaube.
"Das glaube ich nicht! Wie könnte sie jemals wieder glücklich sein ohne dich? Sie liebt dich! Ist das etwa nichts mehr wert?"
Aragorn schaut mich an und ich erkenne, dass auch er nicht ohne sie glücklich sein kann.
"Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr, warum machst du das?", frage ich ihn und werde misstrauisch. Da steckt jemand drittes hinter, denn niemals würden Aragorn und Arwen alleine darauf kommen.
Aragorn atmet tief durch bevor er mir leise antwortet.
"Dein Vater bat mich darum. Hier ist keine Zukunft für Arwen."
Fassungslos starre ich ihn an. 'Das würde Elrond doch niemals tun! Und falls doch, warum nicht bei mir?'
Aber mir fällt fast sofort die Antwort darauf ein: meine Liebe gilt einem Elben, nicht wie bei Arwen einem Menschen. Mag es auch ein langlebiger Numénorer sein, Aragorn wird eines Tages sterben. Und mein Vater will seine Tochter dann nicht alleine hier in Mittelerde lassen, wo sie für alle Tage unglücklich sein wird und dahinsiecht. Einerseits kann ich Elrond verstehen, andererseits finde ich seine Entscheidung, Arwen und Aragorn durch solche Worte auseinander zu bringen, nicht richtig und in gewisser Weise sogar herzlos. Gleichzeitig bin ich auch wütend, dass er mir nichts davon erzählt hat und mir wird schmerzlich bewusst, dass ich mich nicht richtig von meiner Schwester verabschiedet habe. 'Bis ich sie wiedersehe wird eine sehr lange Zeit vergehen...'
"Danke für dein Vertrauen, Aragorn", murmele ich leise und er nickt, dann lässt er mich stehen.

Am nächsten Tag gehe ich nachdenklich am Ende der Reihe, als Legolas plötzlich neben mir auftaucht und mich aus meinen Gedanken reißt.
"Ist alles in Ordnung bei dir? Du bist so seltsam seit gestern Abend", meint er und nimmt meine Hand. Diese Geste hat etwas beruhigendes und ich streiche mit dem Daumen sanft über seine Haut.
"Ich habe gestern Abend mit Aragorn geredet, wegen Arwen. Du hast sicherlich bemerkt, wie traurig sie bei unserem Abschied war."
Legolas nickt und schaut mich die ganze Zeit über an.
"Ich habe herausgefunden warum sie so traurig war, oder besser gesagt noch ist. Elrond hat Aragorn dazu gebracht, dass dieser nicht mehr zu ihr zurückkehrt. Mein Vater will, dass Arwen nach Valinor fährt, gemeinsam mit ihm. Sie soll dort glücklich werden, doch wie könnte sie, ohne Aragorn?"
"Und jetzt bist du wütend deswegen?", erkundigt sich mein Verlobter und ich nicke.
"Es ist nicht richtig. Ich hätte nie gedacht dass mein Vater so etwas tun würde. Aber am Schlimmsten finde ich es, dass sein Wunsch nur Arwen und Aragorn gilt, wegen uns beiden hat er nichts unternommen."
"Das liegt einfach daran, dass Aragorn ein Mensch ist", sagt Legolas sanft zu mir und löst unsere Hände auseinander, um seinen Arm um meine Taille zu legen. Ich schaue in seine blauen Augen und seufze.
"Ich weiß, Legolas. Aber seit wann ist das ein Grund, zwei Liebende auseinander zu reißen? Haben Menschen und Elben ihre Konflikte nicht beigelegt?"
"Dein Vater hat Gründe für sein Handeln, so wie ich meine hatte, als ich dir sagen wollte, dass du hierbleibst. Er liebt euch beide und will nicht, dass euch etwas zustößt."
Ich schweige und lehne meinen Kopf an seine Schulter.
"Und was ist, wenn mein Vater mich nicht so liebt wie er Arwen liebt?", frage ich leise, Legolas bleibt augenblicklich stehen und stellt sich vor mich. Die Anderen vor uns bemerken uns gar nicht, sondern gehen langsam weiter. Wir werden sie auf jeden Fall wieder einholen können.
"So etwas darfst du niemals glauben, nichtmal denken. Dein Vater liebt dich, genauso wie Arwen", sagt er eindringlich und schaut mir fest in die Augen. Ich nicke und lasse mich von ihm zu sich ziehen. Er legt einen Arm um mich, mit der anderen Hand hebt er mein Kinn an und küsst mich sanft auf die Lippen.
Ich schließe die Augen, lege meine Hände an seine Seiten und schmiege mich an seinen Körper.
"Weißt du, das habe ich früher auch mal gedacht, weil mein Vater sich mir gegenüber so herzlos verhalten hat. Aber als ich einmal verletzt wurde und dem Tode nahe war, da brach das Eis, zumindest teilweise, und mein Vater zeigte mir, dass er mich immernoch liebt. Seitdem weiß ich, dass er Gefühle für mich hat, auch wenn es anders wirkt. Elrond aber liebt dich genauso sehr wie deine Schwester, aber er weiß, dass du nur mit mir glücklich werden kannst", erklärt er mir leise als wir unseren Kuss beendet haben und ich lehne mich gegen ihn.
"Deshalb würde er es niemals wagen uns zu trennen", murmele ich und Legolas streicht mir über den Kopf.
"Genau. So, wir sollten langsam weitergehen, die anderen warten bestimmt nicht auf uns."
Ich löse mich von ihm und nicke zustimmend. Da lächelt er mich an.
"Tu mir bitte den Gefallen und lächle wieder. Ich ertrage es nicht wenn du traurig bist", bittet er mich und ich schmunzele, dann gehen wir den Anderen hinterher.
Gimli und Boromir laufen am Ende der Reihe und drehen sich zu uns um als wir wieder zu ihnen stoßen, sagen aber nichts. Nur ihre Blicke verraten, dass sie sich denken können, was wir getan haben.

Einen weiteren Monat lang reisen wir westlich des Nebelgebirges entlang, immer unter der Führung von Gandalf.
Eines Tages machen wir auf einem felsigen Hügel Rast und die Hobbits braten sich zwischen den aufragenden Steinen ein paar Würstchen und Speck. Gandalf hat seinen Hut abgenommen, sitzt auf einem großen Stein und raucht eine Pfeife, während er nachdenklich in die Ferne schaut. Auch Frodo scheint mit den Gedanken ganz woanders zu sein, während Merry und Pippin fröhlich lachend mit Boromir Schwertkampf tranieren. Ihre kurzen Schwerter haben natürlich keine besondere Reichweite, aber sie haben dennoch Spaß daran, gegen den größeren und stärken Menschen zu kämpfen. Aragorn schaut ihnen grinsend zu und raucht dabei ebenfalls eine Pfeife. Gimli hat seinen Helm abgenommen und stapft mit seiner Axt missmutig zwischen den Steinen herum.
Legolas steht auf einem Felsen und schaut auf den Weg, den wir bereits gekommen sind als ich mich neben ihn stelle und einen Arm um seine Taille lege. Er dreht den Kopf, lächelt und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
"Wie geht es dir?", fragt er und ignoriert das laute Lachen von Pippin im Hintergrund.
"Eigentlich sehr gut, wieso fragst du?"
"Ach, nur so", antwortet er ausweichend und zieht mich enger zu sich.
"Ich habe nur nachgedacht."
"Und worüber?"
"Nichts wichtiges."
Ich hake nicht weiter nach, sondern lenke meine Aufmerksamkeit auf die beiden Hobbits, die gerade gemeinsam Boromir angreifen. Lachend gehen die drei zu Boden und ein amüsiertes Lächeln erscheint auf meinen Lippen. Da bemerke ich etwas am Himmel hinter Legolas und mir und drehe mich ganz herum.
"Seht!", rufe ich aus, und Aragorn, der zwischen die balgenden Hobbits und Boromir gegangen ist, schaut auf. So wird die Aufmerksamkeit aller Gefährten auf den seltsamen dunklen Schleier gerichtet, der vor der grauen Wolkendecke näherzukommen scheint. Sam richtet sich auf und schaut auch hinüber.
"Was ist das?", fragt er leise, doch Gimli winkt ab.
"Ach, wohl nur nichts weiter als ein Wolkenfetzen."
"Der sich aber schnell bewegt", wirft Boromir ein und ich füge hinzu:
"Und gegen den Wind."
Eine Weile lang schauen wir alle angestrengt zu dem Schleier, der aus lauter schwarzen Punkten zu bestehen scheint. Endlich erkennen Legolas und ich was das ist.
"Krähen aus Dunland!", ruft mein Verlobter und Aragorn springt auf.
"In Deckung!", warnt er uns und in Windeseile sammeln wir unsere Sachen, löschen das Feuer und verstecken uns unter den Büschen und Steinen.
Legolas zieht mich mit sich unter einen Busch und legt schützend einen Arm um mich. Nun spüre ich auch dieses Gefühl der Bedrohung, das von dem Vogelschwarm ausgeht. Dieser befindet sich nun direkt über uns und kreist laut kreischend und krächzend um den Hügel herum. Zum Glück haben wir uns alle noch rechtzeitig versteckt, denn die Vögel fliegen schon nach kurzer Zeit wieder fort und wir kommen langsam wieder hervor.
"Ist alles in Ordnung?", fragt Legolas mich leise und ich nicke.
"Kein Grund zur Sorge. Was waren das für Vögel?"
"Das waren Späher Sarumans. Sie kundschaften den Weg im Süden aus", beantwortet Gandalf meine Frage und setzt sich seinen Hut wieder auf.
"Uns bleibt nur eine Möglichkeit. Wir müssen den Paß über den Caradhras nehmen."
Die Blicke aller Gefährten wendet sich nach Westen, wo groß und bedrohlich der schneebedeckte Gipfel des besagten Berges aufragt.
"Worauf warten wir dann noch?", fragt Gimli und wir brechen auf.

Es tut mir wieder leid. Oder besser immer noch. Ich bin mir bewusst, dass ich einige Leser verliere wenn ich so selten update, aber ich bin momentan irgendwie neben mir. Tut mir sorry :(


Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt