Erster Kampf

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Der Weg durch den Düsterwald ist lang und beschwerlich, und meine Stimmung fällt mit jedem Schritt. Dieser blonde Elb hat mir nicht einmal seinen Namen genannt, noch macht er sich die Mühe mit mir zu sprechen. Und zu allem Überfluss stelle ich mich beim Laufen so tollpatschig an, dass ich immer wieder beinahe über Wurzeln und herabgefallene Äste stolpere, mich aber im letzten Moment noch abfangen kann. 'Reiß dich zusammen!' Doch das ist leichter gesagt als getan, denn vor meinen Augen verschwimmt immer wieder alles und ich muss ständig blinzeln.
Plötzlich bleibt mein Fuß erneut an einer Wurzel hängen, doch dieses Mal falle ich wirklich zu Boden. Um mich herum dreht sich alles und die Stimme des Blonden dringt wie aus weiter Ferne zu mir.
"Eine richtige Elbe scheint ihr mir aber nicht zu sein. Sicher dass ihr keine Halbelbe seid?"
Ich will wütend etwas erwidern und mich aufrappeln, doch ich schaffe keins von beidem. Stattdessen sehe ich jetzt fast gar nichts mehr und mein Atem geht keuchend. 'Was ist los mit mir?' Irgendetwas stimmt mit mir nicht, das merke ich, aber was?
"Hey, ganz ruhig. Das ist normal. Trinkt das hier."
Ein Paar Hände bringt mich in eine aufrechte Sitzposition und halten mir eine Flasche an die Lippen. Die Flüssigkeit riecht süß und ich trinke ein paar Schlucke. Sofort klärt sich mein Blick und ich schaue auf den Blonden Elb, der vor mir kniet und mich jetzt prüfend anschaut. Eine seiner Hände liegt stützend an meinem Rücken und mit der anderen hält er die Flasche. Seine blauen Augen suchen in meinem Gesicht nach etwas, doch als er sieht, dass es mir wieder gut geht, lässt er mich vorsichtig los und steht auf. Mein Schwindel verfliegt und ich fühle mich wieder gut. Langsam komme ich wieder auf die Beine und nehme Salas Zügel.
"Ich danke euch."
Der Blonde neigt den Kopf.
"Keine Ursache."
Er will schon weitergehen, doch ich halte ihn auf.
"Was war das gerade?", frage ich ihn und er dreht sich zu mir herum.
"Das ist die Luft hier. Der Wald ist krank, das Böse breitet sich immer weiter aus und die Luft ist giftig geworden. Allen Elben, die hier das erste Mal langkommen geht es so. Wenn ihr den Trank jeden Tag eine Woche lang einnehmt, wird es euch nicht mehr beeinflussen."
Ich nicke langsam, dann laufe ich hinter ihm her den Weg entlang. Nun stolpere ich auch nicht mehr über Wurzeln oder ähnliches sondern gehe, wie es sich für eine Elbe gehört.
Der Blonde lässt sich nun ein wenig zu mir zurückfallen und überlässt einem der anderen Elben die Führung.
"Tut mir leid was ich eben sagte", sagt er und dreht den Kopf zu mir. In seinen Augen blitzt irgendetwas auf, aber nur ganz kurz, dann sind sie wieder so kalt wie vorher.
"Ist schon in Ordnung. Ich hätte das wahrscheinlich auch gedacht", erwidere ich mit einem verschmitzten Lächeln. Ich weiß, dass es meine Augen nicht erreicht, aber ich hoffe, dass er es trotzdem sieht.
Für einen Moment scheint er aus der Fassung gebracht zu sein, doch dann dreht er schnell den Kopf wieder nach vorne.
"Dann wäre das ja geklärt", meint er, doch seine Stimme ist nicht mehr so kühl wie vorher und das erinnert mich an meinen Traum. 'Ich kenne seine Stimme, oder?' Doch schnell schüttele ich diesen Gedanken wieder ab und beobachte lieber die Umgebung. Plötzlich bleibt Sala einfach stehen und zieht an den Zügeln.
"Sala, was soll das", frage ich die Stute, doch sie wiehert nur unruhig und will den Kopf zurückwerfen. Ich trete auf sie zu und streiche ich beruhigend über die Schnauze.
Leise flüstere ich elbische Worte zu ihr, aber das hilft nicht. Alle anderen Elben sind nun auch stehen geblieben und schauen sich aufmerksam um.
Da ertönt ein schriller Schrei und eine riesige, schwarze Spinne bricht aus dem Unterholz hervor. Ihre Augen glühen mordlustig und sie stürzt sich kreischend auf uns. Aus dem Wald strömen weitere Spinnen hervor und schließen sich dem Angriff an.
"Zu den Waffen!", ruft der Blonde und spannt in der nächsten Sekunde schon seinen Bogen.
Ich habe nicht einmal gesehen wie er ihn vom Rücken genommen oder wie er einen Pfeil eingelegt hat. Sofort ziehe ich mein Schwert und will bei der Verteidigung helfen, doch der Blonde stellt sich schützend vor mich.
"Nein, ihr nicht. Lauft zum Palast und bringt euch in Sicherheit!"
Ich schnaube nur, husche mich an ihm vorbei und lasse mein Schwert durch die Luft sausen. Die Elben um mich herum verschießen entweder ihre Pfeile oder kämpfen mit Dolchen gegen die Kreaturen.
Meine Klinge tötet eine Spinne nach der anderen, ich ducke mich geschickt unter ihnen hindurch und springe über die Körper hinweg. Ich rolle mich gerade ab, als ich plötzlich von hinten am Fuß gepackt werde. Ich falle vornüber und mein Schwert fällt mit aus der Hand. Mit einem Aufschrei werde ich nach hinten gezogen und drehe mich auf den Rücken.
Die Spinne will mich mit ihren Klauen packen, doch ich trete mit dem anderen Stiefel nach ihr. Kreischend lässt sie mich los, springt dann aber über mich bevor ich mich aufrappeln kann und schnappt mit ihren Beißern nach meinem Gesicht.
Ich packe die scharfen Beißer und halte sie fest. Mit den Füßen versuche ich sie wegzutreten, doch ich verfehle sie immer wieder und sie wendet noch mehr Kraft auf. 'Lange halte ich das nicht mehr durch.' Da wird die Spinne von einem Pfeil getroffen und kippt tot zu Seite. Der blonde Elb steht vor mir und schaut mit einer Mischung aus Erstaunen und Arroganz auf mich herunter. Ich atme schwer, stehe alleine auf und nehme dann mein Schwert in die Hand.
"Danke."
Aber er antwortet nicht, sondern hebt ruckartig den Bogen und schießt nur haarscharf an mir vorbei auf etwas hinter mir. Ich wirbele herum und die Spinne bricht vor meinen Augen tot zusammen, einen Pfeil zwischen den Augen.
Da kommt aber auch schon die nächste Spinne auf mich zu, ich trenne eins ihrer Beine ab und führe das Schwert fließend weiter, sodass sie tot zu Boden geht. Schließlich sind alle Spinnen tot, keiner von uns ist verletzt und Sala lebt auch noch. Ich laufe sofort zu ihr, streichele sie und rede beruhigend auf sie ein, das Weiße in ihren Augen macht die Panik des Tieres deutlich.
Der blonde Elb schaut sich unter den toten Kreaturen um und berät sich mit einem der anderen Elben auf Sindarin, allerdings ist es ein waldelbischer Dialekt, den ich nicht ganz verstehe.
Nach kurzer Zeit kommt der Blonde wieder zu mir.
"Gwendolin wird euch zum Palast bringen, wir müssen hier Ordnung schaffen und dann Bericht erstatten."
Er deutet auf eine junge Frau mit roten Haaren und dunkelgrünen Augen. Ihre Ohren sind spitz aber an ihrer Art erkenne ich dass sie nur eine Halbelbe ist.
Ich neige den Kopf vor dem blonden Elben und führe Sala zu der Elbin.
"Jedwiga", hält er mich zurück und ich schaue ihn an. Er schluckt und senkt den Blick, so als könne er mich nicht ansehen.
"Passt auf euch auf."
Ich lächle leicht.
"Das werde ich."
Dann drehe ich mich um und gehe zu der jungen Halbelbin. Sie mustert mich prüfend und nickt dann mit dem Kopf.
"Lasst uns gehen."
Mit diesen Worten geht sie voraus und ich folge ihr, mit Sala im Schlepptau.
"Euer Name ist Gwendolin, richtig?"
Sie nickt knapp.
"Und seit wann seid ihr in der Grenzwache?"
"Seit zehn Jahren. Da ich eine Halbelbe bin hat meine Zulassung etwas länger gedauert."
"Oh, gibt es da so große Unterschiede?"
Gwendolin zuckt mit den Schultern und seufzt.
"Halbelben werden oft als minderwertig angesehen und müssen viel mehr Prüfungen machen als normale Elben. Auf die Fähigkeiten einer Elbe vertraut man sofort, aber bei einer Halbelbe ist das anders."
Danach würgt sie das Gespräch ab und wir laufen schweigend durch den Wald, bis ich das Rauschen eines Flusses hören kann. Wir sind fast da. 'Ich hatte gerade meinen ersten Kampf und nun werde ich den Palast von König Thranduil sehen. So viel Glück sollte verboten werden.' Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt