Der Paß

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Noch am selben Tag machen wir uns auf den Weg zu diesem Berg. Legolas und mir fällt der Weg nicht schwer, aber die Hobbits sind weder Höhen noch eine anstrengende Reise gewöhnt. Das habe ich schon am Anfang der Reise festgestellt, aber erst jetzt wird es deutlich. Im für Menschen mehr als knöcheltiefen Schnee kommen die kleinen Wesen kaum vorwärts, Merry und Pippin müssen in der Schneise von Aragorn und Boromir laufen um überhaupt vorwärts zu kommen. Sam kämpft sich tapfer durch und auch Frodo hält sich gut, aber mit zunehmender Höhe und Schwierigkeit des Weges werden wir langsamer, oder halten sogar ganz an.
Beispielsweise jetzt.
Merry und Pippin streiten sich wer wen in den Schnee gestoßen hat und kugeln dabei den halben Abhang wieder hinunter, den wir gerade erst geschafft haben. Unten bildet Boromir die Nachhut und kann gerade noch verhindern dass die beiden noch weiter schlittern.
Ich bemühe mich meine Ungeduld zu unterdrücken, auch als Boromir sichtlich Mühe hat die beiden Streithälse zu trennen. 'Wie kann man nur so langsam und auch noch so dämlich sein?!'
"Lass uns zu ihm gehen und ihm helfen", schlägt Legolas plötzlich neben mir vor und geht sogleich zu Boromir runter. Weder für ihn noch für mich ist der Schnee ein Problem, wir gehen einfach darauf entlang ohne einzusinken.
Ich folge meinem Verlobten und wir suchen uns unseren Weg zu Merry, Pippin und Boromir.
"Schluss jetzt!", brüllt der Mensch gerade aufgebracht und schubst Pippin von Merry weg.
"Reißt euch zusammen, alle beide!"
Legolas und ich kommen zu ihm und ich helfe Merry auf.
"Komm, wir helfen euch."
Mürrisch und voller Schnee nimmt der Hobbit meine Hilfe an, wirft Pippin aber böse Blicke zu.
"Hätte er mich nicht geschubst wäre das alles nicht passiert", beklagt er sich und sofort protestiert Pippin hinter ihm heftig.
"Ich dich geschubst? Du warst doch derjenige der mich geschubst hat!"
"Ruhe! Wenn ihr so weiter macht kommen wir nie zum Paß. Ganz zu schweigen davon, dass bald jeder Ork west- und östlich des Nebelgebirges weiß dass wir da sind", weise ich die beiden zurecht und schaue sie ernst an. Sofort sind die beiden still und klettern ohne Klage weiter, bis wir die anderen wieder erreicht haben. Kaum geht es normal weiter, greift Legolas nach meiner Hand und drückt sie sanft.
"Die Beiden meinen das nicht böse, sie wissen es nur nicht besser."
"Sie denken aber auch nicht weiter als bis zu ihrem letzten Schritt", brumme ich und er lacht leise.
"Das ist wahr."

Einen weiteren Zwischenfall gibt es einige Tage später, jedoch wird dieser nicht von Merry und Pippin verursacht, dieses Mal sind es zwei andere.
Wir gehen gerade einen relativ einfachen Teil voller Schnee entlang, als Frodo hinter mir plötzlich wegrutscht und einige Meter nach unten rollt. Das allein ist ja nicht schlimm, nur als Aragorn ihm aufhilft fehlt die Kette mit dem Einen Ring um Frodos Hals. Leicht panisch schaut der Hobbit sich um und entdeckt sie weiter oben im Schnee. Doch da hebt Boromir sie mit seiner behandschuhten Hand auf und betrachtet den Ring an der Kette.
"Schon erstaunlich dass wir wegen so einen kleinen Dinges all dies Leid auf uns nehmen", sagt er gedankenverloren und starrt den Ring an. Legolas und ich stehen drei Meter hinter ihm, sodass ich sein Gesicht nicht sehen kann, aber ich könnte schwören dass er wie in Elronds Rat von dem Ring besessen ist. Fast kann man die furchtbare Präsenz einer bösen Macht fühlen, die von dem goldnen Kleinod ausgeht.
"Boromir, gib Frodo den Ring wieder", ruft Aragorn zu ihm hoch, doch Boromir rührt sich nicht. Unwillkürlich wandert meine Hand an den Griff meines Schwertes und ich sehe aus dem Augenwinkel wie Legolas' Hand hoch zu seinem Köcher zuckt. Auch Aragorn scheint wachsam zu sein.
"So ein kleines Ding... ein kleines Ding...", wiederholt Boromir währenddessen und ist nahe daran den Ring mit dem Finger zu berühren. Ich bin kurz davor mein Schwert zu ziehen, falls der Mensch die Macht des Ringes nutzen sollte.
"Boromir!", ruft Aragorn schon lauter, da zuckt Boromir zusammen und scheint sich zu besinnen. Er geht auf Frodo und Aragorn zu und hält dem Hobbit den Ring an der Kette entgegen.
"Hier, nimm ihn."
Frodo reißt ihm die Kette aus der Hand und legt sie sich sofort um den Hals. Aragorn beobachtet Boromir genau, der sich ein wenig unwohl zu fühlen scheint.
"Ist doch nichts passiert", meint er, wuschelt Frodo durch die dunklen Locken, als sei er ein kleines Kind und geht dann wieder weiter.
Meine Hand rutscht vom Schwertgriff und auch Legolas entspannt sich. Aragorn nimmt ebenfalls seine Hand von seinem Schwert. Für einen Moment war die Situation gefährlich, doch nun ist alles wieder wie vorher. Obwohl man die Anspannung immernoch spüren kann. 'Gerade nochmal gut gegangen'
"Ich habe irgendwie das Gefühl dass das nicht der einzige Vorfall zwischen Boromir und Frodo bleiben wird", meine ich zu Legolas als es wieder weitergeht und er nickt nur. Das erste Mal auf dieser Reise habe ich mitbekommen, wie leicht die Menschen von der Macht des Ringes verführt werden. Unwillkürlich wächst mein Respekt für Frodo, der den Ring bereits so lange schon bei sich trägt, direkt auf der Haut, ohne ihm zu verfallen.

Immer höher gehen wir, doch es gibt keine weiteren Vorfälle dieser Art. Allerdings scheint sich das Wetter gegen uns zu verschwören, denn je weiter wir kommen, desto schlechter wird es. Der Wind wird immer stärker und kälter, erste Schneeflocken beginnen zu fallen und wir werden noch langsamer als sowieso schon.
Doch das schlimmste trifft uns als wir schon sehr hoch sind und die Gemeinschaft sich während eines heftigen Schneesturms durch beinahe Brusthohen Schnee kämpfen muss. Gandalfs Hut und Bart sind voller Schnee, sowie jeder andere auch. Meine Haare werden schwerer, je mehr Schnee sich darin verfängt.
Die Hobbits haben kaum eine Chance alleine durch den Schnee zu laufen, sie sind auf die Hilfe von Boromir und Aragorn angewiesen. Legolas und ich gehen auf der Schneedecke entlang und mein Verlobter schaut sich wachsam um. Ich versuche herauszufinden was er hat, aber ich höre nur das Heulen des Windes.
"Es sind böse Stimmen in der Luft", sagt Legolas plötzlich, sodass alle ihn hören können und wir halten einen Moment inne um zu lauschen. Tatsächlich kann man durch das Geheul des Sturms das Rufen von einer Stimme hören, die bedrohliche Dinge sagt. Verstehen kann man nichts, aber allein diese Stimme zu hören schnürt mir die Brust zu und ich fühle mich unwohl. Egal was die Stimme ruft, es ist nichts gutes.
Gandalf weicht vom Pfad ab und klettert aus dem Graben, den die Gefährten schaffen während sie sich ihren Weg suchen. Ich reiche ihm eine Hand und helfe ihm auf einen verschneiten Felsen zu steigen.
"Das ist Saruman, er versucht den Berg gegen uns aufzubringen", ruft er über die Gewalt des Sturms hinweg und ich schaue erschrocken zu Legolas. Auch er scheint besorgt, versucht aber unerschrocken auszusehen. Gandalf hebt seinen Stab und beginnt Gegenflüche zu sprechen, doch die Stimme im Sturm ist lauter und scheint Gandalfs Zauber nichtig zu machen.
Plötzlich schlägt über uns im Berg ein Blitz ein und eine Ladung an Schnee stürzt auf uns zu.
"Weg vom Rand!", ruft Gandalf und ich reiße ihn zurück.
"Vorsicht!", warne ich die Anderen, da trifft die Lawine uns auch schon. Von einem Moment auf den anderen sehe ich nichts mehr, werde aber heftig zu Boden gerissen. Es ist nass, kalt und schwer, ich kann kaum atmen und weiß nicht wo die anderen sind. Ich versuche mir meinen Weg nach oben zu graben, als ich einen Ruf höre.
"Jedwiga! Wo bist du?"
Es ist Legolas' Stimme und ich meine Panik in ihr zu hören. Ich kann mich aber auch täuschen, denn durch den Schnee hört sich alles dumpf an.
Ich strecke mich und komme endlich an die Oberfläche. Eiskalte Luft füllt meine Lungen und ich grabe mich frei.
"Ich bin hier!", antworte ich, als neben mir Gimli auftaucht. Er prustet und ich helfe ihm den Schnee von seinem Gesicht weg zu bekommen.
Um uns herum befreien sich auch die anderen vom Schnee, während der Sturm mit unverminderter Kraft wütet.
"Geht es allen gut?", fragt Gandalf rufend und alle melden sich. Boromir und Aragorn haben die Hobbits vor dem Schlimmsten geschützt, aber man sieht ihnen an dass sie frieren.
"Wir können nicht weiter", spricht der Zauberer weiter und seine Miene verfinstert sich.
"Dann lasst uns uns zur  Pforte von Rohan durchschlagen!", schlägt Boromir vor, doch Aragorn ist sofort dagegen.
"Da kommen wir zu nah an Isengard heran, das wäre zu gefährlich!"
"Lasst uns über die Minen von Moria gehen! Mein Vetter Balin wird uns einen königlichen Empfang bereiten", wirft Gimli da ein, doch ein Blick zu Gandalf zeigt mir, dass der Zauberer über diese Idee nicht erfreut ist.
"Den Weg durch die Minen würde ich nur im äußersten Notfall nehmen", meint er, da lenkt Boromir die Aufmerksamkeit auf die armen Hobbits, die frierend im Schnee stecken.
"Wir können hier aber nicht bleiben! Das wird der Tod für die Halblinge sein!"
Gandalf schaut uns alle einmal an, dann bleibt sein Blick bei Frodo hängen.
"Lasst den Ringträger entscheiden."
Frodo sieht nicht erfreut aus, aber er überlegt. Mitgefühl für den jungen Hobbit steigt in mir auf.
"Wir gehen durch die Minen", verkündet er schließlich mit fester Stimme und Gandalf nickt, wenn er auch resigniert zu sein scheint.
"Dann sei es so."

Hi, hier bin ich wieder!
Ein kleines Geschenk an euch, während ich im Urlaub bin und selbst heute Geburtstag habe :)
Ich arbeite auch noch am nächsten Kapitel und werde mich doch nicht mehr so mega genau an die Filme halten. Vielleicht kommen die Updates dann etwas flüssiger und öfter ^^

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt