Vorbereitungen

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Am nächsten Morgen wache ich auf und das erste, woran ich denke, ist Elronds Ankündigung, dass ich nun in zwei Tagen zum Düsterwald aufbrechen werde. Vorfreude packt mich, ich springe fast schon aus dem Bett und mache das Fenster weit auf. Ich nehme mir vor, mich gründlich über meine Reise zu informieren und will dafür Peliorian, meinen Geographielehrer, aufsuchen. Mit den Jahren ist er mir zu einem guten Freund geworden und er ist dazu übergegangen mich zu duzen.
Kurzerhand wasche ich mich kurz, ziehe mir ein frisches Kleid an und will gerade zu Tür gehen, als mein Blick auf mein Schwert fällt. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Dann öffne ich die Tür und gehe auf den Gang.
Fröhlich laufe ich zum Speisesaal um mein Frühstück zu mir zu nehmen und begegne dabei nur wenigen Elben. Doch diese lächeln mich an und nicken mir freundlich zu.
Im Speisesaal angekommen schlinge ich hastig mein Frühstück hinunter und laufe dann zu Peliorian. Er befindet sich - wie so oft - in seinem Arbeitszimmer, in dem er auch seine wichtigsten Karten und Bücher aufbewahrt. Ich klopfe dreimal kurz und trete ein, nachdem von drinnen eine Antwort gekommen ist.
Peliorian sitzt an seinem Schreibtisch und liest ein Stück Pergament, als ich hereinkomme. Er hebt den Kopf, schaut mich überrascht an und legt das Pergament beiseite. Ich verneige mich zur Begrüßung kurz.
"Jedwiga, was machst du denn hier? Heute ist doch gar kein Unterricht, abgesehen davon, dass du sowieso bald fort bist."
"Ich weiß, und deshalb brauche ich auch eure Hilfe. Ich möchte mich genauestens über meine Reise informieren, über die beste Route, eventuelle Gefahren und auch Wetterbedingungen. Ihr kennt die Karten und Landschaften am besten, deshalb frage ich euch."
Peliorian nickt.
"Natürlich werde ich dir helfen."
Er steht auf, holt einige Karten hervor und breitet sie auf dem Tisch aus. Dann zeigt er mir die besten Routen, die alle über den Paß des Nebelgebirges führen, weist mich auf mögliche Gefahrenquellen hin und erklärt mir die Wetterlagen im Gebirge. Er lässt sich dabei Zeit und beantwortet alle meine Fragen, sofern ich welche habe.
Nach drei Stunden sind wir fertig und ich bedanke mich bei meinem Lehrer.
"Nicht du musst dich bedanken, sondern ich. Es ist schön, dass du zu mir gekommen bist."
Er lächelt, neigt den Kopf und schenkt mir eine faltbare Karte von Mittelerde. Mit einem Lächeln auf den Lippen verlasse ich sein Arbeitszimmer und suche Arwen.
Schließlich finde ich sie auf einer Terrasse, ein Buch in der Hand und lesend.
"Hey, Arwen."
Sie schreckt hoch, doch als sie mich sieht entspannt sie sich wieder.
"Ach, du bist es. Für einen Moment dachte ich an diesen Elb, der seit gestern hier ist und die ganze Zeit um mich herumschleicht."
Ich runzele die Stirn.
"Also ich habe niemanden gesehen. Aber egal, hättest du Lust, mit mir in den Wald zu gehen?"
Sie überlegt kurz, dann klappt sie ihr Buch zu und nickt.
"Sofort, aber ich muss erst das Buch wegbringen."
"Klar, dann kann ich die hier auch noch in mein Zimmer bringen."
Ich halte die Karte hoch.
"Ach, hat Peliorian sie dir geschenkt?"
"Ja, hat er. Ich bat ihn um Hilfe beim planen meiner Reise."
Arwen schüttelt den Kopf.
"Du immer mit deinen Plänen", meint sie lachend.
"Ey, ich bin halt gerne vorbereitet. Ausserdem mache ich das nicht immer", verteidige ich mich, muss dabei aber auch lachen. Ein wenig hat Arwen ja recht.
"In Ordnung. Wir treffen uns dann an der kleinen Brücke über den Fluss", sagt sie grinsend und läuft in Richtung ihres Zimmers. Auch ich gehe zu meinem Raum und lege die Karte zu meinem Schwert auf die Truhe.
Dann gehe ich zu der Brücke, die Arwen meinte und warte dort auf sie, da sie noch nicht da ist. Plötzlich spricht mich eine Stimme von hinten an und ich schließe genervt die Augen.
"Verzeihung, aber ich muss euch ansprechen. Eure Schönheit ist einfach einzigartig."
'Warum, warum müssen die immer mit total übertriebenen Formulierungen ankommen?' Ich öffne meine Augen, setze einen ernsten Gesichtsausdruck auf und drehe mich zu dem Sprecher herum. Es ist ein blonder Elb mit grünen Augen, der mich freundlich anlächelt. Ich durchbohre ihn mit meinem Blick, doch er zuckt nichtmal zusammen.
"Was wollt ihr?", frage ich ihn eisig.
"Nun, in eurer Nähe zu sein reicht mir vollkommen", antwortet er und tritt einen Schritt auf mich zu.
"Und wer seid ihr?", frage ich weiter, immernoch abweisend.
"Gestatten, Berhold, Sohn des Fürsten von Jenilien."
Von diesem wirklich winzigen Fürstentum habe ich schon einmal am Rande gehört, es liegt irgendwo im Nirgendwo und hat kaum Kontakt zur Außenwelt. Deshalb überrascht es mich ein wenig einen von ihnen hier anzutreffen.
"Schön für euch, aber ich warte bereits auf jemandem hier und brauche eure Gesellschaft nicht."
Unbarmherzig starre ich ihn weiter an und endlich scheinen dies und meine Worte Wirkung zu zeigen. Berhold schaut mich gekränkt an.
"Nun gut", schnaubt er und geht, ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen. Erleichtert entspanne ich mich wieder und halte Ausschau nach Arwen. Diese Männer nerven mich absolut und ich gehe mittlerweile immer so mit ihnen um, wenn sie mir so blöd kommen. Denn anders verstehen es die meisten nicht, und das ist schonmal nicht so gut für mich ausgegangen. Damals hatte Elrond einschreiten müssen, nachdem der Elb mir bis in mein Schlafzimmer gefolgt war.
Doch da kommt Arwen heran und ich lächle erleichtert.
"Endlich kommst du. Ich hatte gerade ein relativ unangenehmes Zusammentreffen mit dem Fürstensohn von Jenilien."
Sie grinst.
"Ja, ich habe ihn gesehen und mich schnell versteckt damit er mich nicht sieht."
Wir beide lachen und gehen dann nebeneinander her über die Brücke und in den Wald hinein.
Schon bald habe ich den Vorfall wieder vergessen, wie die ganzen anderen, die im Laufe der Jahre passiert sind. Stundenlang laufen wir durch den Wald, bis es dämmert und wir uns auf den Rückweg machen.
"Ich werde diese Tage mit dir wahrscheinlich am meisten vermissen während in im Düsterwald bin", meine ich zu meiner großen Schwester und sie nickt.
"Ich auch. Aber du kannst mir ja schreiben, und ich dir natürlich ebenfalls."
"Das mache ich auf jeden Fall."
Es ist bereits dunkel als wir zurück sind, doch ich gehe noch zum Speisesaal um etwas zu Abend zu essen. Arwen hingegen ist müde und geht auf ihr Zimmer, worüber ich ein wenig verwundert bin, aber nicht weiter daran denke. Sie darf ja auch mal früh ins Bett gehen.
Im Speisesaal treffe ich auf niemanden den ich wirklich kenne, aber ich lasse mich davon nicht stören.
Da kommt Elrond herein, sieht mich und setzt sich neben mich an den Tisch.
"Wie geht es dir?", fragt er mich als ich fertig bin mit essen.
"Ganz gut. Ich habe nur heute wieder einen Fürstensohn getroffen, aber das war nicht so schlimm."
Seine Miene verhärtet sich.
"Wie hieß er?"
"Berhold, aus Jenilien."
Elrond nickt und erhebt sich wieder.
"Ich kümmere mich darum."
Bevor ich noch etwas dagegen sagen kann ist er schon zur Tür herausgegangen und die anderen Elben schauen ihm verwundert hinterher. Leise seufze ich, stehe auf und folge meinem Vater.
Wer weiß, was er mit dem Typ anstellt.
Doch ich kann ihn nirgends finden und wage es nicht dorthin zu gehen, wo die männlichen Gäste von Bruchtal untergebracht sind. Ich habe zwar keine Angst davor, denn normalerweise sind Elben weder gewalttätig noch pervers, und dennoch will ich nicht dorthin. 'Dann ist es halt Elronds Sache.' Leicht ernüchtert gehe ich zu meinem Zimmer und setze mich auf einen Stuhl ans Fenster, um nach draußen schauen zu können.
Es ist geschlossen, aber dennoch kann ich beinahe den Windhauch spüren, der die Blätter der Bäume bewegt. Ich werde immer schläfriger, bis ich mich zusammenreiße und wieder aufstehe.
Nach einer kurzen Wäsche und mit einem frischen Kleid lege ich mich in mein Bett und starre an die Decke. 'Der Düsterwald. Waldelben. Und mittendrin ich.' Wieder wallt in mir diese Angst um meine Familie auf, doch ich beruhige mich und schließe die Augen. Ich brauche keine Angst zu haben.

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt