Der Eingang nach Moria

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Legolas P.O.V.

Also machen wir uns wieder auf den Rückweg. Ich suche den Blickkontakt zu Jedwiga, die mich beruhigend anlächelt. Als die Lawine herunterkam, hatte ich für einen Moment Angst um sie, dass sie von den Schneemassen mitgerissen worden wäre. Aber es geht ihr gut.
Keiner von uns ist begeistert dass wir den langen Weg nun wieder zurückgehen müssen, aber wir haben keine andere Wahl. Ich gehe neben Jedwiga her und wir reden nicht, aber ihre Anwesenheit reicht schon aus. Einfach das Wissen dass sie da ist, tut so gut.

Mehrere Tage sind wir unterwegs, immer abwärts und langsam wird die Reise angenehmer. Das Wetter ist nicht mehr stürmisch und auch die Temperaturen sind wärmer. Für die Hobbits ist es auf jeden Fall eine enorme Erleichterung, und ich glaube, dass die Aussicht auf einen 'königlichen Empfang' ihnen neuen Mut macht. Und Mut können wir gebrauchen.
Mit jedem Tag der vergeht spüre ich, dass wir einer Gefahr entgegen gehen, die größer ist als alles was ich bisher gesehen habe. Aber gleichzeitig spüre ich auch, dass mit jedem Tag Jedwiga schweigsamer wird. Irgendetwas bedrückt sie, doch ich habe nie eine Gelegenheit sie zu fragen was los ist. Ich kann lediglich bei ihr sein, ihre Hand halten und versuchen ihr Trost zu spenden, auch wenn wir nie alleine sind.
Nach mehreren Tagen kommen wir zu einem See, der dunkel und bedrohlich daliegt. Das Wetter ist wolkig und die Sonne geht bereits unter, sodass es dämmrig ist. Wir gehen am Ufer des Sees entlang und nähern uns zwei Bäumen, zwischen denen eine komplett glatte Felswand liegt.
Wir gehen darauf zu und bleiben davor stehen.
"Hier ist es. Hier liegt der Eingang zu den Minen von Moria", verkündet Gandalf und deutet auf die Felswand.
"Ich sehe nichts", meint Merry skeptisch und klopft prüfend gegen den Fels. 'Ausnahmsweise muss ich ihm zustimmen.'
"Die Tür ist aus Mithril gefertigt und nur bei Sternen und Mondlicht sichtbar", erklärt Jedwiga und Gandalf nickt. Da geht der Mond auf und scheint direkt auf die Felswand zwischen den beiden Bäumen. Silberne Linien werden sichtbar, die sich durch den Stein ziehen und wundersame Muster bilden. Diese Linien leuchten hell im Licht des Mondes und bilden ein hohes Tor, in dessen Mitte ein Baum abgebildet ist. Darüber stehen elbische Runen.
"'Sprich Freund und tritt ein'", liest Gandalf vor und tritt an die Tür heran.
"Und was bedeutet das?", fragt Pippin nach und Gandalf dreht sich lächelnd zu ihm um.
"Ganz einfach, wenn du ein Freund bist, so sage das Losungswort und die Tür wird sich öffnen."
Er dreht sich wieder zur Tür, streckt die Hand nach vorne und beginnt irgendwelche Worte zu sprechen, doch nichts geschieht.
Jedwiga beobachtet den Zauberer aufmerksam und wie er verdutzt einen neuen Spruch versucht. Wieder nichts.
Murmelnd drückt er mit dem Stab dagegen und spricht erneut Worte, aber es passiert nichts.
"Und was machen wir jetzt?", fragt Pippin und Gandalf gibt mürrisch zurück:
"Mit deinem Kopf die Tür einschlagen, Peregrin Tuk. Und wenn sie das auch nicht aufbringt und ich endlich Ruhe vor weiteren törichten Fragen habe, dann werde ich nach dem Losungswort suchen."
Sofort ist Pippin still und Gandalf setzt sich auf einen Stein um zu grübeln. Jedwiga geht ein wenig das Ufer entlang und ich folge ihr sofort. Als wir ein wenig abseits von den anderen sind, halte ich sie sanft an der Schulter fest und sie dreht sich zu mir herum. Ihre sonst so strahlenden blauen Augen wirken besorgt und traurig, aber sie versucht es zu verbergen. 'Was ist passiert?'
"Ist alles in Ordnung bei dir?", frage ich sie leise und sie neigt unsicher den Kopf.
"Ich weiß nicht."
"Wie, du weißt nicht? Was ist denn los?"
Besorgt mustere ich sie und lege eine Hand auf ihre.
"Naja, in letzter Zeit habe ich... Visionen. Sie kommen nicht oft und sind nur ganz kurz, aber fast immer handeln sie von Dunkelheit und Tod. Ich... ich habe Angst", antwortet sie und lehnt sich gegen mich. Sofort bekomme ich einen Kloß im Hals und merke, wie sich meine Miene verhärtet.
"Seit wann hast du diese... Visionen?"
"Seit sechs Tagen", murmelt sie und kuschelt sich an meine Brust. Schützend lege ich einen Arm um sie und ziehe sie enger an mich.
"Ich werde nicht zulassen dass dir etwas passiert. Niemals", sage ich leise und atme ihren vertrauten Geruch ein.
'Und wenn es das letzte ist, was ich tue.'
Aber gleichzeitig bin ich erschüttert. Visionen sollte man nicht einfach außer Acht lassen, besonders bei Elben. Aber solche Arten von Visionen hat keiner gerne. Aus diesem Grund, also dass ihr etwas derartiges zustoßen könnte, wollte ich sie nicht dabei haben.
Ich atme tief durch und schaue Jedwiga dann an. Sie hebt den Kopf und sieht mir in die Augen.
"Du sagst mir doch Bescheid falls du erneut eine solche Vision haben solltest, oder?", frage ich nach und streiche mit einer Hand über ihre Wange. Sie nickt.
"Ja."
Da ziehe ich sie enger an mich und küsse sie sanft auf die Lippen. Das fehlt mir ein wenig, denn durch die Reise können wir nicht so zärtlich miteinander sein wie sonst. Wir halten uns zurück, obwohl ich sie manchmal näher brauche als nur als Reisegefährtin.
Nach einer viel zu kurzen Weile lösen wir uns schon voneinander und ich lasse sie los. Doch sie greift nach meiner Hand und verschränkt ihre Finger mit meinen, während wir zu den anderen zurückgehen. Aragorn hilft Sam gerade das Pony abzusatteln, Merry sitzt auf einem Stein und schaut aufs Wasser, und Pippin wirft Steine vom Ufer aus hinein. Frodo starrt wie Gandalf auf die Tür und überlegt.
Gerade als Pippin einen besonders großen Stein in den See werfen will, packt Aragorn ihn am Arm.
"Nein. Wühlt das Wasser nicht auf."
Der Hobbit schaut den Menschen verwundert an, senkt den Arm aber wieder. Da wende ich meine Aufmerksamkeit wieder der Tür zu.
"Meinst du Gandalf findet das richtige Wort?", frage ich Jedwiga leise und sie nickt.
"Gewiss. Er hat nur mehr vergessen als wir je wissen werden, das ist alles. Er schafft das."
Sie klingt aber nicht so zuversichtlich wie ihre Worte sich anhören.
"Es ist ein Rätsel", meint Frodo, der sich die ganze Zeit lang die Tür angeschaut hat, plötzlich und ich schaue zu ihm hin. Nach einer Weile ruft er aus:
"Gandalf, was ist das elbische Wort für Freund?"
Der alte Zauberer hebt den Kopf, ungläubig dass ihm diese Idee nicht gekommen ist.
"Mellon."
Sofort bewegt die Tür sich und geht nach außen hin auf, sodass die silbernen Linien im Schatten verblassen. Aufgeregt laufen alle dorthin, auch Gimli und Boromir, die aufmerksam den See beobachtet haben. Im Innern der Minen ist es dunkel, so dunkel dass man fast den Eindruck hat, die Dunkelheit greifen zu können. Nur Mondlicht fällt hinein und gibt etwas Klarheit. Vorsichtig wagen wir uns hinein, doch es ist niemand zu sehen.
"Ihr werdet schon sehen, mein Vetter Balin wird uns einen prächtigen Empfang bereiten. Dann werdet ihr die Freundlichkeit der Zwerge kennenlernen! Lieder werden gesungen und Speis und Trank wird gereicht. Mine! Das ist ein Königreich, und ihr nennt es eine Mine. Eine Mine!"
Die Stimme des Zwerges verhallt im Innern des Berges, in dem die Luft kalt und stickig ist.
Ich habe Dinge im schwachen Licht gesehen, die etwas anderes nahelegen als ein Königreich oder eine Mine.
"Das ist kein Königreich. Das ist ein Grab", sage ich und nun sehen auch die anderen was ich meine. Überall liegen die verwesten Skelette von toten Zwergen herum, durchbohrt von Pfeilen. Der erschrockene Ausruf von Gimli ist uns egal. Jedwiga bückt sich und zieht einen der Pfeile aus den Brustkorb eines Zwerges. Die Spitze ist schwarz.
"Orks", zischt sie und ich nicke, während ich einen Pfeil in die Sehne meines Bogens lege.
"Alle raus!", ruft Aragorn und wir drehen um. Die vier Hobbits sind draußen geblieben, doch plötzlich schlingt sich etwas um den Fuß von Frodo und wirft ihn zu Boden. Sofort haben wir alle unsere Waffen gezogen und stürmen hinaus, während die Hobbits erschrocken in die Mine hinein eilen. Das Ding handelt sich um einen der vielen Tentakeln eines riesigen Ungeheuers, das offensichtlich im See lebt. Frodo wird schreiend nach oben gezogen und baumelt kopfüber über dem Maul des Biests. Das Brüllen des Wesens hallt in den Bergen wieder als einer meiner Pfeile seinen Kopf trifft. Pfeil um Pfeil schieße ich ab, während Boromir, Aragorn und Jedwiga ins Wasser stürmen um Frodo zu helfen. Sie hacken mit ihren Schwertern auf die Tentakeln ein und bahnen sich einen Weg zu Frodo. Ich schieße nun einen Pfeil auf den Tentakel der den Fuß des Hobbits gepackt hält und das Ungeheuer lässt ihn los. Aragorn fängt ihn auf und Jedwiga verhindert mit ihrem Schwert dass der Tentakel wieder angreift. Schnell rennen alle aus dem Wasser und zur Mine, als das Monster beginnt an Land zu kommen. Ich schieße weiterhin meine Pfeile ab, aber das macht es nur noch wütender.
"Legolas!", ruft Jedwiga und ich folge ihr schnell nach drinnen, als das Ungeheuer die Bäume niederreißt und auch die Türen zerstört. Hastig rennen wir alle in die Mine hinein, als der Eingang tosend und polternd einstürzt. Wir können uns gerade noch so in Sicherheit bringen, als es um uns herum stockfinster wird. Wir sind gefangen.

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt