Kapitel 160 - Siehst du das, Arschloch?

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Harry

„Und jetzt seid ihr gefälligst still", flucht Little Stuart und stampft wieder die Treppen hoch.

„O, Baby", weint Cate und tastet Andy's blutiges Gesicht ab. „Niall ist so ein Idiot."

„Ja", krächzt Andy und lässt sich vor Schmerzen stöhnend auf die Couch fallen. „Ist er."

„Und bei dir ist auch alles okay?", höre ich Ben fragen und dabei nimmt er fürsorglich Raven's Arm.

Ich rümpfe die Nase.

„Ja, es ist wirklich alles okay", dankt Raven ab und entzieht ihm ihren Arm.

„Wirklich? Ich kann mir das mal ansehen. Du weißt doch, ich bin – "

„Eigentlich bist du nur Lehrling", unterbreche ich Ben und verschränke meine Arme hinter dem Rücken. „Arzt bist du erst in ein paar Jahren. Hat dir das Robert noch nicht gesagt?"

Raven funkelt mit sauer an, doch das ist mir scheiß egal. Dieser Kerl kotzt mich an und das kann er spüren. Und wenn ich ihn schon nicht verprügele, wie Niall es mit Andy gemacht hat, kann ich ihm wenigstens verbal zeigen, was hier abgeht.

Ben seufzt und dreht sich zu mir um. „Harry, ganz ehrlich. Nur, weil du deine Eifersucht nicht unter Kontrolle hast, bedeutet das nicht, dass du dich aufspielen musst, als wärst du Gott."

Belustigt hebe ich eine Braue. „Versuchst du mich gerade wie einen Freak dastehen zu lassen? Wen versuchst du hier zu beeindrucken? Raven? Meine Freundin? Wir beide, du und ich wissen, was für ein Arschloch du wirklich bist, also solltest du besser deine Lehrlingsfresse halten."

„Harry!", zischt Raven aus und sieht mich böse an. „Hör endlich auf damit! Ben wollte mir nur helfen, daran ist nichts falsch."

Wie bitte? Das kann gerade nicht ihr beschissener Ernst sein. Sie nimmt Ben in Schutz?

Ich atme tief ein und aus und sehe sie an. „Tut dir denn etwas weh, das Ben verarzten sollte?"

Sie scheint kurz verwirrt, dann schüttelt sie nur den Kopf.

Ich nicke. „Sehr schön. Ben, es gibt nichts zu verarzten. Raven und ich werden übrigens jetzt gehen."

Ich sehe in Ravens Blick, dass sie unglaublich gerne etwas sagen würde, doch sie schluckt es runter.

Ist wahrscheinlich auch besser so.

„Raven ist kein Objekt, das du einfach so mit dir rumschleppen kannst", wirft Ben ein, als ich gerade einen Schritt auf sie zugehe. Er sieht zu ihr. „Du kannst noch hier bleiben, wenn du möchtest."

„Ein weiterer erbärmlicher Versuch mich wie einen Freak dastehen zu lassen und dich wie ein verkackter Welpen." Ich finde die ganze Situation mit Ben fast nur noch lustig. Er ist ein Volltrottel und so verhält er sich auch.

Ben ignoriert mich. „Raven, du kannst wirklich noch bleiben. Ich kann dich nachher zum Campus fahren, ich habe nichts getrunken."

Das klingt jedoch nicht mehr ganz so lustig. Was erlaubt er sich eigentlich? Am liebsten würde ich ihm jegliche Sprüche an den Kopf hauen, die gerade in meinem Kopf umherspucken, doch ich möchte nicht noch für mehr Aufsehen heute Abend sorgen.

Abwartend betrachte ich Raven und warte auf die einzig richtige Reaktion von ihr, die den Abend weniger ätzend machen könnte.

Schließlich schüttelt sie den Kopf. „Nein, ist schon in Ordnung. Harry und ich gehen jetzt."

Triumphierend sehe ich zu Ben und kann mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Siehst du das, Arschloch? „Dann hätten wir das ja geklärt."

Ben's Blick versucht mich aufzuspießen, als ich in Richtung Ausgang gehe und Raven mir folgt.

Raven verabschiedet sich noch von dem Rest und ich gehe einfach nach draußen.

Meine Laune ist mal wieder an ihrem Nullpunkt angekommen. Die Tatsache, dass Ben ein beschissener Wichser ist und Raven ihn auch noch vor mir in Schutz nimmt, hätte mich fast zum ausflippen gebracht.

Ich hasse es, dass sie ständig versucht so zu tun, als wäre es total normal, wie Ben mit ihr umgeht. Sie scheint mit keiner Sekunde zu verstehen, dass er sie ins Bett bekommen will. Sie würde mir nicht glauben, wenn ich es ihr sage – das hat sie damals auch nicht -, deshalb versuche ich es ihr nicht mal klarzumachen.

Doch meine Bitte zu ignorieren und ihn einfach verdammt nochmal in Schutz zu nehmen und sich gegen mich zu stellen, ist scheiße. Und das kann sie jetzt spüren.

Ich habe das Gefühl, dass sie das langsam beginnt zu verstehen, denn die Reue ist ihr stetig ins Gesicht geschrieben, als wir in mein Auto steigen.

Ich schweige. Mir ist die Lust auf eine Konversation mit ihr vergangen. Ich habe nicht mal Bock mich mit ihr zu streiten, denn sie würde es ja doch nicht verstehen.

Wir schweigen die komplette Fahrt zu mir in die Wohnung.

Musste so eine Scheiße unbedingt heute Abend passieren? Ich wollte einfach zwei schöne Tage mit Raven haben und jetzt... Man, das ist alles Bullshit. Ich bin nur froh, dass sie keinen Alkohol getrunken hat, denn sonst wäre eine Auseinandersetzung mit ihr unüberspringbar.

Ich weiß, dass es nicht lange dauern wird, bis wir uns wegen der Aktion gerade eben streiten, aber jetzt gerade, will ich einfach erst mal, dass sie eventuell versteht, worum es mir geht.

Ich habe nichts dagegen, wenn sie etwas mit anderen Typen macht, aber ich habe etwas dagegen, wenn diese Kerle sich an sie ranmachen. Und das tut Ben, auf widerlichste Art und Weise. Das ist die einzige Scheiße, die mich abfuckt.

Immer noch schweigend betreten wir meine Wohnung.

Ich lasse den Schlüssel auf das Regal neben der Tür fallen und ziehe mir die Schuhe von den Füßen. Ich bin unglaublich müde, der Jetlag hängt mir noch in den Knochen und gerade will ich nichts lieber als schlafen. Insgeheim hoffe ich, dass Raven einfach den Mund hält und mich schlafen lässt.

Ohne sie auch nur zu beachten, gehe ich die Treppen hoch.

Lives Collide 2 Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz