Kapitel 114 - Bonjour

14.3K 962 91
                                    

Raven

"Da vorne links", weise ich Harry an, während wir durch Amersham, die nächst liegende Stadt, fahren.

Ich habe ihm versprochen, dass ich ihm die schönsten Sachen von meiner Heimat zeigen werde und das tue ich auch. Er verhält sich zwar so, als hätte er da überhaupt keine Lust drauf, doch ich weiß ganz genau, dass seine Augen nicht einfach so funkeln, wenn ich ihm eine weitere Sache zeige, die mir früher hier gefallen hat und womit ich meine Zeit so nebenbei verbracht habe. Ich habe ihm die schönsten Aussichtspunkte in Aldbury gezeigt, zu denen ich früher oft gegangen bin und meine Lieblingsläden in Amersham, vor allem meine Lieblingsbibliotheken. Ich weiß einfach, dass es ihm mindestens genau so gefallen hat, wie mir.

"Fahren wir jetzt endlich zu dieser Mula?", fragt Harry, als er links abbiegt.

Ich nicke. "Ja, das habe ich mir als letztes ausgesucht, weil die macht sowieso erst um fünf Uhr auf."

"Mula könnte ein Name für ein Bordell sein."

"Es ist aber kein Bordell, Harry."

"Ist es besser als ein Bordell?"

"Das musst du mir dann sagen."

Er grinst schelmisch. "Mach ich."

Ich rolle mit den Augen. "Ich weiß, dass du noch nie in einem Puff warst, also tu nicht so. Halte hier an dem Parkplatz."

Harry fährt auf den Parkplatz. "Was macht dich da so sicher?"

Ich sehe ihn mit erhobener Braue an.

Er lacht. "Ist ja gut!"

Wir steigen aus dem Auto aus und ich führe Harry zu einem großen, altmodischen Gebäude wo mit großer, roter Schrift Le Mula darüber steht. Das Gebäude hat ungefähr vier Stöcke und gleicht ein wenig dem Lincoln Center in New York. Ich liebe es, dass es in so einem altmodischen Stil gehalten ist, das gibt dem Ambiente einen gemütlicheren und grazilen Charme.

"Wow, das ist riesig", staunt Harry, als wir unter dem steinigen Vordach hindurch laufen, vorbei an zwei großen Statuen, die Engel darstellen sollen, sie zeigen beide auf den Eingang.

"Ich weiß", lächle ich und öffne für ihn die große Glastür, die in die Eingangshalle führt.

"Merci jolie", sagt er, verbeugt sich vor mir und geht durch die Tür.

Ich lache. "Du kannst französisch?"

"Ich hatte es in der High School, aber ich habe so gut wie fast alles verlernt." Er lässt seinen Blick durch die riesige Eingangshalle gleiten, dessen Wände komplett aus Stein bestehen.

Mich hat das alles immer an ein Schloss erinnert. An manchen Ecken stehen Statuen und oben an der Decke sind unendlich viele Muster eingraviert, genau wie an manchen Wänden. Es ist einfach traumhaft.

Und Harry scheint es auch zu gefallen, denn er kann seine Augen gar nicht mehr von den Wänden und der Decke abhalten.

"Und ist es besser als ein Bordell?", frage ich ihn und stumpe ihn leicht in die Rippen mit meinem Ellenbogen.

Er wacht aus seiner Trance auf, blickt aber immer noch an die Decke. "Das hoffe ich doch."

Ich schmunzle. "Komm, wir müssen noch Eintrittskarten kaufen", lasse ich ihn wissen und gehe auf den Ticketstand zu.

"Eintrittskarten?", fragt Harry, als er mir folgt. "Ist das eine Veranstaltung?"

"So ähnlich."

"Aber hier ist doch überhaupt niemand."

Wir kommen beim Ticketstand an und ich lächle der Verkäuferin nett zu, als ich ihr fünf Pfund auf den Tresen lege. "Wir sind auch eine halbe Stunde zu früh da", sage ich zu Harry, als sie mir zwei Tickets in die Hand drückt.

"Hätte ich nicht eigentlich bezahlen sollen? Ich bin der Mann", meint Harry, als ich ihm ein Ticket in die Hand drücke.

Ich gehe auf eine große Steintreppe zu, die mit einem roten Teppich bedeckt ist. "Nur weil du reich bist, heißt das nicht, dass du alles bezahlen darfst", necke ich ihn.

Wir gehen die Treppe hoch.

"Ich werde diesen Spruch jetzt ignorieren und mich wieder auf diese einzigartige Atmosphäre konzentrieren", sagt Harry und lässt seinen Blick wieder durch das große Gebäude gleiten.

Ich kichere leise und wir kommen an einer Art Tor an, wo ein Mann in einem weißen Anzug steht, mit weißen Handschuhen.

Er nickt uns freundlich zu. "Bonjour, die Dame und der Herr", sagt er mit einem französischen Akzent.

Ich lächle ihm zu und halte ihm die Tickets hin. "Bonjour monsieur gentil." ('Hallo, netter Mann')

Er lächelt zurück und nimmt mir die Tickets ab, sagt dann: "Viel Vergnügen."

Als Harry und ich durch das Tor gehen, sieht er mich mit erhobenen Brauen an. "Du kannst französisch?"

Ich zucke selbstgefällig mit den Schultern. "Ich hatte es in der High School, habe aber so gut wie fast alles verlernt", zitiere ich seine Worte von vorhin.

"Touché."

Wir laufen durch einen abgedunkelten Gang, der ebenfalls nur aus Stein besteht, zu einer großen Metalltür.

"Das ist ja richtig aufregend", meint Harry belustigt, als wir an der Tür ankommen.

Wir bleiben davor stehen.

Ich sehe zu ihm auf und lächle. "Jetzt wirst du sehen, was mir in an meiner Heimat am meisten den Atem geraubt hat."

Er öffnet die große Tür und lässt sie hinter uns ins Schloss fallen.

Er sieht schweigend geradeaus, seine Augen sind riesig.


Sorry, für das kleine Kaptitel, aber ich will das nächste Kapitel unbedingt in Harry's Sicht schreiben, deshalb muss ich hier ein Punkt machen! Doch das nächste Kapitel kommt schon in den nächsten Stunden :)




Lives Collide 2 Where stories live. Discover now