sixty-third: Therapy Session

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Ein paar Jahre später:

Trotz oder vielleicht gerade wegen des offenen Fensters ist es warm in dem Raum, den ich in letzter Zeit zu dem sicheren Anker in meinem Leben gemacht habe. Ich halte mich mit den Augen und Gedanken an den warmen Farben der Wand fest, an dem Stift, der auf dem massiven Holzschreibtisch-Schreibtisch liegt und an Spielen, die in einem Regal neben mir stehen.
Ich sitze bequem, verspüre jedoch den unangenehmen Drang, den Raum schlagartig zu verlassen, als ich ahne, worauf die Frau vor mir hinauswill.

„Wie fühlen Sie sich heute?" Warme Augen blicken über den Rand einer Brille, distanziertes Mitgefühl spricht aus ihnen.
Ich räuspere sich. „Ganz okay denke ich", antworte ich knapp und fahre fort auf meine Füße zu starren. Ich will dem Blick seines Gegenübers nicht begegnen, auch wenn ich weiß, dass das vielleicht ein besseres Bild abgeben würde. Ich habe Angst.

„Haben Sie etwas mitgebracht, über das Sie in der heutigen Sitzung sprechen wollen?" Ich schüttle den Kopf, der schlagartig leer ist.

„Dann würde ich gerne weiter über Ihr Verhältnis zu Hoseok reden. Wir haben damit ja schon letztes Mal begonnen, Sie erinnern sich?" Ich nicke, wohl wissend, was jetzt kommt. "Das ist jetzt schon unsere zehnte Sitzung, Herr Park, und ich weiß, dass es schwer ist, dass sie sich vielleicht nicht mehr ganz genau erinnern, aber ich möchte ihnen gerne helfen, das Geschehene zu verarbeiten. Das kann ich aber leider nicht, wenn Sie nicht mit mir sprechen. Sie erinnern sich an die Dinge, die wir besprochen hatten?" Nun hebe ich den Kopf, blicke die Frau an.

Ja, ich erinnere. "Sie müssen mit mir reden, sonst kann ich Ihnen nicht helfen", hatte sie gesagt und auch wenn die Frau es vor mir vielleicht nicht glauben möchte, das einzige, was ich gerade am liebsten tun würde, ist reden. Aber ich kann nicht. Vielleicht werde ich es nie können.

Immer, wenn ich den Mund öffnen will, um über den Rothaarigen zu sprechen, der viel zu jung und viel zu tragisch aus dem Leben gerissen wurde, ist es, wie als würde alles in meinem Körper aufschreien und wild um sich treten.

"Ich, entschuldigen Sie bitte." Resigniert senke ich den Kopf, starre auf den Boden.

"Sie müssen sich nicht dafür entschuldigen, das ist eine sehr normale Reaktion bei Trauma-Patienten."

"Ich habe kein Trauma!" Jimin atmet laut aus und blickt der Frau nun starr ins Gesicht. Er weiß, was traumatische Erfahrungen sind, Hoseoks Tod war definitiv keine von ihnen. Er wurde nicht misshandelt oder geschlagen in seiner Kindheit, seine Eltern waren keine Alkoholiker und Mobbing hatte er auch nie erfahren, er ist nicht traumatisiert.

"Wie wäre es, wenn ich einfach mit Fragen beginne, die sie mit "Ja" oder "Nein" beantworten. Ich verspreche Ihnen sofort anzuhören, wenn Sie es wollen.  Aber um ihre Situation einordnen zu können, muss ich verstehen, was in Ihnen vorgeht, damit wir zusammen eine Lösung finden können Klingt das machbar?" 

Ja, das tut es.

"Okay gut. Halten Sie Hoseok für einen guten Menschen?"

Nicken.

"Denken Sie, dass er selbst schuld ist an dem, was ihm widerfahren ist?"

Kopfschütteln.

"Wollen Sie dazu was sagen?"

Abermaliges Kopfschütteln.

"Woran denken Sie, wenn Sie an das Meer denken?" 

Ich bin so mit sich selbst beschäftigt, dass ich nicht wahrnehme, dass mein sich Mund wie von selbst öffnet.

"Freiheit, Geborgenheit, Surfen." Mein Herz rast, als ich das letzte Wort ausgesprochen habe. Hoseoks Lieblingsbeschäftigung. Fuck.

"Surfen? Sind Sie Surfer?" Nein.

Summertime Madness | JiHopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt