thirty-first: Ruby

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Sobald Jimin zwischen den Schülern verschwunden war, die alles durch die Gänge drängten, in der Absicht nicht zu spät zu kommen, drehte der Rothaarige sich um und machte sich widerwillig auf den Weg zu seinem Kurs. Jetzt, wo der fröhliche Junge mit den Zuckerwatte-pinken Haaren von seiner Seite gewichen war, spürte er, wie sehr ihm die Panikattacke von gestern noch in den Knochen steckte. Eine gewisse Leere erfüllte ihn, als er ächzend die Treppe hochstieg. Er musste sich sputen pünktlich zu sein, obwohl er viel lieber einfach umgedreht und nach Hause gefahren wäre.

Am allerliebsten hätte er allerdings Jimin aus dem Unterricht geholt und seine pure Anwesenheit genossen, auch wenn er wusste, dass er das eigentlich nicht sollte. Zumindest durfte er die Anwesenheit des Jüngeren nicht zu einer Art therapeutischen Ersatz werden, das wäre weder gut für ihn, noch für Hoseok. Seine Laster und Probleme gehörten in eine Sitzung und nicht auf die Schultern des 17-jährigen.

Jenes Szenario war schon einmal geschehen und das hatte nicht gut geendet. Zwar wusste Hoseok, dass psychische Leiden nicht ansteckend waren, trotzdem machte es natürlich einen Unterschied, ob dein Gegenüber gewisse Problematiken besaß oder nicht.

Kurz bevor er den Klassenraum betrat, schüttelte er den Trübsal ab, zumindest äußerlich, niemand musste wissen, was in seinem Kopf vorging.

Und während Hoseok durch die Tischreihen ging, bemüht möglichst wenig Blickkontakt zu anderen Personen herzustellen, kam er an dem Platz von Namjoon vorbei, der ihn sanft am Arm packte und ihn somit kurz zum Stehen brachte.

"Bist du okay?" Er musterte den Rothaarigen besorgt. Er sah nicht so mitgenommen aus, wie ein paar andere Male, trotzdem konnte Namjoon sich gut vorstellen, dass er immer noch unter den Folgen des gestrigen Abends litt - so war es immer.

"Ja, mir geht's gut." Hoseok lächelte, tatsächlich war es ernst gemeint. Er war okay und die Anwesenheit seines besten Freundes beruhigte ihn. Schon immer hatte er sich gefragt, was genau Namjoon tat, dass er sich so wohl in seine Nähe fühlte, aber bis heute hatte er sein Geheimnis nicht gelüftet, wahrscheinlich lag es einfach an den vertrauenerweckenden Gesichtszügen und die Vergangenheit, die die zwei teilten.

"Wie war's mit Yeonnie?" Er lehnte sich gegen die Tischkante und wackelte mit den Augenbrauen. "Schön." Ein kleines Lächeln zierte Namjoons Lippen, als er an das Gesicht der Älteren dachte. Der gestrige Abend war überraschend ruhig gewesen, Soyeon hatte ausnahmsweise keine abendlichen Besorgungen machen müssen und so hatte das Paar genug Zeit für sich gehabt.

"Das ist doch schön." Hoseok lächelte ehrlich und machte Anstalten sich zu seinem Platz zu begeben, doch der Blondhaarige hielt in abermals auf.

"Danke, dass du mich gestern angerufen hast, es war 'ne gute Entscheidung, okay Hobi?" Er wusste, wie zermürbend Hoseoks Ängste nach Panikattacken werden können, vor allem den Leuten gegenüber, die bei ihm gewesen waren. Das war auch der Grund warum er inzwischen völlig von sich aus seinem Freund versicherte, dass sich durch seine kleinen Zwischenfälle nichts an ihrer zwischenmenschlichen Beziehung änderte.

"Danke Joon." Kurz drückte er die Hand seines Gegenübers, dann verschwand er ehrlich erleichtert zu seinem Platz neben Jeongguk.

Dieser erwartete ihn schon mit einem doppeldeutigen Grinsen, dass Hoseok erwiderte als er sich neben ihn sinken ließ.

"Was machst du so ein Gesicht?", wollte er lachend von dem Schwarzhaarigen wissen, während er seine Bücher auspackte.

"Du angelst dir also verwirrte 17-jährige, ja?" Verschmitzt grinsend beobachtete er wie sein Freund in der Bewegung inne hielt und ihn verwirrt ansah. Für einige Sekunden ratterte es in seinem Kopf, wer denn mit dieser Bezeichnung gemeint war, denn er kannte keinen verwirrten 17-jährigen, doch dann rutsche das fehlende Puzzleteil an seinen Platz.

Jimin.

"Jimin?", murmelte er möglichst beiläufig und fuhr fort die Bücher auf seinem Tisch zu sortieren. Augenblicklich musste er an die schönen Momente denken, die er mit dem Jüngeren erlebt hatte und daran, wie besorgt dieser um ihn gewesen war.

"Jap, der beste Freund von Namjoons Bruder", bestätigte Jeongguk seine Vermutung und ließ kurz den Blick durch den Klassenraum schweifen.

"So wie ich dich kenne, lief da was."

Genervt biss sich Hoseok auf die Unterlippe, ehe er sich nun ganz zu seinem Freund umdrehte und ihn kalt ansah.

"Dann kennst du mich aber schlecht. Jimin ist lediglich ein Freund, warum interessiert dich das eigentlich?" Wut kochte in seinem Inneren hoch. Er mochte Jeongguk wirklich, aber sein Feingefühl was Konversation anging, war manchmal wirklich eine Schande. Vielleicht machte ihn diese Frage auch nur so fertig, weil der Rothaarige ganz genau wusste, dass er Jimin vor den neugierigen Augen der Öffentlichkeit schützen wollte und Jeongguks Frage bewies, dass er auf ganzer Linie versagt hatte.

"Dann stimmt das nicht, was RED gesagt hat? Du hast nicht bei ihm geschlafen?" Seufzend schloss Hoseok für einige Sekunden die Augen, versuchte den Schutzwall aufrechtzuerhalten, den er sich über die Jahre aufgebaut hatte, versuchte ein gesundes Desinteresse für Jeongguks Neugier heraufzubeschwören, doch dieser Versuch scheiterte kläglich.

"Ich hab bei ihm geschlafen und falls du irgendwelche schmutzigen Details haben willst, muss ich die leider enttäuschen. Die Nacht habe ich auf einer Matratze verbracht!" Verdammt. Das hatte kühler geklungen, als er gewollt hatte. Heute war einfach kein guter Tag, um sich mit unangenehmen Fragen zu befassen. Im selben Moment blitzten Jeongguks Augen mitleidig auf.

"Sorry, ich wollte nicht", begann er und legte einen Arm um die angespannten Schultern seines Freundes. Er war sich dessen bewusst, dass er gerade eine Grenze überschritten hatte und das tat ihm leid. An seinem Taktgefühl musste er unbedingt arbeiten. Leider bemerkte er immer erst, dass er zu weit gegangen war, wenn es zu spät und sein gegenüber verletzt war, doch Hoseok hatte Verständnis dafür.

"Ich musste nur an Ruby denken, als wir gemeinsam am Strand waren. Er ist ein wenig wie er, findest du nicht?"

Ruby.

Für einige Sekunden starrte Hoseok Löcher in die Luft, spürte auf sein Herz, das bei der Erwähnung dieses Namens einen schmerzhaften Satz machte. Seine Kehle fühlte sich trocken an, schlucken war plötzlich unglaublich schmerzhaft.

"Ruby?", krächzte er und Jeongguk nickte.

"Ja, er ist genauso wie Jimin, genauso sanft." Und du hast ihn kaputt gemacht. Das sagte sein Freund natürlich nicht, aber es fühlte sich so an, als würde ein stummer Vorwurf in der Stimme des Schwarzhaarigen mitschwingen. Im Grunde genommen war es völliger Bullshit, aber sein Kopf schaltete immer bei der Erwähnung dieses Namens in einem Modus, den man als selbstzerstörerisch bezeichnen konnte. Er gab ihm dann immer die Schuld an den Dingen, die zwischen ihnen passiert war, gab Hoseok die Schuld an Ruby's Leid und an dem Unfall, verdammt er vermisste ihn so sehr, dass es weh tat.

Er hörte noch das schreien, sah wieder und wieder die tiefblauen Augen, die ihn kurz vorher noch angesehen hatten, als wäre Hoseok ein Diamant. Und dann sah er wie die Augen trüb wurden, wie der filigrane Körper hin und her geschleudert wurde, schließlich die alles umhüllende Schwärze.

Das alles wusste Jeongguk nicht. Er war zwar manchmal etwas unsensibel, aber hätte er die Wahrheit gewusst, hätte er Hoseoks Freund niemals wieder erwähnt. Für ihn hatte sich Hoseok von Ruby getrennt, weil es nicht mehr gepasst hatte und dann war der Braunhaarige mit diesen wunderschönen blauen Augen auf Distanz gegangen; das war auch die Version die er allen anderen erzählt hatte, nur Namjoon und seine Familie kannten die Wahrheit.

Wieder schluckte Hoseok. Die Wände kamen nun auf ihn zu, die Luft wurde knapp, verdammt, wo war die Tür? Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf, stieß dabei gegen einen Menschen. Der Übelkeit schlug ein wie eine Bombe, sobald er es aus dem Klassenzimmer geschafft hatte und das einzige, was der Junge mit den roten Haaren sich in dem Moment wünschte, war, an Ruby's Stelle zu sein, bevor er sich zitternd und ächzend auf die Toilette schleppte und sich dort vor Angst und Trauer in einer Kabine zusammensackte und den Kopf in den Knien vergrub.

✗✗✗

Ich entschuldige mich, dass es letzte Woche unangekündigt kein Kapitel gab, ich hab es zwischen schulischen und sozialen Verpflichtungen vollkommen verpennt, dennoch hoffe ich natürlich, dass das Chap okay war und wünsche euch einen schönen Tag!

SUNN

Summertime Madness | JiHopeWhere stories live. Discover now