thirty-fifth: I cant imagine a life without it

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Triggerwarnung: Kurzes Auftauchen, von Suizid-Gedanken, für genauere Informationen bitte in den Kommentar von mir schauen.

Der Wind zerzauste meine Haare, im selben Moment als ich aus dem Gebäude trat und den Geruch von Essen, das Gelächter und Gerede von den Leuten hinter mir ließ, die durch einen Besuch in dem Restaurant ihrem Alltag entflohen und Zeit mit Freunden verbrachten.

Die Luft roch salzig und je weiter man sich von dem Lokal entfernen würde, desto weniger würde man den Duft von Bratfett in ihr vernehmen.

Für einige Sekunden stand ich da. Ich konnte es einfach nicht lassen, immer wenn ich das Meer sah, mir diesen Augenblick kurz einzuprägen, für den Fall, dass es mein letztes Mal sein würde. Mein Blick, der einige Wimpernschläge zuvor noch den Wassermengen und Wellen gegolten hatte, machte sich nun auf die Suche nach seinem neuen Zielobjekt.

Wie viel Zeit vergangen war, seitdem Hobi den Tisch verlassen und nach draußen verschwunden war, wusste ich nicht genau. Ich folgte lediglich meine Gefühl, dass der Rothaarige jetzt jemanden gebrauchen konnte, der ihm zuhörte, der ihn nicht in Einsamkeit ertrinken ließ.

Ich sollte recht behalten, das erkannte ich schon an seiner Haltung, als ich ihn erblickte. Er saß gebückt auf den Holzstufen vor dem Lokal, den Blick zu Boden gerichtet. Als ich näher kam, konnte ich ein Glimmen in der Dämmerung erkennen, wahrscheinlich rauchte er schon wieder.

"Hobi?" Langsam ließ ich mich neben ihn sinken und legte ihm einem Impuls folgend eine Hand auf die Schulter. Ich spürte, dass er mich bemerkt hatte, trotzdem machte er keine Anstalten den Kopf zu heben oder mich anzusehen.

Für ein paar Minuten, saßen wir da, ich starrte auf das Meer, meine Arme locker um seine Schultern gelegt, er immer wieder einen Zug von seiner Zigarette nehmend, auf den Sand fokussiert.

"Ich habe bis heute nicht verstanden, warum Monster immer in der Nacht rauskommen." Er warf seine Kippe in den Sand und ich unterließ es ausnahmsweise ihn zu bitten, sie richtig zu entsorgen.

"Weiß nicht", erwiderte ich also wahrheitsgemäß und versuchte einen Blick in sein Gesicht zu erhaschen.

"Was ist denn passiert?" Eigentlich hatte ich erwartet, dass er abblocken und einen Notlüge erfinden würde, doch sehr zu meiner Überraschung schien er sichtlich in Erwägung zu ziehen, mir die Wahrheit zu sagen.

"Bist du RED?"

"Was? Nein!" Mein verständnisloser Blick schien ihn ein wenig zu amüsieren, denn er schmunzelte und am liebsten hätte ich dieses Lächeln in mich aufgenommen, indem ich meine Lippen auf seine legte.

"Gut, ich will nämlich nicht, dass das morgen im Blog steht und die ganze Schule über meine Schwester Bescheid weiß." Seine Schwester? Was hatte sie denn mit dem Ganzen zu tun?

Er klimpernde mit dem Armband und hielt es gegen das Licht einer Laterne.

"Das ist von ihr, sie hat das selbe." Dann war "M" also seine Schwester und nicht seine Freundin, das erklärte so einiges. Dennoch hatte die Geschichte noch nicht mal angefangen und ich war jetzt schon gerührt, dass der Rothaarige dasselbe Armband wie seine Schwester trug, um so ihre Verbundenheit zu demonstrieren, oder so.

"Weißt du, wenn ich ehrlich bin, dann ist es mir scheißegal was die Leute über mich wissen oder sagen, das einzige, was ich möchte, ist, dass sie Mina in Ruhe lassen, für diesen Zweck spiele ich gerne den attraktiven Surfer-Boy, der Dinge tut, oder so." Und dann erinnerte ich mich. Vor einer Weile, in einem Blogeintrag von RED war einmal der Name Mina gefallen. Sie hatte geschrieben, dass sie schon seit ein paar Monaten nicht mehr zur Schule gekommen war und gemutmaßt, woran das wohl liegen könnte, etwas später hatte sie dann wieder über Hoseok geschrieben, warum wusste ich gar nicht mehr so genau.

"Ich erzähle nichts, ich versprech's." Ich hielt eine Hand hoch und als er sie sah, griff er nach ihr und hielt sie fest in seiner. Sein Blick wirkte plötzlich abwesend, fast so wie als sei er vom einen auf den anderen Moment mit seinen Gedanken in eine völlig andere Umgebung gerissen worden.

"Meine Mum hat mich gerade angerufen", begann er schließlich und endlich suchte sein Blick meinen. Seine Augen strahlten eine Mischung aus Schmerz, Sorge und Dankbarkeit aus, letztere - zumindest bildete ich mir das ein - galt mir.

"Sie meinte, dass es Mina wieder nicht gut geht und dass sie sie wieder ins Krankenhaus mussten." Krankenhaus, das klang ernst, hatte sie sich ein Bein gebrochen oder so? Aber warum hatte Hoseok dann "wieder" verwendet, kam das öfter vor?

Er ließ mich noch ein paar Sekunden im Dunkeln tappen, dann, nachdem er kurz Luft geholt und nach meiner letzten freien Hand gegriffen hatte, entlud er zumindest einen Teil seiner Sorgen in die salzige Meeresluft.

"Meine Schwester hat Leukämie, laut der Diagnose der Ärzte hätte sie schon vor ein paar Wochen nicht mehr leben sollen."

Zwar hatte ich mir fest vorgenommen, keine starke Reaktion zu zeigen, egal was Hoseok mir offenbaren würde und trotzdem wurden meine Augen groß und wäre meine Bewunderung für den Rothaarige nicht sowieso schon so groß, so wäre sie jetzt sicher bis ans Ende der Leiter geklettert und hätte sich auf der letzten Sprosse die Arme in die Luft gestreckt.

"Es tut mir so leid, Hobi", war das Erste, was ich herausbrachte und er nickte nur, emotionslos.

"Das sagen alle, leider hilft es Mina nicht." Das Rauschen des Meeres und die Stimmen, die man hier zwar nur noch leise aber dennoch deutlich vernahm, wirkten plötzlich viel lauter in meinen Ohren, meine gesamte Umgebung schien von einem Schlag auf den anderen komisch, obwohl Minas Schicksal so wenig mit mir zu tun hatte, tat es mir so unglaublich weh, dass ich hätte schreien können.

"Sorry, das war gemein." Er rückte näher an mich heran, meinen Kopf fand ich keine Sekunde später auf seiner Schulter wider. Ganz im Gegensatz zu mir schien er die Krankheit seiner Schwester schon so oft durchgekaut zu haben, dass er jetzt völlig emotionslos in Ferne starrte, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, wusste ich leider nicht.

"Inzwischen tut es nicht mehr weh, weißt du? Ich habe tatsächlich vergessen, wie es ist nicht, ohne eine todkranke Schwester zu leben, ich denke, ich würde dieses Gefühl irgendwie vermissen."

War das so? Wenn man zu lange mit der Trauer und Zweifeln gelebt hatte, dass man sich am Ende ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen wollte oder konnte? War sie wirklich so ausfüllend, dass man vielleicht sogar Angst vor einem Leben ohne sie hatte, weil dann wieder so viel Platz für andere Gefühle war?

"Und falls alles den Bach runtergeht, habe ich sowieso noch eine Lösung, besonders schwer würde das sowieso nicht wiegen."

Eine miese Vorahnung kämpfte sich in meinen Kopf, auch wenn ich versuchte sie aus meinem Gedankenschloss auszusperren, bevor sie die Mauren niederreißen konnte, vergebens.

"Sorry, ich sollte nicht mit dir über diese Dinge reden, es ist nur so, dass es mich aufrisst und das ist nicht gerade angenehm." Er schüttelte den Kopf und löste sich von mir.

Überfordert suchte ich seinen Blick, doch er weigerte sich mir in die Augen zu sehen, ich nahm es hin und schlang die Arme um meinem eigenen Körper, plötzlich war es ziemlich kalt geworden.

So gerne ich diese Situation durchschaut und gelöst hätte, mir fehlten schlichtweg die Mittel dazu. Ich konnte nichts tun, außer vielleicht für Hobi da sein, wenn er jemanden zum Reden brauchte. Aber auch das fühlte sich nicht nach genug an. Dennoch, schließlich akzeptierte ich, dass ich einfach dasitzen und zusehen musste, außer ich würde in der nächsten Zeit ein Allheilmittel entdecken, was so gut wie ausgeschlossen war.

Summertime Madness | JiHopeWhere stories live. Discover now