thirteenth: let 'em talk

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Vielleicht war das alles nur ein Traum, ein unglaublich fieser Alptraum, aus dem ich wieder aufwachen würde, ja das würde es sein. Ich würde in ein paar Stunden in meinem Bett aufwachen und in die Schule gehen, ohne Gerüchte über mich und Hoseok, ohne, dass ich überhaupt wusste, wer er war.

Die Ereignisse der letzten Tage waren alle ein einziger langer und unglaublich grauenvoller Alptraum, der hoffentlich bald wieder enden würde.

Frustriert stieß ich die Tür auf den Pausenhof auf und lief schnellen Schrittes über den warmen Asphalt. Im Moment tummelten sich nur ein paar Leute in der Raucherecke, der Rest befand sich in der Mensa, so wie ich das eigentlich hätte auch tun sollen, aber das Leben war eben manchmal unvorhersehbar.

Genervt, ließ ich mich auf die Stufen der Treppe fallen, die in den Neubau führte, der neben den 3 Sporthallen auch eine kleine Schwimmhalle besaß, die allerdings nur noch selten benutzt wurde.

Jetzt gerade hörte ich keine Bälle, die in unregelmäßigen Abständen auf den Boden aufprallten oder Jubelschreie, wenn einer der Schüler einen Punkt gelandet hatte, was es ein wenig einfacher machte mich auf meinen Knien aufzustützen und meinen Kopf niedergeschlagen in meinen Handflächen zu platzieren.

Wenn ich ehrlich war, hätte ich gerne gegen irgendetwas getreten oder gegen jemanden, RED zum Beispiel. Aber ich konnte nicht losziehen und wahllos Leute treten, außer ich hatte Lust auf eine Unterhaltung mit dem Direktor, der noch nie sonderlich tolerant oder nett gewesen war, das konnte ich mir also sparen.

Ich war so vertieft darin, meinen Gefühlen nachzuhängen und auf meine eigenen Gedanken zuzuhören, dass ich nicht bemerkte, wie sich ein junger Mann mit weißen Sneakern und einer Zigarette in der Hand neben mich setzte.

Erst als er begann zu sprechen, hob ich den Kopf.

"Was ist denn mit dir los? Hat deine Freundin Schluss gemacht?"

Hoseok.

Was zur Hölle tat der denn jetzt hier? Probehalber kniff ich mich unauffällig in den Unterarm, aber entgegen meinen Wünschen, Gebeten und Erwartungen erwachte ich nicht in meinem Bett, sondern saß einen Augenblick später immer noch auf der Steintreppe neben dem Rothaarigen.

"Nicht lustig." Ich unterdrückte eine beleidigende Aussage und funkelte ihn stattdessen an. Wenn ich eine Person jetzt nicht sehen wollte, dann war es er.

"Sorry, wenn ich nicht weiß worum es geht, kann ich auch nicht helfen, oder magst du nicht drüber reden?" Er nahm einen Zug an der glühenden Zigarette und starrte dann abwesend auf den Boden.

Wir schwiegen eine Zeit lang, dann endlich konnte ich mich dazu überwinden ihm eine Frage zu stellen, die ich eigentlich jede etwas bekanntere Person hätte fragen können.

"Wie kommst du damit klar, dass RED so viel Scheiße über dich schreibt, dir nach spioniert und so Scheiß?" Ich meinte die Frage völlig Ernst, trotzdem zog sich im selben Augenblick ein breites Grinsen über Hoseoks Gesicht und er rückte ein Stück näher.

"Darum geht's also, hätte ich mir eigentlich denken können."

Er streckte seine Beine aus, nur um sich anschließend im Schneidersitz hinzusetzen, bevor er nachdenklich wieder an seiner Zigarette zog.

"Mach dir nicht so viel draus. Wir beide wissen, was passiert ist und der Rest kann uns egal sein, oder? Das war eine der ersten Dinge, die ich hier gelernt habe." Als er mich anblickte, hatte ich ein weiteres Mal das Gefühl eine ganz neue Persönlichkeit in seinen Augen zu sehen. Für einen Augenblick glitzerten sie nostalgisch, dann seufzte er.


"RED redet viel Scheiße und selbst die Wahrheit wird so verpackt, dass sie skandalös, abenteuerlich oder interessanter ist, so funktioniert das Business, leider. Die Wahrheit wird da leider nicht mehr so wichtig genommen." Meine Wut war plötzlich verflogen, stattdessen ruhte mein Blick auf dem Rothaarigen der seine Zigaretten nun auf den Steintreppen ausdrückte und dann mit den Schultern zuckte.

Gerne hätte, ich ihm gesagt, dass er seinen Abfall ordentlich entsorgen sollte, doch das war mir dann doch eine Nummer zu spießig, anders bei Taehyung und Jin, bei denen ich meistens für die Mülltrennung und den "Umweltquatsch" zuständig war.

"Lass dich davon nicht beeindrucken, Leute reden gerne über das Leben anderer, weil das interessanter ist. Da musst du drüber stehen, selbst wenn sie behaupten, dass du Dinge getan hast, die du nicht gemacht hast und sei mal ganz ehrlich", kurz hielt er inne und im selben Moment kehrte seine Persönlichkeit zurück, die mich irgendwie faszinierte und gleichzeitig abstieß.

"selbst wenn sie behaupten würden, zwischen uns wäre was gelaufen, wäre das so schlimm?"

Das war tatsächlich eine berechtigte Frage und leider konnte ich sie nicht beantworten. Das einzige, was ich sagen konnte, war, dass ich zutiefst verwirrt war. In einem Moment fühlte ich mich von dem Rothaarigen auf eine komische Art und Weise angezogen und dann keine Sekunde später wechselte das Gefühl wieder auf ein platonisches Ding, dass allerdings nicht so richtig mit dem Wunsch nach einer Freundschaft zusammenhing.

Er war attraktiv, ja, aber es gab einen Unterschied zwischen Attraktivität und dem Verlangen danach, mit der Person auf eine sexuelle oder gar romantische Ebenen zu gehen, zumal ich noch nicht mal wusste, ob ich das genau so mit Männern tun konnte, wie es mit Frauen funktionierte. Nicht dass ich mit meinen 17 Jahren schon viele Beziehungen gehabt hätte (es war eine gewesen für ein halbes Jahr, also wirklich nicht viel), aber da hatte ich wenigstens das Gefühl, es zu verstehen, würde ich das selbe mit einem Mann tun, wäre ich völlig überfordert, zumal ich dann in den meisten Situationen keine Kontrolle haben würde, besonders nicht dann, wenn ich sie gerne haben wollte.

"In diesem Staat ist Homosexualität legal", fuhr Hoseok fort und sah mich neutral an. "es gibt zwar immer wieder ein paar Arschlöcher, aber hey, die haben nur Angst und hatten noch nie das Vergnügen mit dem selben Geschlecht zu schlafen, also, let 'em talk."

Ich blickte ihn irritiert an, hatte er sich gerade als schwul geoutet? Nicht dass ich etwas dagegen gehabt hätte, ganz im Gegenteil, ich verabscheute Leute, die alles fernab der Heterosexualität als unnormal oder abstoßend ansahen und dennoch irritierte es mich ein wenig, weil ich noch nicht so viel Kontakt dazu gehabt hatte.

"Oh ich kenne diesen Blick." Wieder lachte der Rothaarige auf und lehnte sich lässig zurück.

"Ist er schwul? Aber Moment mal, er sieht viel zu gut aus, um schwul zu sein, außerdem hatte er doch schon so viel mit Girls, das macht keinen Sinn, ich bin verwirrt." Amüsiert schüttelte er den Kopf und fuhr sich durch sein Haar, dass nun in der heißen Mittagssonne begonnen hatte zu glänzen. Es wirkte fast wie als würde es eine gestellte Szene in einem Film sein, wenn der Crush des Protagonisten vorgestellt wurde, mit viel Slow-Motion und dem ganzen Kram.

"Yes I am, Baby oder zumindest bisexuell und falls du mich jetzt eklig oder weird findest, ist mir egal." Das selbstbewusste Lächeln verschwand nicht von seinem Gesicht, als er sich wieder zu mir drehte.

Und im Stillen begann ich langsam aber sicher damit mein Gegenüber für sein Selbstbewusstsein zu bewundern, denn egal wer vor mir gesessen wäre, so hätte ich ihm wohl nicht einfach so ins Gesicht sagen können, dass auf das selbe Geschlecht stehe, selbst wenn es Taehyung wäre, der offensichtlich auch homosexuell war.

"Voll nicht, find ich cool", sagte ich also etwas später und verzog meine Lippen zu so etwas wie einem aufmunternden Lächeln.

"Ich muss mal wieder zurück, war nett mit dir geredet zu haben, Jimin. Wenn du möchtest, gebe ich dir meine Nummer, dann kannst du mich anrufen, wenn du wieder einen guten Rat brauchst, für Blowjobs nehme ich allerdings bisschen Geld." Er zwinkerte mir zu und grinste dann dieses Grinsen, das irgendwie wunderschön war, denn es war echt.

Schließlich machte ich mich mit einem besseren Gefühl und einer Nummer mehr in meiner Kontaktliste auf den Weg zum Unterricht, die Zigarette, die Hoseok zuvor achtlos auf den Boden geworfen hatte, entsorgte ich davor allerdings noch unauffällig.



Summertime Madness | JiHopeWhere stories live. Discover now