forty-fourth: it'll be okay

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In den nächsten Tagen blieb es ruhig. Lediglich RED's Eintrag beschäftigte mich, obwohl ich ganz genau wusste, dass mir alles, was sie über mich schrieb, eigentlich egal sein sollte. Wie Hobi gesagt hatte, sie würde immer nur mutmaßen können, aber nie faktenbasiertes Wissen besitzen, wie es um mich und ihn bestellt war.

Das beruhigte mich, wann immer meine Gedanken wieder zu ihr und ihre Informations-Gier abdrifteten.

Das Einzige, was vielleicht ein wenig ereignisreich war, war, dass Tae und Jeongguk sich gestern ein weiteres Mal zum zocken verabredet hatten, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass das Treffen nicht virtuell, sondern in der Realität stattgefunden hatte.

Den ganzen gestrigen Tag hatten Jin und ich Tae, der mit jeder Minute, die verging, immer nervöser wurde, beruhigen müssen und mehr oder minder verhindert, dass er etwas Unüberlegtes tat. Dazu neigte er nämlich, wenn er sehr aufgekratzt war.

Am Ende war das Treffen entspannt und normal verlaufen, so wie jeder von uns (bis auf Tae, der sich immer irgendwelche Horror-Szenarien ausmalte) es erwartet hatte. Der heutige Tag war also voll und ganz den Erzählungen meines besten Freundes gewidmet. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu schwärmen und auch, wenn es wirklich langsam anstrengend wurde, so fand ich es doch irgendwie süß, das einzige, was mich nervte, war, dass er immer noch nicht die Initiative ergriffen und den Älteren erklärt hatte, was er wirklich für ihn empfand.

Denn jetzt, wo ich erkannte, wie kompliziert so was sein konnte, war ich unglaublich froh, dass Hobi und ich uns mehr oder minder darüber im Klaren waren, was der jeweils andere für uns empfand. Und dennoch rutsche mir mein Herz jedes Mal in die Hose, wenn ich ihm im Flur über den Weg lief oder wir uns bei den Spinden begegneten. Alles, was er tat oder sagte war für mich unglaublich intensiv. So intensiv, dass ich mir langsam wirklich Sorgen um meine Gesundheit machte.

Ich saß gerade im Mathe-Unterricht und obwohl wir eigentlich die Aufgabe hatten quadratische Funktionen zu lösen, so kritzelte ich gedankenverloren auf meinem College-Block herum und dachte an Hobi. Es war fast so wie als hätte das Universum gemerkt, dass ich mich gerade intensiv mit ihm beschäftigte, denn im selben Moment schallte die blecherne Stimme der Schulsekretärin durch  das Klassenzimmer. Diese Art von Durchsagen waren normal an unserer Schule. Es passierte häufig, dass sich jemand verletzte oder, dass ein Schüler ins Sekretariat gerufen wurde, deshalb hörte ich nur mit halbem Ohr zu und malte weiter.

Doch als ich realisierte, wer gerade dazu aufgerufen wurde sich ins Sekretariat zu begeben, begann mein Herz ein paar heftige Sprünge in meiner Brust zu machen.

Hobi.

Plötzlich war meine angenehme Gleichgültigkeit dahin und ich wäre am liebsten aufgesprungen, um nachzusehen, ob alles okay war. Viele unschöne Szenario formten sich in meinem Kopf und ich brannte darauf jedes einzelne von ihnen zu widerlegen. Szenario um Szenario breitete sich in meinem Kopf aus, füllte ihn aus und machte mich bewegungsunfähig. Ich saß nur da, reagierte selbst nicht als Tae mich fragend anstupste.

Was war, wenn sie ihn beim Kiffen erwischt hatten? Aber dann würden sie ihn wohl kaum so offensichtlich ins Sekretariat rufen. Oder hatte er wieder Scheiße gebaut? Gesprayt oder so und jetzt stand die Polizei vor der Tür? Nein, das machte doch alles keinen Sinn.

Insgeheim konnte ich mir genau denken, was passiert war, doch ich ließ den Gedanken nicht an die Oberfläche. Ich würde jene Situation erst in Erwägung ziehen, wenn sie auch wirklich eingetreten war.

Ab jetzt verging die Zeit quälend langsam und als der Gong endlich die große Pause ankündigte, sprang ich sofort auf, rief Tae ein paar kurze Worte zu, ehe ich aus dem Klassenzimmer gelaufen und in Richtung von Hobis Klassenraum auf den Weg machte. Ich musste mit Hobi reden, jetzt.

Doch dort fand ich weder Hobi noch jemand anderen. Verdammt! Wo konnten sie denn sein? Wo war Hobi, wenn er runterkommen musste und in der Schule war? Einige Sekunden geisterte diese Frage in meinem Kopf herum, ehe es mir einfiel und ich hätte mich am liebsten für meine eigenen Dummheit geohrfeigt. Die Raucherecke.

In der selben Sekunde hatte ich mich umgedreht und ohne darauf zu achten, wen ich umrannte, lief ich den Gang entlang. Mein Herz raste in meiner Brust und die Sorge wurde mit jeder Sekunde, in der ich keine Infos über Hoseoks verbleib, bekam größer und größer. Während ich die Tür zum Pausenhof aufdrückte, legte ich mir ein paar Sätze zurecht, verwarf sie aber sofort wieder, als ich über den Asphalt joggte und kurz darauf mein Ziel in Sicht kam.

Verwirrt blieb ich stehen. Ich konnte weder die roten Haare Hoseoks noch Namjoons blonden Schopf oder Jeongguks schwarze Haare sehen.

"Verdammt!", zischte ich und wollte mich wieder umdrehen, um meine Suche fortzusetzen, als ich plötzlich gegen einen Menschen knallte, der direkt hinter mir gestanden hatte.

"Hey, Jimin, suchst du Hoseok?" Namjoons Stimme erklang und ich atmete erleichtert aus, als ich in die vertrauenerweckenden Augen des Größeren blickte.

"Ja, wo ist er. Ich muss mit ihm reden, jetzt!" Eine Falte bildete sich an seiner Nasenwurzel, ehe er mich sanft an der Hand nahm und mich in die Richtung des Platzes zog, an dem ich gehofft hatte, angstlösende Worte zu bekommen.

Dort angekommen, ließ er mich los, ehe er eine Packung Kippen zutage führte und kurz darauf leuchte das Feuerzeug auf. "Willst du auch eine?" Er hielt mir die Packung hin, doch ich schob sie nervös weg und starrte ihn stattdessen fragend an.

"Was ist denn jetzt mit Hobi? Scheiße, was ist passiert?" Jetzt endlich zeige er Regung und seufzte, während er nachdenklich an seine Zigarette zog.

"Ich weiß es nicht." Moment. Was?

"Wie? Ich dachte, du bist sein bester Freund!" Verdattert und ein wenig wütend sah ich ihn an. Das konnte doch nur ein schlechter Witz sein. Da rannte ich durch die halbe Schule, um Infos zu bekommen und dann wusste niemand etwas?

"Er wurde ins Sekretariat gerufen und ist seitdem nicht mehr bei mir aufgetaucht." Das konnte doch jetzt nicht sein Ernst sein!

"Verdammt, Namjoon, weißt du, was das alles bedeuten könnte? Es könnte sonst was passiert sein, was ist wenn-"

"Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd, das wird alles schon okay sein." Er machte einen kurze Pause, in der meine Wut auf ihn nur noch mehr stieg. Wie konnte er Hobis bester Freund sein? Wie?

"Das passiert öfter. Ich kann verstehen, wenn du dir Sorgen machts. Ich weiß, was er dir erzählt hat, aber du musst mir vertrauen; es ist nichts." Besänftigend legte er mir eine Hand auf die Schulter und blickte mich überzeugend an. Für eine kurzen Augenblick schloss ich die Augen, versuchte ihn zu glauben, doch ich konnte mein Bauchgefühl einfach nicht dazu überreden das selbe zu tun. Dennoch nickte ich. Ich würde versuchen nichts in die Situation hineinzuinterpretieren, solange niemand genau Informationen hatte, auch wenn es schwer sein würde.

"Okay", erwiderte ich kurz. Dann drehte ich mich um, ohne Namjoon noch eines Blickes zu würdigen. Mir war schlecht und ich musste auf Toilette.



Summertime Madness | JiHopeWhere stories live. Discover now