forty-fifth: I'm not okay

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Triggerwarnung: detaillierte Beschreibung von negativen Gefühlen wie Wut, Trauer oder Angst.


Es wurde nicht besser.

Auch nicht am nächsten Tag oder am darauffolgenden, was vor allem daran lag, dass ich immer noch nichts von Hobi gehört hatte. Inzwischen hatte ich ihn dreimal versucht zu erreichen und ihm bestimmt zehn Nachrichten geschrieben, doch nie hatte ich eine Rückmeldung bekommen, geschweige denn ein Indiz darauf, dass alles okay war. Er war auch nicht mehr zu unseren morgendlichen Jogging Runden gekommen und weil ich mich ohne ihn nicht dazu motivieren konnte, Sport zu machen, ließ ich es einfach sein.

Je mehr Zeit verging, desto mehr Sorgen machten sich auch Namjoon und Jeongguk, doch diese hatten genauso wenig Erfolg bei ihren Versuchen den Rothaarigen zu erreichen. Kurz zog ich in Erwägung ihn einfach zu besuchen, immerhin wusste ich ja, wo er wohnte, doch verwarf den Gedanken auf Namjoons Rat wieder. Wenn Hobi sich nicht meldete, würde das einen Grund haben und das mussten wir respektieren - das hatte in meinem Ohren plausibel geklungen.

Und dennoch war es unglaublich schwer, mich selbst auf andere Gedanken zu bringen, egal was ich tat. Ich probierte sogar Atemübungen und Meditation aus, um meine Kopf kurz von den negativen Gedanken freizubekommen, aber es funktionierte einfach nicht.

Auf Nachfrage meiner Eltern, sagte ich, dass ich mich mit Tae gestritten hatte und deshalb so aus der Bahn geworfen war, sie akzeptieren es und ließen mich weitestgehend in Ruhe.

Und so versank ich in meiner Wolke aus Sorge und dem Willen helfen zu wollen, es aber nicht zu können. Es war ein ewiger Teufelskreis, den ich nicht durchbrechen konnte. Ich wusste, dass mich seine Angelegenheiten nicht so treffen sollten, egal was es war, aber ich schaffte es einfach nicht ordentlich, mich davon zu distanzieren, wo ich doch so gerne für ihn da sein wollte.

Insgeheim hoffte ich, dass er sich darüber im Klaren war, dass er immer zu mir kommen konnte, egal wie viel oder wenig wir in den letzten Tagen gesprochen hatten; solange es ihm gut ging, war ich bereit alles zu tun. Wenn er mich jetzt angerufen und mich gebeten hätte, vorbeizukommen, wäre ich sofort losgeradelt. Dazwischen hätte ich noch einen kurzen Halt an der Tanke gemacht, um Schokolade zu kaufen und dann hätte ich mich die ganze Nacht um ihn gekümmert. Aber dazu musste er mir erstmal sagen, was los war, immerhin konnte ich es weder riechen noch spüren, geschweige denn erraten.

An jenem zweiten Abend, an dem ich von dem Rothaarigen nichts gehört hatte, lag ich in meinem Bett und hielt mich im Internet auf. Falls das Horror-Szenario eingetretenen war, mit dem ich die ganze Zeit rechnete, musste ich vorbereitet sein. Natürlich war mir klar, dass es dumm war so persönliche Ratschläge aus diversen zwielichtigen Internetforen zu beziehen, aber so wusste ich wenigstens ungefähr was auf mich zukam.

Ich las gerade einen Post über Sterbehilfe (keine Ahnung wie ich dort gelandet war), als mein Handy vibrierte und am oberen Rand meines Bildschirms der vertraute Name des Rothaarigen auf ploppte. Für einige Sekunden hielt ich inne, nicht glaubend, dass ich tatsächlich gerade eine Nachricht von Hobi bekommen hatte, bevor ich sie mit zitternden Fingern öffnete.


Hobiii

Jimin. Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Mina ist gestern Abend verstorben. Wie ich dich kenne, möchtest du gerne helfen, aber ich bitte dich mich in Ruhe zu lassen. Ich muss da jetzt alleine durch. Ruf mich nicht an, schreib mir nicht und komm mich bitte nicht besuchen.

*Nutzer hat dich blockiert



Mit leerem Blick las ich die Worte immer und immer wieder, solange bis ich sie auswendig konnte. Dann, ohne dass ich es merkte, stiegen mir heiße Tränen in die Augen und rannen meine Wangen hinunter. Laut schluchzend, warf ich mein Handy von mir und riskierte dabei, dass es kaputtging.

Alle Emotionen, die ich über die letzten Tage versucht hatte zu unterdrücken, kamen nun hoch. Eine hochexplosive Mischung aus Sorge, Wut und vor allem Liebe entlud sich in meinem Körper und ließ mich mich zusammenrollen und die Decke über den Kopf ziehen.

Das konnte doch nicht sein. Ich war bereit gewesen, alles zu tun, wirklich alles und das einzige, was ich bekam, war das. Eine Nachricht. Eine verdammte Textnachricht.

Das Gefühl falsch behandelt worden zu sein, brannte in meinem Körper so stark, dass es sich anfühlte wie als würde ich von innen verbrennen, während mein Körper versuchte das Feuer äußerlich durch Tränen zu löschen.

Er scheiterte kläglich. Innere Verbrennungen konnte man nicht mit äußeren Einwirkungen lindern. Mein gesamte Haut fühlte sich an wie ein hochexplosiven Minenfeld, auf dem viele tausende Menschen tanzten und somit die Minen auslösten.

Jede Mine stand für ein anderes Gefühl. Es waren so viele, dass ich nicht bei jeder hätte genau sagen können, welche Emotion sie verkörperte. Das einzige, was ich wusste, war, dass mir dieser Junge so verdammt wichtig war, dass es wehtat. Und jetzt in diesem Moment hatte ich das Gefühl, ich müsse mich erbrechen, so schlecht war mir.

Zitternd und schluchzend rollte ich mich zusammen und öffnete ein weiteres Mal Hobis Nachricht. Jedes einzelne Wort fühlte sich an wie ein Nadel, der in mein Herz gebohrt wurde. Das hier war kein einfacher Liebeskummer, das war Todes-Kummer.

Denn er zerriss mein Herz und ließ mich Angst haben, es würde zerspringen und ich würde ausbluten.

Aber am größten war die Sorge, die Sorge um diesen wunderbaren rothaarigen Menschen, den ich über die letzten Monate kennengelernt hatte. Angst um den Menschen, dessen Lächeln so heilsam war, wie ein langer ausgiebiger Spaziergang in der Natur. Er hatte es nicht verdient, so kaputtzugehen, aber vor allem hatte er es nicht verdient, alleine durch die Hölle zu gehen. Er verdiente es Gesellschaft zu haben, wenn er gegen Dämonen und andere Wesen der Nacht kämpfte, er verdiente es Hilfe zu bekommen, wenn er in seinen eigenen Gedanken ertrank.

Mina war nicht mehr hier.

Und die Angst, dass er der nächste sein würde, der ging, wuchs ins Unermessliche.

Summertime Madness | JiHopeWhere stories live. Discover now