A U R O R A
B L A C K
Hoffnung.
Das war das Wort, welches mich aufrecht erhielt, dass Harry da rauskommen würde. Für die RCOD und die Familie, aber vor allem für seine Tochter Alice. Kaden Johnson sagte die Wahrheit, das musste ich glauben. Der Gedanke tat einfach zu gut, um daran zu zweifeln.
Ein ganz anderes Thema war aber natürlich mein Lächeln. Igitt, warum hatte ich Kaden Johnson ehrlich und echt angelächelt?
Deshalb fuhr ich in meiner Limo mit gemischten Gefühlen nach Hause. Über Mason hatte ich Daddy die Nachricht überbracht. Das es seinem Schwager gut ging und er gute Chancen hatte, was wohl gerade Daddy's Hauptproblem war. Aber ich? Wie es mir ging, schien er wohl vergessen haben, zu fragen. Ich dachte immer, ich wäre das Wichtigste in seinem Leben, warum also... Ich verbann den Gedanken aus meinem Kopf und schaute in den Wald auf unserer Insel. Es dämmerte bereits, doch da begann die Zeit der RCOD erst. Und ich meine nicht nur auf den Straßen, sondern auch in der Arena, wo mächtig trainiert wurde. Hier im Wald der Insel wurde auch fleißig trainiert. Aber die Nachricht, das sich die RCOD-Cousinen hier ein Duell im Bogenschießen gaben, sprach sich schnell herum. Und da ließ man uns lieber allein, weshalb kaum eine Menschenseele hier war.
Ich lief in das Waldstück hinein und machte mich auf den Weg zur einer kleinen Lichtung, wo dichte Bäume des Waldes drum herum standen. Ich entdeckte Ali und musste grinsen. Sie war die besten Bogenschießerin der Welt, deswegen war sie der geborene englische Robin Hood. Im Bogenschießen war sie sogar besser als ich und das musste was heißen!
Alice
Perfekt landete der Pfeil in der gelben Mitte und sie schaute auf. "Hey, Lara Croft."
"Hey, du Robin Hood", gab ich schmunzelnd von mir und schnappte mir Pfeil und Bogen, die neben Alice auf dem trockenem Waldboden lagen.
"Du siehst irgendwie anders aus", murmelte meine 16 jährige Cousine.
Bei Gott, konnte sie damit endlich mal aufhören? Ihr Wahrsagergelaber ging mir gehörig auf die Nerven! Gekonnt ignorierte ich Alice, da ich ja auch überhaupt keine Ahnung hatte, was sie meinte. "Komm", forderte ich und lief zu der nächsten Zielscheibe. Ich spannte den Bogen und schoss gekonnt in die Mitte, bevor ich sie nocheinmal triumphierend angrinste.
"Nicht schlecht, Croft", sagte sie und rückte sich ihre schwarze Lederjacke zurecht. "Aber jetzt schau, wie man es definieren kann." Angeberisch drückte sie mich beiseite, während ich nur mit den Augen rollte.
Ich beobachtete den Lockenschopf genaustens. Ihre Augen waren wie erstarrt. Voller Konzentration. Sie spannte den Pfeil und schoss - genau in meinen Pfeil, sodass dieser sich spaltete.
"Wie - wie hast du das angestellt?" Mein Kiefer hing schlaff herunter.
"Tja", machte sie und funkelte mich mit ihren tiefbrauenen Augen an, die fast alle aus der RCOD hatten, diesen ganz speziellen braunton. "Der Robin Hood in mir."
Allerdings. Ein verfluchter Robin Hood.
"Sag mal, stimmt es, dass du bei Kaden Johnson warst?"
"Wo hast denn das jetzt schon wieder aufgeschnappt?", stöhnte ich genervt und ging zu der nächsten Zielscheibe.
"Mason hat es mir verraten", antwortete Alice und stellte sich ganz nah hinter mich.
Natürlich - Mason. Ich spannte den Pfeil und konzentrierte mich auf die gelbe verlockende Mitte.
"Siehst du vielleicht deshalb so anders aus?", flüsterte sie in mein Ohr.
Ich zeriss Alice in meinen Gedanken, doch dies war ein Test. Das merkte ich sofort. Ein Konzentrationstest, ob ich mich auch mit Ablenkung beherrschen konnte. Doch wieso machte Alice das? Sie wusste, dass für mich nichts als Ablenkung galt. Ich würde den Pfeil korrekt in die Mitte befördern. Warum machte Alice sich solch eine Mühe, wenn sie sowieso wusste, das ich mich immer konzentrieren konnte?
Also spannte ich den Bogen noch weiter.
"Er hat dir wohl den Kopf verdreht."
Und ich schoss.
Aber nicht in die gelbe Mitte.
Mein Pfeil steckte im blauen Bereich.
Ich war genauso erstarrt wie Alice hinter mir. Was zum Teufel - Was zur Hölle war passiert? Oh mein Gott, das war mir noch nie passiert, außer als kleines Mädchen, wo ich noch geübt hatte. War ich von meinen heiligen Sinnen verlassen worden? Ich ließ mich nie ablenken! Scham und Wut überkamen mich. "Der Pfeil muss defekt gewesen sein!", rief ich und rannte auf die Zielscheibe zu, Alice folgte mir. Das Blau tat in meinen Augen weh, es schmerzte.
Er hat dir wohl den Kopf verdreht.
Voller Wut zog ich den Pfeil heraus und begutachtete ihn vor Zorn schnaubend. Aber - aber da war nichts kaputt oder anderweitig... Ich... was war verdammt nochmal passiert?
Alice wagte nicht ihre hübsch geformten Lippen zu öffnen. Ich schmetterte den Pfeil zu Boden. Ich konnte meine Gefühle nicht beschreiben. Ich war verflucht.
"Ich bin mit meinem Fuß umgeknickst", versuchte ich zweifelhaft eine Ausrede zu finden. "Und ins Auge ist mir, denke ich, auch etwas geflogen. Hm, um diese Jahreszeit ist das besonders schlimm." Ich rieb mir schauspielerisch die Augen.
Doch Alice schmunzelte nur und sah mich forschend an.
"Was ist so witzig?", brüllte ich. Sie war ein verfluchter Robin Hood!
"Nichts", wehrte sie ab.
Ich versuchte ihr nicht in die Augen zu blicken. Keine Ahnung, warum ich das in diesem Moment nicht konnte. Ich fühlte mich so... entblößt.
"Warum lässt du - "
Ich unterbrach meine Cousine hastig: "Sprich nicht!"
Alice zuckte zusammen.
Ich musste ablenken: "Kaden sagte, dass Harry gute Chancen hat." Ich erlebte einen Umschwung meiner Gefühle. "Alice, dein Dad kommt da wahrscheinlich raus." Ich legte lächelnd meine Hand auf ihre Schulter.
Auf einmal hatte Alice Tränen in den Augen. "Wahrscheinlich ist keine Versicherung."
"Das stimmt, aber behalte die Hoffnung bei dir."
Alice nickte und jetzt strömten ihr Tränen über die Wangen. Normalerweise hätte ich jetzt so etwas wie erbärmlich oder armselig gesagt, aber das tat ich nicht, sondern nahm sie einfach nur in den Arm. Sie war meine Cousine. Meine Familie. Und die Familie ist das Wichtigste...