Kapitel 2

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Seit Tagen nun tue ich nichts anderes mehr, als in meinem Zimmer zu sitzen und grübelnd an die Wand zu starren.

Mein Vater lässt mich nicht mehr aus dem Haus. Er hat Angst, dass ich abhaue und sein Deal mit Carlos García damit in Gefahr bringe.

Seine Befürchtungen sind nicht unbegründet, denn wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sie ohne zu zögern ergreifen. Mir ist es egal, was dann aus ihm und seiner gottverdammten Firma wird, die ohnehin nur auf Lügen und Intrigen basiert. Mein Vater hat diesen Rückschlag verdient. Allein schon dafür, was er mir antut, indem er mich für seinen eigenen Nutzen zu einer Ehe zwingt, die ich nicht bereit bin einzugehen, hat er es mehr als verdient.

Als kleines Mädchen habe ich Stunden damit verbracht, mir auszumalen, wie meine Hochzeit eines Tages ablaufen wird. Ich habe davon geträumt die Liebe meines Lebens zu finden und davon, wie ich in meinem weißen Kleid, welches ich mir bis ins kleinste Detail bereits in meinen Vorstellungen selbst kreiert habe, von meinem Vater zum Altar geführt werde.

Doch dieser Traum eines kleinen, törichten Mädchens ist geplatzt. Wie ein Ballon, der mit einer Nadel zerstochen wird. Mit einem lauten, ohrenbetäubenden Knall. Zurückgeblieben sind lediglich die Fetzen, die nie wieder zusammengefügt werden können.

Ein leises Klopfen an meiner Tür reißt mich aus meinen Gedanken.

Rasch wische ich mir mit dem Handrücken über die feuchten Wangen. Bevor ich überhaupt sagen kann, dass ich alleine sein möchte, öffnet Barbara bereits die Tür und tritt herein.

Ist es schon wieder Abendbrotzeit?

Doch zu meiner Überraschung betritt sie mein Zimmer, welches ich seit Tagen nicht verlassen habe, nicht wie gewohnt mit einem Tablett voller Essen, welches ich ohnehin nicht anrühre. Nein. Ihre Hände sind leer.

„Dein Vater verlangt, dass du zum Essen ins Esszimmer kommst", erklärt Barbara mir eingeschüchtert.

Ich mag mir gar nicht ausmalen, welch eine bedrückende Stimmung dort unten herrschen muss und wie sehr mein Vater seine schlechte Laune an Barbara auslässt, die ich bereits mein Leben lang kenne.

„Muss das sein?", frage ich wenig begeistert von ihren Worten und wende den Blick schließlich von ihr ab. Ich bin nicht interessiert daran, mit diesem Mann an einem Tisch zu sitzen, der seine Tochter wie ein Objekt herumschiebt, wie es ihm passt.

„Dein Vater wünscht es ausdrücklich", erwidert Barbara mit dünner Stimme. Wie angewurzelt steht sie an der Tür und wagt es nicht, mir ins Gesicht zu sehen. „Herr García ist zu Besuch und er wünscht ebenfalls, dass du erscheinst"

Als Barbara Carlos erwähnt, dreht sich mir der leere Magen um und ich habe das Gefühl ich müsste erbrechen, obwohl ich die letzten Tage kaum etwas zu mir genommen habe.

„Ich bin nicht hungrig, würdest du das bitte für mich ausrichten?", bitte ich Barbara. Natürlich weiß ich, dass mein Vater sich mit dieser Antwort auf keinen Fall zufrieden geben wird, aber allein der Gedanke daran mit diesen Menschen an einem Tisch zu sitzen und so zu tun, als sei es das Normalste der Welt, widert mich an.

„Na schön", murmelt Barbara und nickt einverstanden. Daraufhin zieht sie die Tür hinter sich zu und ich bin wieder alleine. Mein Blick wandert zu meinem Fenster. Ein paar Mal ist mir bereits der Gedanke gekommen einfach hinauszuspringen, doch bis nach unten sind es ungefähr dreieinhalb Meter. Vermutlich würde ich mir eher das Bein brechen und somit wäre es ein gescheiterter Fluchtversuch, der mir nicht wirklich viel mehr bringen würde, als zusätzlichen Ärger.

Seufzend greife ich nach meinem Handy. Ich habe meinem Vater geschworen, niemandem etwas über dieses Geschäft zu erzählen, denn weil ich nicht raus kann, ist mein Handy alles, was mir bleibt, um mit meinen Freunden im Kontakt zu stehen. Ich werfe einen Blick auf mein Display und stelle fest, dass ich einige ungelesene WhatsApp-Nachrichten von Nick und meiner besten Freundin Kat habe.

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