Kapitel 52

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„Belleza", dringt Carlos Stimme zu mir hindurch.

Blinzelnd öffne ich meine Augen und sehe zu dem jungen Mann auf, der mit einem Tablett in den Händen vor dem großen Doppelbett steht und meinen Blick liebevoll erwidert. Der Duft nach Toast und Kakao steigt mir in die Nase und sofort läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

„Was ist das?", erkundige ich mich mit knurrendem Magen. Noch etwas verschlafen reibe ich mir über die müden Augen und setze mich auf, sodass Carlos das Tablett auf meinem Schoß abstellen kann und sich anschließend zu mir ans Bett setzt.

„Frühstück am Bett", antwortet Carlos und wickelt eine braune Haarsträhne, die sich aus meinem Zopf gelöst hat um seinen Finger, um sie mir hinter das Ohr zu klemmen. „Ich wollte dir einfach mal etwas Gutes tun", fügt er mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen hinzu.

„Danke", erwidere ich ebenfalls lächelnd. Ich greife nach der Tasse mit dem herrlich duftende, heißen Kakao und nippe daran, ehe ich vom Toast abbeiße, welches mit einer großzügigen Schicht Erdbeermarmelade bestrichen ist.

„Wann kommt deine Cousine?", wechsele ich das Thema, nachdem wir einen Augenblick einfach nur schweigend dasitzen.

„In ein paar Stunden erst", erwidert er mit einer abwinkenden Handbewegung.

Wenn ich ehrlich sein soll, bin ich ein wenig aufgeregt. Immerhin ist es das erste Mal, dass Carlos mich seiner Familie vorstellt. Es ist zwar nur seine Cousine, jedoch habe ich die Befürchtung, dass sie mich nicht mögen könnte.

„Sofía wird dich lieben", sagt Carlos, dem der besorgte Ausdruck auf meinem Gesicht wohl nicht entgangen ist. Er umschließt meine Hand mit seinen Fingern und streichelt beruhigend mit seinem Daumen über meinen Handrücken.

„Das hoffe ich", erwidere ich und lächle die Nervosität fort.

„Abgesehen von meinem Onkel, zu dem ich so gut wie gar keinen Kontakt mehr habe, ist Sofía die einzige Familie, die ich noch habe", erzählt Carlos mir und senkt betrübt den Blick.

„Was ist mit deiner Familie mütterlicherseits?", will ich wissen.

Carlos seufzt. Dieses Thema scheint ihm nicht leicht zu fallen und sofort bereue ich es, ihn überhaupt danach gefragt zu haben. „Die kenne ich bloß von Erzählungen", geht er zu meiner Überraschung auf das Thema ein. „Mein Vater war wie Gift. Alles, was er angefasst hat, ist früher oder später zerbrochen. So auch das Verhältnis zwischen meiner Mutter und ihrer Familie. Zum Schluss sogar sie selbst.."

„Tut mir leid, ich wollte dir nicht den Tag vermiesen. Wir müssen wirklich nicht weiter darüber reden, wenn du nicht willst", sage ich, da ich das Gefühl habe, dass es ihn sehr mitnimmt.

Doch Carlos hebt seinen Blick, um mich anzusehen. Seine Mundwinkel zucken zu einem leichten Lächeln nach oben, während sich in seinen Augen purer Schmerz über den Verlust seiner Mutter und gleichzeitiger Hass seinem Vater gegenüber widerspiegelt.

„Wenn ich mit jemandem darüber reden möchte, dann mit dir", erwidert Carlos. Nun bin ich es, die nach seiner Hand greift und vorsichtig mit meinem Daumen über seinen Handrücken streicht. Dabei fahre ich immer wieder jeden einzelnen seiner Fingerknöchel nach, die leicht hervorstehen. Sein Blick wird weicher und seine Muskeln entspannen sich.

Carlos erzählt mir, wie es war, mit seinem Vater aufzuwachsen; wie oft er seine Mutter seinetwegen hat weinen sehen und wie oft sie mit Carlos Hals über Kopf das Haus verlassen hat, wenn sein Vater mal wieder zu viel Alkohol getrunken hat und aggressiv wurde. Er erzählt mir, dass seine Mutter dafür bei ihrer Rückkehr die Konsequenzen tragen musste. Und alles aus dem Grund, weil sie ihr einziges Kind in Sicherheit wissen wollte.

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