Kapitel 62

7.7K 177 27
                                    

„Wir müssen gleich los!", verkündet Barbara hektisch, als sie das Badezimmer betritt, in dem Kat mir soeben ein Make-Up verpasst und mir das Haar zu einer wunderschönen Hochsteckfrisur gezaubert hat.

Als Barbaras Blick auf mich trifft, hält sie augenblicklich inne. Ihre angespannten Gesichtszüge werden weicher und ihre rot angemalten Lippen formen sich zu einem Lächeln.

„Was sagst du?", frage ich nervös und blicke an mir herab.

„Du siehst atemberaubend aus", versichert Barbara mir und presst ihre Lippen aufeinander. Offensichtlich muss das ein rührender Moment für sie sein, denn ihre Augen füllen sich mit Tränen, die sie mühsam versucht zurückzuhalten, da sie sonst ihr Make-Up ruinieren würden, welches sie heute trägt. „Du bist so schnell erwachsen geworden", stellt sie mit brüchiger Stimme fest und zieht mich in eine vorsichtige Umarmung.

Ich schlinge meine Arme um sie, um ihre Umarmung zu erwidern. Barbara. Meine leibliche Mutter, die mein Leben lang als unser Hausmädchen an meiner Seite gelebt hat, um ihr einziges Kind aufwachsen zu sehen. Dafür hat sie sogar in Kauf genommen, sich nicht von dem Mann lösen zu können, der ihr Leben zerstört hat.

Natürlich ist diese Neuigkeit für mich wie ein Schlag ins Gesicht gewesen, doch statt ihnen böse zu sein, schätze ich mich lieber glücklich. Denn mit Barbara und der Frau, von der ich mein Leben lang geglaubt habe, sie sei meine Mutter, habe ich nun sogar zwei Mütter, die mich bedingungslos lieben.

„Ich habe dich lieb, Barbara", sage ich mit einem Lächeln auf den Lippen und vergrabe mein Gesicht in dem braunen Haar, welches ihr wellig über die Schultern fällt.

„Ich dich auch, Liebes", erwidert sie und haucht einen Kuss auf meine Stirn.

„Ich möchte den Moment ungern sprengen, aber wir sollten nun wirklich los, sonst kommen wir zu spät", ertönt die Stimme von Hugo hinter uns. Carlos Fahrer steht in einem schwarzen Smoking bekleidet und mit vor dem Körper verschränkten Fingern im Türrahmen und blickt erwartungsvoll zwischen Kat, Barbara und mir hin und her.

Aufgeregt streiche ich den fließenden Stoff meines Brautkleides glatt. Das Herz in meiner Brust rast und auch mein Atem geht schnell und ungleichmäßig.

„Tief durchatmen", erinnert Barbara mich und legt eine Hand an meine Wange. „Diesen Tag wirst du nie mehr vergessen, denn das wird einer der schönsten Tage in deinem Leben sein"

Sie hat recht. Schon als kleines Mädchen habe ich stundenlang von diesem Tag geträumt. Nun ist er gekommen.

Gemeinsam mit Kat, Barbara, meiner Mutter und Hugo begeben wir uns zum Auto. Meine Mutter und Kat helfen mir mit dem Kleid in den Wagen und passen auf, dass nichts dreckig wird, während Barbara und Hugo die Trauringe und Körbe mit den Blütenblättern in den Kofferraum verfrachten.

Die Stimmung im Wagen ist ausgelassen und obwohl ich mich unendlich auf diesen Moment freue, überkommen mich, warum auch immer, plötzlich diese Angst und diese Zweifel.

Was, wenn etwas nicht nach Plan läuft?

Was, wenn Carlos es sich doch anders überlegt und mich nicht heiraten möchte?

„Wir sind da", verkündet Kat freudig und rüttelt sachte an meinem Arm, um mich aus den Gedanken zu reißen, in denen ich mich geradezu verliere.

Mein Blick fällt aus dem Fenster zu der Kirche, deren Tür offen steht und vor welcher sich bereits viele Leute versammelt haben. Darunter erkenne ich auch Lucian, der vor der Tür steht und ein paar Freunde und Mitarbeiter von Carlos begrüßt, die ich bisher nur flüchtig kennengelernt habe. Dennoch freue ich mich, dass sie erschienen sind.

Make me love you Where stories live. Discover now