Kapitel 43

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Seit unserer Verlobung sind einige Tage vergangen. Carlos ist viel in der Firma, weshalb ich die Nachmittage damit verbringe im Atelier seiner Mutter zu malen.

Ein leises Klopfen an der Tür lässt mich innehalten. Ich drehe mich zu dieser um.

„Kann ich reinkommen?", fragt Barbara und steckt ihren Kopf in den Raum. „Es gibt eine Sache, über die ich mit dir reden muss"

Ich nicke. Da es ernst klingt, lege ich den Pinsel auf der Palette ab.

„Es geht um deinen Vater", teilt Barbara mir mit. Das Herz in meiner Brust setzt einen Schlag aus und ich spüre, wie meine Knie weich werden. „Er ist aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die Polizei hat ihn abgeführt und der Prozess beginnt nächste Woche"

„Ich kann ihm noch nicht unter die Augen treten", teile ich Barbara mit und fasse mir kopfschüttelnd an die schmerzende Brust.

„Ich weiß", seufzt die Frau mittleren Alters und kommt einen Schritt auf mich zu, um mich in den Arm zu nehmen. „Aber du bist nicht allein. Du hast deine Mutter und mich.. und Carlos"

Carlos.

Mit meinem Daumen spiele ich an dem Ring an meinem Finger herum. Bisher habe ich es gemieden ihn in der Gegenwart von Barbara und meiner Mutter zu tragen. Barbara weiß zwar, dass Carlos mir den Ring vor ein paar Wochen als Versprechen gab, jedoch weiß sie nicht, dass wir nun offiziell verlobt sind.

Den richtigen Moment es ihr und meiner Mutter zu erzählen gab es bisher einfach noch nicht. Meine Mutter ist mit ihren Gedanken ständig woanders und ist völlig fertig und Barbara versucht bestmöglich für sie da zu sein.

Von Barbara könnte ich mir vorstellen, dass sie hinter meiner Entscheidung steht. Doch ich weiß ich einfach nicht, wie meine Mutter reagieren würde, wenn ich ihr mitteile, dass ich Carlos nach allem, was passiert ist, heiraten möchte.

„Kann ich dir etwas erzählen?", erkundige ich mich bei der Frau mittleren Alters. Wir lösen uns aus unserer Umarmung und sie sieht mich besorgt an.

„Was ist los?", fragt sie.

„Es ist nichts Schlimmes.. im Gegenteil", sage ich und halte meine linke Hand in die Höhe. Barbaras Augen weiten sich, als sie den Ring an meinem Finger entdeckt.

„Ist das..", setzt sie an und greift nach meiner Hand, um einen genaueren Blick auf den Ring zu werfen. „Wann ist das passiert?"

„Vor ein paar Tagen..", antworte ich.

Nachdem Barbara für einen Moment grübelnd an die gegenüberliegende Wand blickt, scheint es ihr einzuleuchten. „Und ich habe mich gewundert.. nachdem du und Carlos euch am Abend zuvor noch gestritten habt warst du am nächsten Morgen ziemlich gut gelaunt..", stellt sie fest. „Das war wohl der Grund dafür"

Meine Gedanken wandern zu jenem Abend zurück, an dem Carlos und ich eine kleine Auseinandersetzung gehabt haben. Er hat sich bei mir entschuldigt und mir erzählt, dass es Probleme mit Leuten gäbe, die angeblich der spanischen Mafia zugehörig seien. Carlos sagte außerdem, dass er Angst habe, mich zu verlieren, falls er sein Versprechen nicht einhalten kann.

Auch denke ich daran, wie ich ihm meine Gefühle gestand und wir uns küssten und schließlich miteinander schliefen. Allein der Gedanke daran entfacht ein warmes Kribbeln in meinem Bauch.

„Es gibt noch eine Sache, die ich dir erzählen möchte", gestehe ich der Frau, mit der ich immer über alles geredet habe. „Carlos und ich haben miteinander geschlafen"

Sie wirkt ein wenig überrascht von meinem plötzlichen Geständnis. Doch nur wenige Sekunden später formen sich ihre Lippen zu einem Lächeln.

Ich erinnere mich noch an meinen ersten Freund, den ich mit 15 gehabt habe und der mich abblitzen lassen hat, weil ich nicht mit ihm schlafen wollte. Natürlich war ich am Boden zerstört und obwohl ich meine beste Freundin Kat hatte, ist Barbara schon immer die Person gewesen, zu der ich als erstes ging, wenn mich etwas belastete.

Damals sagte sie mir, dass ich mich niemals zu etwas drängen lassen solle, zu dem ich nicht bereit bin. Als ich sie fragte, woher ich wissen soll, dass ich bereit bin sagte sie bloß, dass ich es merken werde, wenn der Moment gekommen ist.

Natürlich nehmen ihre Worte nach dem, was ich über meinen Vater und sie erfahren habe eine ganz neue Bedeutung für mich an, doch heute weiß ich, was Barbara damit gemeint hat, als sie mir das gesagt hat.

„Es war sehr unerwartet, aber es war wirklich schön", erzähle ich der Frau. Barbara hört mir aufmerksam zu, wobei sie mir lächelnd über das braune Haar streicht.

„Ich freue mich für dich", erwidert sie und wirft einen erneuten Blick auf meinen Ring. „Und du glaubst gar nicht wie froh ich bin, dass sich unsere Beziehung zueinander nach all den Strapazen nicht verändert hat.."

Mit Strapazen meint Barbara, dass sie und meine Mutter mir mein Leben lang verschwiegen haben, dass Barbara in Wahrheit meine leibliche Mutter ist und die Frau, die ich all die Jahre für meine Mutter gehalten habe, niemand ist.

„Ihr habt mich enttäuscht..", erwidere ich und sehe Barbara ernst an. „Aber ihr hattet eure Gründe. Und ich liebe euch beide und möchte mich nicht mit euch streiten"

Barbara senkt ihren Blick und wischt sich mit dem Handrücken einige Tränen fort, die ihr über die Wangen laufen. „Du solltest deiner Mutter übrigens noch nichts über die Verlobung erzählen", schlägt Barbara mir vor. „Bei allem, was in letzter Zeit auch mit deinem Vater passiert ist, geht es ihr nicht sonderlich gut. Du solltest den Prozess abwarten"

Ich nicke.

Barbara hat recht. Im Moment ist alles sehr kompliziert und ich kann nur erahnen, wie schwer die Situation auch für meine Mutter sein muss. Sobald mein Vater verurteilt und seine auf Lügen und Intrigen aufgebaute Firma endgültig aufgelöst wurde, wird allmählich alles wieder zur Normalität zurückkehren.

„Wollen wir zusammen kochen?", wechsele ich das Thema und sehe Barbara lächelnd an. Das haben wir damals immer getan, wenn meine Eltern nicht zu Hause waren und wir das Haus für uns alleine hatten.

„Nichts lieber als das", erwidert sie und zwinkert mir zu.

„Ich räume noch auf und komme gleich runter", teile ich ihr mit. Barbara verlässt das Atelier und ich beeile mich alle Pinsel zu reinigen und alles an seinen ursprünglichen Platz zurückzustellen.

***

Mein mittlerweile fertiges Gemälde lasse ich erst einmal stehen, damit es noch trocknen kann, woraufhin ich mich zu Barbara nach unten in die Küche begebe.

Es ist ungewöhnlich still im Haus. „Barbara?", rufe ich durch den Flur. Verwirrt betrete ich die Küche und sehe mich um, als ich sie bewusstlos und mit einer Platzwunde an der Stirn auf dem Boden liegend vorfinde.

„Oh mein Gott", sage ich schockiert und will zu ihr laufen, als sich ein Arm um meinen Hals schlingt und ich an jemandes Brust gezogen werde. Erschrocken schnappe ich nach Luft und will um mich treten, als mir dieser Jemand eine Waffe an die Schläfe drückt.

Ich will schreien, doch eine große Hand, die sich auf meinen Mund und meine Nase legt und kräftig zudrückt, erstickt meinen Schrei.

„Wag es nicht zu schreien, puta. Sonst sterbt ihr beide", knurrt eine männliche Stimme mit Akzent an meinem Ohr.

Er nimmt seine Hand von meinem Mund und packt mich stattdessen am Oberarm, während er mir mit der anderen Hand noch immer den Lauf seiner Waffe an die Schläfe drückt. Der Mann mit dem spanischen Akzent entsichert sie und sämtliche Muskeln meines Körpers spannen sich vor Angst an.

„Bitte..", flüstere ich ängstlich und spüre die Tränen, die mir unaufhaltsam über die Wangen laufen.

„Halt dein Maul, sonst knall ich dich ab!"

Der Mann zerrt mich am Arm aus dem Haus zu einem Wagen, der vor der Tür steht. Für den Bruchteil einer Sekunde lässt er mich los, um die Autotür zu öffnen.

Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, als ich seine Hand wegschlage und weglaufen möchte. Doch ich bereue es kaum eine Sekunde später, denn der Mann holt mich blitzschnell ein und verpasst mir einen kräftigen Schlag gegen die Schläfe.

Meine Sicht verschwimmt und meine Knie geben unter meinem Gewicht nach, weshalb ich auf dem Boden zusammensacke und das Bewusstsein verliere.

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