Kapitel 50

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Fünf Minuten dauert es, bis das Ergebnis des Schwangerschaftstest angezeigt wird, welchen Barbara mir aus der Apotheke geholt hat.

Diese fünf Minuten kommen mir wie eine unerträgliche Ewigkeit vor. Es sind die längsten fünf Minuten meines Lebens.

Ich schaffe es keine zehn Sekunden neben Barbara, die auf dem Badewannenrand sitzt und gemeinsam mit mir auf das Testergebnis wartet, sitzen zu bleiben. Stattdessen springe ich immer wieder auf und laufe unruhig in dem Badezimmer auf und ab.

Carlos ist auf einem Firmenmeeting, weshalb er von all dem nichts mitbekommt. Bislang habe ich mich nicht getraut, ihm von meiner Befürchtung schwanger zu sein, zu erzählen. Zu groß ist meine Angst davor, wie er darauf wohl reagiert; wird er wütend sein, schockiert oder wird er sich freuen?

„Ich glaube die fünf Minuten sind vorbei", stellt Barbara mit einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr fest. Das Herz in meiner Brust beginnt zu rasen und ich spüre den Druck auf meiner Brust.

Doch ich wage es nicht, mich vom Fleck zu rühren. Wie angewurzelt stehe ich mitten im Badezimmer und blicke in die Richtung, in der der Test liegt. Einerseits möchte ich wissen, wie das Ergebnis ausgefallen ist, doch auf der anderen Seite habe ich auch Angst. Was, wenn er tatsächlich positiv ist?

Ich nehme einen tiefen Atemzug durch meine Nase, halte die Luft an und zähle bis zehn.

Ich muss mich beruhigen.

Egal, wie das Ergebnis ausfällt; es wird alles gut.

Jedenfalls ist es das, was ich mir selbst versuche einzureden.

Ich atme die Luft durch meinen Mund wieder aus und greife nach dem Schwangerschaftstest, der auf der Ablage des Spiegelschrankes liegt. Ich schließe meine Augen und halte kurz inne, ehe ich auf das Ergebnis blicke.

Zwei Striche.

Das Herz in meiner Brust setzt einen Schlag aus.

Zwei Striche. Zwei. Nicht einer, sondern zwei.

Schwanger.

Ich bin schwanger.

Der Test gleitet mir aus den zittrigen Fingern und fällt zu Boden. Tränen laufen mir über die Wangen und ich beginne zu schluchzen. Meine Knie drohen unter meinem Gewicht nachzugeben, weshalb ich mich am Waschbecken abstützen muss.

Barbara scheint sofort zu wissen, was los ist. Sofort erhebt sie sich vom Badewannenrand und nimmt mich in den Arm, um mich zu beruhigen. Mein gesamter Körper zittert und ich weine bitterlich.

Ich bin noch nicht bereit dazu, Mutter zu werden. Nicht jetzt. Ich weiß nicht einmal, wie ich Carlos damit begegnen soll.

„Du musst es Carlos sagen", sagt Barbara und streichelt beruhigend mit ihrer Hand über meinen Rücken.

Sofort löse ich mich von ihr und sehe sie fassungslos an. „Nein, ich kann es ihm nicht sagen", erwidere ich und schüttele mit dem Kopf. Momentan läuft es zwischen Carlos und mir gut, unsere Beziehung läuft gut. Doch ich befürchte, dass diese Neuigkeit das, was wir uns aufgebaut haben, negativ beeinflussen wird. „Ich habe Angst.."

„Er ist der Vater. Du musst es ihm sagen", sagt Barbara erneut. Diesmal klingt ihre Stimme nachdrücklicher.

Bevor ich etwas erwidern kann, höre ich die Haustür ins Schloss fallen. Panisch sehe ich Barbara an, die den Schwangerschaftstest vom Boden aufhebt und ihn mir in die Hand drückt. „Belleza?!", schallt Carlos Stimme durch das Haus. „Wo bist du?"

Sofort schiebe ich den Test in die Tasche meines Cardigans und wische mir die Tränen aus dem Gesicht, ehe Barbara und ich das Badezimmer verlassen und in Richtung Treppe gehen, die Carlos soeben hinaufgestiegen kommt.

„Barbara", sagt Carlos überrascht und lächelt die Frau mittleren Alters an. „Was machst du denn hier?"

„Ich wollte bloß nach Emilia sehen", erwidert sie und blickt in meine Richtung. Das Herz in meiner Brust schlägt aufgeregt gegen meine Rippen und ich glaube jeden Augenblick umzukippen. Ich schiebe meine Hände in die Taschen meines Cardigans und umklammere den Test darin fest mit meinen Fingern. „Ich wollte aber gerade gehen.."

Nachdem wir Barbara zur Haustür begleitet und uns von ihr verabschiedet haben, will ich sofort nach oben gehen, um Carlos aus dem Weg zu gehen und mich hinzulegen. Aber Carlos greift nach meinem Arm und hält mich auf.

„Warte", sagt er. Vorsichtig legt er seine Hände an meine Schultern, um mich zu sich umzudrehen. „Was ist los, Emilia? Und jetzt sag bitte nicht, dass alles gut ist, denn du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht stimmt"

„Ich.." Tränen laufen mir über das Gesicht und ich schüttele den Kopf. Da ich es nicht über mich bringe, die Worte auszusprechen, ziehe ich den positiven Schwangerschaftstest aus der Tasche meines Cardigans und halte ihn Carlos hin.

Carlos Augen weiten sich. „Was.. was ist das?", will er wissen und reißt mir den Test aus der Hand, um selbst einen Blick darauf zu werfen. Mit leicht geöffneten Lippen blickt er zwischen dem Ergebnis und mir hin und her. „Ist das.. du bist.. wir werden.." Er schafft es nicht, die richtigen Worte zu finden.

„Ich bin nicht bereit dazu, Mutter zu werden. Ich will nicht so eine kaputte Familie haben, wie die, in die ich geboren wurde..", weine ich und spüre, wie meine Knie unter meinem Gewicht nachgeben. Ich lasse mich auf den Stufen der Treppe nieder und presse meine Handballen so fest in meine Augen, dass ich bunte Punkte sehe. „Ich habe solche Angst.."

Carlos greift nach meinen Händen, um sie von meinem Gesicht zu entfernen. Er kniet vor mir auf den Stufen. „Hör mir zu", sagt er und sieht mir tief in die verweinten Augen. Mit dem Daumen wischt er mir die Tränen fort, die sich unaufhaltsam ihren Weg über meine Wangen bahnen. „Dieses Kind, das in dir heranwächst, ist aus unserer Liebe zueinander entstanden. Das haben wir geschaffen. Du und ich. Und wir werden es auch schaffen, diesem Kind ein glückliches, sorgloses Leben zu bieten."

Plötzlich legt Carlos seine Hände an meinen Bauch und ich spüre die Wärme, die sich ausgehend von seinen Händen in meinem gesamten Körper ausbreitet.

„Ich habe auch mein Leben lang Angst davor gehabt", gesteht Carlos mir und sieht mir tief in die Augen. „Ich habe Angst gehabt als Vater zu versagen. Angst vor der Ungewissheit" Carlos hält inne und mustert mich. „Aber mit dir an meiner Seite habe ich keine Angst mehr, denn du machst mich zu einem besseren und glücklicheren Mann. Mit dir an meiner Seite ist alles möglich.."

„Ich liebe dich, Carlos", sage ich und falle ihm schluchzend um den Hals.

„Ich liebe dich, mi vida", erwidert Carlos und haucht mir einen Kuss auf die Schläfe. „Du machst mich glücklich"

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