das fünfte Kapitel

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Ich war alt genug, um mich selbst zu verteidigen. Immerhin ging es um bloße Worte, die mich nicht töteten. Nun sah es so aus, als bräuchte ich diesen Typen nur, um mich vor den bösen Jungs zu beschützen.
René war ein alter Klassenkamerad, der in die selbe Privatschule ging, wie ich und deshalb dachte, dass wir ein schönes Gespräch führen könnten, wobei mir meine Mutter diese Vorsicht bei Fremden jahrelang beigebracht hatte.

Als ich gerade tief aufseufzte, hörte ich, wie die Tür der Halle lautstark aufgestoßen wurde und ein wütender Nadal auf mich zukam.

Mir war mittlerweile schon aufgefallen, dass er eine besonders einschüchternde Ausstrahlung hatte. Zudem schien er immer gefasst und gleichzeitig so unheimlich desinteressiert und abweisend, dass es mich schon provozierte.

„Was zur Hölle sollte das?", knurrte er zornig, während er mir einen genervten Blick zuwarf. Woher nahm er sich das Recht nun mich anzumachen? So konnte er nicht mir sprechen.

„Was meinst du?", blaffte ich misstrauisch zurück und konnte nicht fassen, wie er die Augen rollte, als würde ihn all das so sehr anstrengen. Dabei war ich die Jenige, die diesen Typen satt hatte. Komplett satt.

„Du haust, ohne etwas zu Sagen, ab. Was hast du dir dabei gedacht?" Seine fragende Stimme hatte ebenfalls einen schimpfenden Unterton, als wäre er überhaupt in der Lage sich aufzuführen, wie mein Vater.

Trotzdem musste ich zugeben, dass mir die Art, wie er sich vor mich gestellt und zu René gesprochen hatte, komischerweise etwas gefiel.

Woher jedoch dieses Empfinden kam, war mir ein Rätsel, denn eigentlich wollte ich sauer sein. Wütend und sauer, da er sich in eine Angelegenheit eingemischt hatte, die ich offensichtlich selbst hinbekommen hätte.

„Ich musste weg von dir. Hörst du? Weg von dir", wiederholte ich und stieß mich von der Wand ab, an die ich mich gelehnt hatte.

In Nadals dunklen Augen sah ich diese Verständnislosigkeit, tiefen Abscheu und eine gewisse Distanz. Oh, ich verstand ihn und wie ich ihn verstand. Wir zeigten uns gegenseitig, wie wenig wir den Anderen leiden konnten.

Plötzlich schloss er die Augen und schien zu sich zu kommen. Dieser Wutanfall stand ihm nicht zu, denn ich war die Tochter der Person, die ihn bezahlte. Nur aus diesem Grund beruhigte er sich mit einem Mal. Ich fragte mich, wie er sich wohl verhalten würde, wenn er nicht wüsste, wer meine Eltern waren.

„Geh' rein", befahl er mir unverschämter Weise und ließ seine Augen genervt über meinen Körper wandern, ehe er mit dem Kopf zur Halle deutete.

„Und wenn du sagst spring, soll' ich fragen, wie hoch?" Abwartend verschränkte ich die Arme vor der Brust, doch als ich sah, wie seine Augen ganz kurz, so kurz, dass ich es fast nicht gemerkt hätte, zu meinem Dekolleté wanderten, nahm ich sie dort sofort weg.

Dios mío, was möchtest du dann? Möchtest du nach Hause?", zischte Nadal. Seinem Gesichtsausdruck zumute war er jeden Moment kurz davor die Nerven zu verlieren. Teilweise amüsierte es mich, dieses gegenseitige Provozieren und Necken, da er der erste Mann war, der sich solch ein Verhalten erlaubte, ohne danach unter der Erde zu liegen.

Ich wollte ihn bloß nur noch mehr herausfordern, da es begann Spaß zu machen, ihn weiterhin zu testen und zu sehen, wie lange er ein angestellter Bodyguard war und wann er zu seinem wahren Ich zurückkehrte. Wann würde er mental Feierabend machen?

Die Tochter des GangstersWhere stories live. Discover now