73.Henry

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Wie konnte das sein? Weshalb und wieso jetzt? Was machte Jonathan hier? So weit entfernt von unserem Schloss? Was hatte es mit diesen Leuten auf sich? Nun lag, wobei ich anfangs ja damit rechnete, dass sie es nicht sein konnte, auf der Hand, diese Frau, war eben jene ...

Ich verfolgte den Wagen des Magiers. Sie fuhren nicht sonderlich schnell, doch es reichte, um mich ins Schwitzen zu bringen. In meinem Kopf herrschte heilloses Durcheinander. Ich wollte Jonathan zwar finden, aber ... ausgerechnet hier? Wussten diese Leute denn nicht wer er war? Doch, die Zwillinge bestimmt! Einige Meter vor mir kam der Wagen auf einer Lichtung zum Stillstand. Normalerweise hätte ich gewartet und erst einmal die Lage überprüft, doch dies war in meinem derzeitig chaotischen Zustand nicht möglich. Weshalb ich mich sofort vor der Truppe zeigte. Es waren vier Leute. „Wo ist er? Wo ist Jonathan?" rief ich aus, worauf sie auf mich aufmerksam wurden. David warf mir einen fragenden oder mehr verwirrten Blick zu. „Jonathan? ... Woher ..." Doch ich ließ ihn nicht ausreden. „Was leitet ihn, mit Leuten wie euch durch die Gegend zu fahren?" Vor allem waren damit die Zwillinge gemeint, die nun aschfahl wurden. „Also! ... Wo ist er?" fragte ich nochmal nachdrücklicher.

„Was willst du von unserem Gefährten?" erkundigte sich Tamora sogleich, doch ignorierte ich sie, zog meinen Degen und nahm Haltung ein. Sie wichen natürlich zurück, als sie meine Waffe erblickten. Entsetzen trat in ihre Gesichter, bis sich einer von ihnen mutig nach vor traute und sich mir entgegenstellte. Er hob ebenfalls sein Schwert. „Ich weiß nicht, was du von uns, oder von Jonathan möchtest, aber wenn du anfängst uns zu drohen, kann ich nicht tatenlos zusehen." Nicht lange überlegend senkte ich meine Waffe, es musste eine bessere Lösung geben. Der Mann vor mir, der sein Schwert noch achtsam hielt, musste ein erfahrener Kämpfer sein. Zu gerne würde ich herausfinden, wie geschickt er tatsächlich sei, wäre da nicht Wichtigeres zu tun. „Richard, ... las es gut sein und dein Schwert sinken. Es hat genug Blut gesehen...", besänftigte Tamora ihn. „Vielleicht erläutert er uns dann von selbst, was genau er von Jonathan will." „Hmm ... Richard?"

Ich zog an meinem 'Ziegenbart'. „Moment mal? Sind sie etwa ...der berühmt, berüchtigte ... „Schnelle Richie"?" In meinem Kopf puzzelte sich gerade alles zusammen. Die Wachen in der königlichen Garde erzählten oft von einem Ritter, der tausende an Feinden mit seiner flinken Schwertkampfkunst bezwang. Und ich schien richtig zu liegen. Er lief Purpur rot an, vor Scham? War aber auch ein bescheuerter Name. „Schneller Richie", wer wollte denn schon so heißen? „Na so was, das bedeutet, eure kleine Truppe besteht aus: einem Deserteur der Garde, einem flüchtigen Adeligen, der sich der Hexenkunst bedient, einem ehemaligen Sklaven Zwillings Pärchen, dass den König Englands betrug und diesem ..." Doch bevor ich das Wort „König aussprechen konnte, unterbrach mich ein Ruf von hinten. „Henry! ... Henry nicht!" Es war Margarethas Stimme, völlig außer Atem.

Ich fuhr herum, nur um kurz darauf beinahe Nasenspitze an Nasenspitze mit meinem Bruder zu stehen. „Jo ... Jonathan", stammelte ich verdattert und wurde energisch von ihm in eine Umarmung gezogen. „Oh Henry, Cousin! Schön dich zu sehen. Habt ihr beiden mich also erspäht und wolltet mich suchen, ... nicht wahr?" Ich wollte schon fragen was der Schwachsinn sollte, als er beinahe flehend in mein Ohr flüsterte, ich müsste mitspielen. Es fiel mir nicht leicht, meinen Protest zurückzuhalten, nur Margarethas ermahnender Blick hielt mich davon ab. Jonathan hatte mich mittlerweile wieder ein Stück von sich geschoben und musterte mich eindringlich. „Du hast dich ja ganz schön verändert seit wir uns das letzte Mal sahen. Groß bist du geworden." Dann fiel sein Blick wohl auf meine Flecken und ein besorgter Ausdruck schlich sich in sein Gesicht. „Wie ist das passiert?" Er wies auf meine Haare und die bleichen Stellen. „Ach das erzähl ich dir später "lieber Cousin". Wie schön, dich endlich wiedergefunden zu haben", brachte ich überzeugend heraus, konnte mir einen leicht sarkastischen Unterton jedoch nicht verkneifen.

„Er ist dein Cousin, John? ... Wirkte vorhin aber ein wenig stark begierig darauf, zu erfahren wo du seist." erkundigte sich der „schnelle Richie" als Erster. Tamora und ihr Bruder schienen wie versteinert, doch wusste ich nicht ob es wegen meiner vorherigen Worte war, oder weil sie erkannten um wen es sich bei mir handelte. David sah ebenfalls etwas zweifelnd aus, weshalb ich noch mehr Glaubhaftes hinzusetzte. „Ja ja, tut mir leid, ... ich hörte von der Zaubershow und erkannte ihn. Mein erster Gedanke war, ihr hättet ihn eingesperrt und dazu gezwungen euren Ziegenbock zu spielen, deshalb der stürmische Überfall", flunkerte ich. Zwar eine lasche Lüge, doch sie erfüllte ihren Zweck.

„Wenn alle Unstimmigkeiten geklärt sind, nehme ich an, heute Abend für zwei Personen mehr zu kochen", meldete sich David, nickte nur in meine Richtung und begann die Tiere zu versorgen. Ein eigenartiger Typ. Er konnte mich nicht leiden, das spürte ich. Margaretha freute sich über die „Einladung", denn als mein Blick zu ihr schweifte, nickte sie wie wild mit dem Kopf. Henriette und Ashley waren zu Hause gut versorgt, es sollte also kein Problem darstellen, über Nacht zu bleiben. So fände ich vielleicht auch noch eine Gelegenheit mit Jonathan alleine zu sprechen und mir seine Situation erklären zu lassen.

Vorerst wurden wir alle miteinander bekannt gemacht. Die Gruppe entpuppte sich als durchaus nette "Familie" und wir verbrachten gemütliche Stunden bei gutem Essen und Musik. Es war einer dieser lauen, langen Sommerabende, an denen es erst spät dunkel wurde und die Grillen ihre Lieder sangen. Ich setzte mich mit meinem Bruder etwas abseits der anderen ins Licht der untergehenden Sonne und sah in fragend an. „Was hast du mir zu sagen, "Cousin"?"

I was King (Deutsche Version)Where stories live. Discover now