68.Henry

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„Guten morgen, Henry, was verschlägt dich denn schon so früh hierher?" erkundigte sich Kajetan, der mit einem Eimer, Wasser aus dem Brunnen holte. „Lange nicht gesehen", gab ich zurück, stieg von Ashley und ging auf ihn zu. „Ist alles in Ordnung bei euch. Wie geht es meinen Schützlingen?" fragte ich und nahm ihm einen der Kübel ab. Gemeinsam schlenderten wir in Richtung Haus und er erzählte mir von der Arbeit, den neuen Kindern und dem glücklichen Leben, dass sie nun führten. „Und du? Ich hörte die tolle Nachricht von dir und Margaretha. Ihr wohnt nun in einem Häuschen am Stadtrand, nicht wahr?" 

Tatsächlich! Ein halbes Jahr zog ins Land, seid der Entführung der Mädchen. Viel war passiert, einige Aufträge, der Umzug, Besuche bei Bekannten, die mich bewundernd und freudestrahlend begrüßten. Auch Noah, ja besonders er lag mir am Herzen. Die Wiedersehensfreude war groß, auch Joachim der Bauer staunte nicht schlecht über mein selbstbewusstes Auftreten. Er lachte als Noah "ehrfürchtig", wie er es nannte, mein weißes Haar betastete und angewidert zurückwich, nachdem er die eingebrannten Worte auf meiner Brust erblickte. „Du bist ein tapferer Junge, ... ach was ... Mann, meine ich!", bemerkte mein Freund erstaunt und klopfte mir auf die Schulter. „Ich wusste, aus dir wird noch mal was." Wir lachten ausgelassen und ich erkundigte mich neugierig nach Henriette, meiner ersten wahren Freundin. Die Henne war alt geworden, mehr als 2 Jahre waren für so ein kleines Tier eine lange Zeit. Doch anstatt darüber traurig zu sein, versuchte ich alles, um noch ein „Freudengackern", wie ich es nannte, aus ihr herauszubekommen, in dem ich sie streichelt und liebkoste. Natürlich blieb dies nicht unbemerkt und als Joachim in den Stall kam, um nach dem Rechten zu sehen, machte er mir ein großzügiges Angebot. „Ihr zwei, diese Henne und du, wart immer schon ein Herz und eine Seele. Du kannst sie haben, ... sie legt nur noch selten Eier und für einen Braten ist sie bereits zu alt und zäh, also ..." Ich sah ihn erstaunt an. Niemals dachte ich an so eine liebenswürdige Geste von seiner Seite. „Was kostet mich meine gefiederte Schönheit, ich kann sie bezahlen", lachte ich erfreut. Der Bauer und auch Noah, der sich zu uns gesellt hatte, winkten abwehrend. „Hör schon auf! Sie gehört dir, oder willst du sie nicht?" „Nein! Ich meine JA, ... ja natürlich nehme ich sie!" Und als ob Henriette meine Worte verstanden hätte, schlüpfte sie unter meinen Arm und gackerte zufrieden.

Ich bedankte mich überschwänglich vor Freude und umarmte Noah. Er war ein besonderer Mensch. Durch seine hilfsbereite Art lernte ich erst mit dem rauen Leben eines Stallburschen umzugehen. Mit seiner Geduld und aufmunternden Worten, zeigte er mir, dass noch viel mehr in mir steckte als der verwöhnte, trotzige Königssohn.

Das Bedeutsamste in der Zeit nach der Rettung war jedoch, dass Margaretha und ich beschlossen, zusammen zu ziehen. Nach langem Überlegen und dem Einverständnis ihrer Eltern, einigten wir uns auf ein kleines Haus, eingebettet von Wiesen und Feldern. Mein Gefühl sagte mir, hierher zu gehören. Ich kannte bereits die Umgebung, jeder Winkel dieser Stadt war mir vertraut. Und auch wenn es gegen die Regeln verstieß, so nahe an der Grenze zu England ein Haus mit Hof zu besitzen, besaß ich die ausdrückliche Erlaubnis des Königs. Es waren friedliche Zeiten, niemand würde es wagen uns anzugreifen. Was also bitte sollte mich dazu bringen, dieses Leben nicht zu genießen. Nur selten dachte ich zurück, all die schlimmen Erinnerungen verblassten und wichen einer inneren Ruhe, die ich zu vor nie hatte. Einzig und allein meine auffälligen Merkmale zeigten Einblicke auf meine Vergangenheit.

Eine Kinderstimme riss mich aus meinen Gedanken. „Oh Henry, Henry! Schön, dass du da bist! Ich möchte dir unbedingt das Haus zeigen." Es war Mary, mit der schüchternen Klara an der Hand, die nun aufgeregt auf mich zu liefen. Ich schloss beide zur Begrüßung in meine Arme. „Ihr seid gewachsen", lachte ich. „Benehmt ihr auch recht artig? Und ärgert Kajetan nicht?" „Ach Henry, ... er ist so streng mit uns", beschwerte sich Mary mit einem Schmollmund. „Ja, ... und ... und er kann auch bei Weitem nicht so tolle Geschichten erzählen wie du", fügte Klara noch eindringlich hinzu. „Ihr kleinen frechen Gören! Lasst mich mit unserem Gast zuerst ein paar Worte wechseln, dann könnt ihr ihn in Grund und Boden reden. Kümmert euch um die Stute. ... Hop, Hop!" schimpfte Kajetan, lächelte den beiden aber freundlich zu.

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, da ich die Zeit nutzen wollte, die mir bis zu meinem nächsten Auftrag blieb. Erst in drei Tagen wurde ich im Königsschloss erwartet und so fand ich endlich Zeit, meine Freunde zu besuchen.

Als mich die Mädchen schließlich in Beschlag nahmen und herumführten, staunte ich über die vielen Veränderungen. Nun lernte ich auch die neuen kennen und kam natürlich nicht ohne eine spannende Erzählung aus ihren „Fängen".

Es war um die Mittagszeit, als ich mich von allen Verabschiedete und in Richtung Stadt ritt. Ich trug meinen schwarzen Hut über meine immer noch weißen Haare, von denen ich nach wie vor nicht glaubte, dass sie jemals wieder schwarz werden würden und mein Kinn zierte ein Bärtchen. So konnte ich in der Stadt unerkannt bleiben, da ich als Spion des Königs arbeitete. Margaretha und ich wollten uns am Marktplatz treffen, um ein paar Einkäufe zu erledigen. Doch schon von Weitem bemerkte ich den Aufruhr. Die Leute riefen durcheinander und ich verstand nur einen Bruchteil von dem eigentlichen Grund dieses Tumultes. Wortfetzen wie: „Ein Magier, habt ihr gehört? ... Sie kommen hierher! ... Es ist unglaublich! ... Schon so viel über ihn gehört!" Ich stutzte. Wegen einem herumreisenden Gaukler oder Scharlatan machten alle so einen Aufstand? „Unglaublich ...", murmelte ich und im selben Moment legten sich von hinten zwei Hände über meine Augen. 

„Was ist unglaublich?" fragte eine mir bekannte weibliche Stimme und dann lehnte sich jemand sanft an mich. „Margaretha ..." ich drehte mich zu ihr und küsste sie zärtlich. „Wartest du schon lange? ... Es tut mir leid, die Mädchen ..." Sie schenkte mir einen verständnisvollen Blick und wir versuchten uns durch die Menge zu drängen. „Was soll dieser ganze Aufstand? Alles nur wegen einem Magier, der die Leute mit seinen faulen Tricks in Begeisterung stürzt?" Es war schon öfter vorgekommen, dass sich so einer hierher verschlug, doch meistens wurden sie einfach davongejagt oder ausgelacht. Niemanden interessierte so etwas wirklich. Margaretha schien jedoch einer anderen Meinung zu sein. Da sie öfter am Markt stand und mit den anderen über die neuesten Vorkommnisse sprach, wusste sie um einiges mehr als ich. „Nein, nein, ... es soll nicht nur ein Mann sein, sondern eine ganze Truppe, mit vielen Tieren und ... halt dich fest, ... zwei Einhörnern", meinte sie geheimnisvoll. „Waaas? Du meine Güte zwei Pf...!" Ein strafender Blick von ihr ließ mich augenblicklich verstummen. „Ich möchte sie auf jeden Fall sehen! Und du wirst mich begleiten, verstanden?" protestierte sie fast schon wie ein bockiges Kind, dass ich gar nicht anders konnte, als zu zu sagen. „Tut mir leid, ... natürlich werden wir sie uns ansehen. Auch wenn das ganze zu ..." „Wir sollten jetzt keine Zeit mehr verlieren. Komm ich benötige ..." Es folgte eine endlose Liste an Lebensmitteln und Dingen, die sie besorgen wollten und hinderte mich so daran, über Zauber und Magie zu schimpfen.

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I was King (Deutsche Version)Where stories live. Discover now