60.Henry

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„Nein, nein und nochmals nein, Henry! Du musst fokussiert bleiben. In einem Fechtkampf verlierst du, wenn du nicht vollkommen bei der Sache bist!" belehrte mich Sir Arthur William Oldenburg. Der König hatte ihn mir als Lehrmeister aufgedrängt, kurz nachdem ich vor zwei Monaten hier ankam. Er solle mich in die Künste der Selbstverteidigung und die des Fechtens einweihen. Einer meiner größten Fehler war, es wohl anfangs zu fragen, weshalb man nicht einfach mit Schwertern kämpfte, denn darauf bekam ich lang und breit erklärt, dass Schwerter nur etwas für klobige Rüpel, wie die Wikinger, seien und die wahre Kunst im Schwung des Degens läge. Passend für ein Musketier!

Ich gewöhnte mich langsam im Hof ein. Die anderen Wachen waren freundlich und erzählten gerne Geschichten, aus früheren Zeiten, von ihren Helden und den Rittern der vielen Burgen im Reich. Jedoch auch von alltäglichen Dingen was das Volk betraf. Seit ich hier eingetroffen war, kam kein einziger Auftrag von Siegfried. Er wollte, dass ich trainierte und dies tat ich inbrünstig. Innerhalb dieser zwei Monate war neben dem Training nicht viel passiert. Arthur nahm das Ganze, nun gut, ich denke er nimmt generell alles sehr ernst, und machte es mir bei Gott nicht leicht. So verausgabte ich mich täglich bis zum Umfallen, dass ich abends nur noch meinen Schlaf benötigte. Nur ab und zu setzte ich mich nachts auf die Stufen, die zum Graben hinunterführten, sah in den Sternenhimmel, dachte nach, oder spielte leise auf einer Gitarre, die mir Arthur für meine Fortschritte im Unterricht schenkte. Dabei erinnerte ich mich an die Nachmittage mit Margaretha zurück. Wie es ihr wohl erging? Ich konnte sie damals nicht mehr treffen, da, wie ihr Vater mir erzählte, sie zu einem Verwandten gebracht wurde, um ihm mit den Kindern und auf dem Hof zu helfen. Gerne hätte ich sie wiedergesehen, ihr gesagt, wie dankbar ich ihr für ihre Hilfe sei, dass ich so oft an sie denke musste und dabei jedes Mal ein warmes Gefühl in meiner Brust spürte. ... Ja, ich würde es ihr sagen, ... sobald wir uns wieder trafen.

Am Ende der nächsten Woche erklärte Arthur das Intensivprogramm für weitest gehend abgeschlossen und das erste Mal seit meiner Ankunft hier, rief der König nach mir. Ich wechselte meine schäbigen Alltagsklamotten gegen das feine Hofgewand, das für mich angefertigt wurde und kämmte durch mein weißes Haar. Könnte ich nun endlich meine mühevoll erarbeitete Fechtkunst einsetzen?

„Henry Morchester, ... schön sie so munter wiederzusehen. Arthur hat mich regelmäßig über eure Fortschritte im Training berichtet. Er ist sehr zufrieden mit ihnen, das soll was heißen." Ich nickte, meine Stärke in der Verteidigung und im Angriff waren auf jeden Fall gestiegen. Mein Körper zeigte sich beweglicher als zuvor und ich lernte ein paar nützliche Griffe, um meine Gegner zu Boden zu bringen. Ich war also ebenfalls zufrieden mit mir.

„Was ist es, dass mich nun hier stehen lässt?" erkundigte ich mich neugierig. Der König lächelte und lies mich etwas zappeln, bis er mit der Sprache herausrückte. „Ich habe einen Auftrag, den zu erfüllen ich sie bitten möchte, Henry." Ich spitzte die Ohren. Was würde es sein? „Ich habe gehört, das im Dorf immer mehr junge Mädchen verschwinden, man weiß nicht viel darüber, die Wachen konnten leider nichts in Erfahrung bringen, da die betroffenen Familien aus Angst vor den Entführern, keine Hilfe sind. ... Hier kommen sie ins Spiel. Gehen sie der Sache nach, finden sie heraus warum diese Frauen verschwinden, wohin sie gebracht werden und wer dahintersteckt. Ich kann doch auf sie zählen Sir Henry, nicht wahr?" „Natürlich! Sehr wohl, eure Majestät!" antwortete ich und daraufhin teilte er mir noch mit, dass ich unerkannt bleiben sollte. Es würde die Ermittlungen erleichtern.

Da ich im Schloss stehts eine Perücke trug, wegen meiner auffälligen Haarpracht und mir einen Bart wachsen ließ, sollte mich keiner der Wachen als Spion erkennen, wenn ich aus der Truppe ausstieg. Höchste Präzision war jetzt gefragt. Mit Proviant und einigen Dingen, die mir die Bedienstete bereitstellte, machte ich mich also auf den Weg. Die Worte des Königs echoten noch in meinem Kopf. Ich spürte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Und ich lag richtig, es würde mich mehr betreffen als mir lieb war.

I was King (Deutsche Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt