Northeastern Hospital

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Als wir im Krankenhaus ankamen, hatte ich inzwischen nochmal fünfmal versucht, Marc zu erreichen und noch dreimal Marys Nummer gewählt. Er ging weiterhin nicht an sein Handy, genausowenig wie sie, und ich machte mir immer mehr Sorgen. Hatten die Hounds of Hell sie schon gefunden? Waren sie vielleicht schon...? Daran wollte ich gar nicht erst denken. Vielleicht hatte er auch sein Handy weggeworfen, weil er Angst hatte, die Nummer könnte geortet werden. Dann hätte ich gar keine Chance, die beiden zu finden und zu warnen.

Tyler und David waren ins Northeastern Hospital eingeliefert worden. Als wir dort ankamen und nach ihnen fragten, wollte die Dame am Empfang erst einmal einen Ausweis sehen, weil sie nur Familienangehörige zu ihnen lassen wollte. Dann fragte sie nach unseren Eltern, woraufhin ich grummelte, die wären beschäftigt.

Tyler und David lagen auf zwei verschiedenen Stationen und so gingen wir zuerst zu Tyler, der auf einer normalen Station lag. Er war in einem Zimmer mit mehreren Betten untergebracht worden und ließ sich gerade von dem Jungen im Bett neben ihm vollquatschen, während er abwesend an die gegenüberliegende Wand starrte.

Als wir die Tür öffneten, schwenkte sein Blick zu uns und Erleichterung huschte über sein Gesicht. Schnell sprang er aus dem Bett und ich schloss ihn erleichtert in die Arme. Er sah zwar etwas blass aus und um sein linkes Auge hatte sich ein fettes Hämatom gebildet, doch ansonsten schien er einigermaßen in Ordnung zu sein.

„Tyler, wie geht es dir?", fragte ich ihn, als er sich aus meiner Umarmung löste. Er zuckte mit den Schultern.

„Ganz in Ordnung. Die haben gesagt, eine Rippe wäre gebrochen und ich hätte eine Gehirnerschütterung, deswegen wollten sie mich auch die Nacht über dabehalten. Aber ich fühle mich ganz gut. Auch die Grippe ist fast wieder weg." Er musterte mich besorgt. „Was haben sie...? Geht es dir gut?", fragte er zögerlich. Mir ging es alles andere als gut, aber damit musste ich ihn nicht auch noch belasten. Daher nickte ich nur und lächelte ihn beruhigend an.

„Fühlst du dich gut genug, um mit zu David zu kommen?", fragte ich und Tyler nickte, auch wenn sein Blick sorgenvoll wurde. Seine Klamotten lagen zusammengefaltet neben seinem Bett und er verschwand kurz auf dem Klo, um sich umzuziehen. Als er wieder rauskam, sah er so aus, als fühle er sich wieder deutlich wohler in seiner schwarzen, löchrigen Jeans und mit dem T-Shirt von Guns n'Roses, das er von Marc geerbt hatte.

Zu viert liefen wir einmal quer durchs Krankenhaus, das ich recht unübersichtlich fand. Wir mussten zur Intensivstation und mussten mehrmals nach dem richtigen Weg fragen, bis wir endlich dort ankamen. Tyler wusste leider auch nicht mehr über David und konnte meine Sorgen nicht zerstreuen. Sobald sie im Krankenhaus angekommen waren, hatte man die beiden getrennt. David war sofort auf die Intensivstation gekommen. Tyler, der im Krankenwagen wieder zu sich gekommen war, war auf einer normalen Station untersucht worden, am ganzen Körper geröntgt, und dann mit strikter Bettruhe in ein Zimmer gebracht worden. Auf sein Nachfragen, was mit David war, wurde nur geantwortet, man könne ihm jetzt nichts sagen.

Als wir auf der Intensivstation angekommen waren, wurden wir zu Dr. Emilia Jakova weitergeschickt, einer jungen, übernächtigt aussehenden Ärztin, die uns zu Davids Zimmer brachte. Ich zog scharf die Luft ein. David sah in dem großen Bett ganz klein und verloren aus, über seinem Mund war eine Atemmaske gestülpt worden, seine Augen waren geschlossen. Die Maschine, die dafür sorgte, dass seine Brust sich hob und senkte, gab ein leises, konstantes Brummen von sich. Das Zimmer war abgedunkelt. Dr. Jakova ließ uns einen Moment Zeit, dann bat sie uns, wieder mit raus zu kommen.

Ich schickte Tyler mit Lily und Finn fort, sie sollten schauen, ob sie in der Cafeteria etwas zu essen finden würden. Dann ließ ich mir von Dr. Jakova erklären, was David hatte.

„Darf ich fragen, was mit David passiert ist?", fragte sie mit ruhiger Stimme.

„Er hat einen Tritt gegen die Brust gekriegt", antwortete ich. Sie nickte, als hätte sie sich sowas in der Art schon gedacht.

„Ihr Bruder hat einen traumatischen Pneumothorax." Aus meinem Blick schloss sie wohl, dass ich mit diesem Begriff nichts anfangen konnte, und begann, das weiter zu erklären. „Durch den Tritt gegen die Brust ist eine seiner Rippen gebrochen. Unglücklicherweise hat sich ein Teil der gebrochenen Rippe in sein Lungengewebe gebohrt und es punktiert. Dadurch ist Luft in den Pleuraspalt, in dem normalerweise ein Unterdruck herrscht, gelangt und hat diesen Unterdruck aufgehoben."

Ich sah sie besorgt an. „Konnten sie ihm irgendwie helfen?" Meine Stimme zitterte gefährlich.

„Wir haben einen Schlauch durch die Zwischenrippenmuskulatur in den Pleuraspalt gelegt, damit die eingeschlossene Luft entweichen kann. Ihr Bruder hat nur ausgesprochen flach geatmet, weswegen er auch gerade an eine Beatmungsmaschine angeschlossen ist."

„Warum ist er nicht wach?", wollte ich wissen. Dr. Jakova lächelte mich beruhigend an.

„Er hatte sehr starke Schmerzen und schien aufgewühlt zu sein. Wir haben ihm relativ starke Schmerzmittel gegeben, damit er ein bisschen schlafen kann. Heute Abend sollte er wieder wach sein." Ich nickte nur mäßig beruhigt, konnte jedoch nicht viel tun, als der Ärztin zu danken und zu fragen, ob ich nochmal zu ihm hinein dürfte.

Ich durfte und betrat leise den Raum. Besorgt betrachtete ich meinen kleinen Bruder. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, setzte ich mich auf das Bett. Aus seiner Seite führte ein Schlauch zu einer Maschine, einer anderen als die, von der er Luft bekam. In seinem schmalen Ärmchen steckte eine Infusionsnadel, die zu einem Beutel führte, aus dem eine klare Flüssigkeit rann.

Schuldbewusst und voller Mitleid streichelte ich ihm einmal über die Wange. „Mein armer Kleiner", flüsterte ich, „es tut mir so leid."


So, das wars mal wieder. Armer David, oder? Ich hoffe, es hat euch gefallen. Voten und kommentieren nicht vergessen ;)

The dark inside meWhere stories live. Discover now