Bestrafung

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Wenige Minuten später war ich im Santitätszimmer und die Schulpsychologin war bei mir. Sie schien wissen zu wollen, ob ich ins Krankenhaus müsste oder nicht. Es brauchte eine ganze Weile gute Überzeugungsarbeit, bis sie schließlich das Telefon aus der Hand legte. Nun schien sie jedoch wissen zu wollen, wie mein Bauch so blau geworden war.

"Also", begann sie ganz sanft und freundlich, "möchtest du mir erzählen, was passiert ist?" Ich schaute sie an. Ich hatte nicht die geringste Lust dazu, aber ihr unnachgiebiger Blick sagte mir, dass sie nicht eher aufhören würde, mich auszufragen, bis ich ihr etwas einigermaßen Glaubhaftes erzählen würde. Ich seufzte tief und musste gegen das Verlangen ankämpfen, mit den Augen zu rollen.

"Es ist nichts Schlimmes passiert. Ich war nur neulich nachts noch unterwegs und zwei Männer haben mich zusammen geschlagen..." Ich zog den einen Mundwinkel hoch, um anzudeuten, dass es wirklich nichts Besonderes sei. Sie war zuerst misstrauisch, aber nach ein paar weiteren Minuten, in denen ich meine Geschichte noch weiter ausführen musste und ihr glaubhaft versichern musste, dass ich keine Anzeige erheben wollte, ließ sie mich gehen und schickte mich zur Direktorin.

Ryan wartete schon im Sekretariat. Er sah ziemlich aufgewühlt aus. Es war eindeutig eine Premiere, dass ich ihn so sah. Er setzte gerade an etwas zu sagen, da unterbrach ihn unser Sekretät Mr. Smith und bat uns, ins Zimmer der Direktorin zu gehen. Sie war noch relativ jung für ihre Stellung und trug nie einen Anzug oder ein Kostüm, sondern immer Jeans und unifarbene Pullover und sie lachte viel.

Doch jetzt lachte sie nicht. Im Gegenteil, ihr Gesicht sah so streng aus, wie ich es noch nie gesehen hatte. Sie bat uns, uns zu setzen und betrachtete uns einige Minuten schweigend. Ich fühlte mich wahnsinnig unwohl. Ich war noch nie zur Direktorin zitiert worden.

"Also, jetzt will ich die Geschichte von euch hören. Was habt ihr dazu zu sagen?"

Ich schwieg und starrte auf den Boden, ich hatte keine Ahnung, was sie von uns hören wollte. Ryan jedoch ließ sich nicht lange bitten.

"Es tut mir wirklich leid, ich hatte keine Ahnung, dass sie so viele Blutergüsse am Bauch hat. Ich wollte sie nicht schlagen, das war nur so ein Reflex!" Er hatte schnell geredet. Ich blickte auf und sah ihn an. Er erwiderte meinen Blick und ich glaubte, ehrliches Bedauern in seinen Augen sehen zu können. Ich verzog meinen Mund.

"Ich habe ihn zuerst geschlagen", gab ich zu, "er hat mich bei dem Spiel als Schutzschild benutzt..." Sie atmete einmal tief durch und sah uns unentschlossen an.

"Das sieht ja eigentlich so aus, als würdet ihr euch schon wieder vertragen. Allerdings, fürchte ich, muss ich euch trotzdem bestrafen. Ich möchte, dass ihr euch merkt, dass ich es nicht dulde, wenn sich die Schüler an meiner Schule gegenseitig schlagen." Ihre Stimme war hart geworden.

"Ich möchte, dass ihr diesen Freitagnachmittag zum Nachsitzen kommt und einen Aufsatz über Gewalt in der Geschichte der Menschheit schreibt. Lasst eurer Fantasie freien Lauf." Ich sah sie entsetzt an.

"Ich kann da nicht!", wandte ich ein.

"Und warum kannst du da nicht?" Sie spitzte ungeduldig ihre Lippen.

"Ich..." Ich stockte. So nett ich sie auch fand, ich würde ihr nicht erzählen, dass mein Vater seit sechs Jahren keinen Job mehr hatte, meine Mutter Krebs hatte und ich am Freitagnachmittag arbeiten musste. 

"Es geht einfach nicht!", wiederholte ich nochmal mit Nachdruck. Sie schüttelte den Kopf.

"Das ist keine Erklärung. Ich erwarte von dir, dass du kommst, sonst werden wir nochmal ein ernstes Gespräch führen müssen." Ich biss mir auf die Lippe. Es hatte keinen Sinn, ihr noch weiter zu widersprechen.

Eine eigentlich recht kurze Strafpredigt später wurden wir wieder entlassen und ich ging mit schnellen Schritten und ohne Ryan nochmal anzuschauen weg. Ich musste mich beeilen, dass ich noch rechtzeitig zu Arbeit kam. Ich brachte die drei Stunden ohne besondere Vorkommnisse hinter mich. Kurz bevor ich wieder frei war, klopfte ich bei meinem Chef. Er war ein unangenehmer Mann mittleren Alters, der sein Übergewicht ignorierte und jeden Tag Fast Food in sich hinein schaufelte. Ich fragte ihn, ob es irgendwie möglich sei, mir am Freitagnachmittag frei zu nehmen. Er schnaubte einmal und fragte mich wie ich mir das vorstellen würde. Dann wurde er noch deutlicher und sagte mir klar, dass ich gefeuert wäre, wenn ich am Freitag nicht auftauchen würde.

Als ich mich auf den Weg nach Hause machte, war mir klar, dass ich am Freitag nicht zum Nachsitzen erscheinen würde. Sollte Misses Freeman doch so viele ernste Gespräche mit mir führen, wie sie wollte.

Als ich die Wohnungstür öffnete, fiel mir auf, dass es im Wohnzimmer dunkel war. Ich sah ihn nicht sofort. Doch als er sich erhob und seine Silhouette von hinten durch das Licht beschienen wurde, das durch die Küchentür hereinfiel, war er kaum noch zu übersehen. Vater war wieder zu Hause. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, doch er bat mich ganz ruhig herein. Zögerlich schloss ich die Tür hinter mir und ließ meinen Rucksack auf den Boden gleiten. Dann ging ich ein paar Schritte auf ihn zu. Ich konnte sein Gesicht immer noch nicht sehen, ebensowenig die Faust, als er sie ohne Vorwarnung hob und mir ins Gesicht schlug.

Ich spürte, wie die Platzwunde neben meinem linken Auge wieder aufplatzte. Der Schlag war hart gewesen, aber nicht so heftig, wie der den ich Samstagnacht hatte einstecken müssen. Diesmal konnte ich mich auf den Beinen halten.

Ich keuchte auf und hob meine Hand, um mein Gesicht zu betasten. Ungläubig sah ich ihn an. Die Augen meines Vaters blitzten vor Zorn.

"Hast du nicht etwas zu sagen?", knurrte er mich an. Ich war verwirrt. Ich wusste nicht, was ich falsch gemacht hatte. Er hob wieder seinen Arm und schlug mich mit der flachen Hand. Diesmal war es fester. Ich taumelte ein paar Schritte zurück. Tränen stiegen mir in die Augen.

"Was? Vater, was habe ich denn gemacht?", stammelte ich.

"Was du gemacht hast?" Unwillkürlich brüllte er mich an. "Du hast es gewagt, dich zwei Mitgliedern der Hounds of Hell zu widersetzten und damit nicht genug, nein, du hast es auch noch gewagt, sie zu schlagen! Bist du eigentlich komplett bescheuert?" Ich keuchte auf.

"Das war Notwehr! Weißt du, was die mit mir gemacht hätten?"

"Es ist mir scheißegal, was die mit dir gemacht hätten. Ich weiß nur, was die mit mir machen werden, wenn ich dich nicht ordentlich bestrafe." Er begann, langsam seinen Gürtel zu öffnen.

Mir wurde kalt. Starr vor Entsetzen sah ich zu, wie er seinen Gürtel löste. Er hatte früher schon Marc mit dem Gürtel geschlagen, aber ich war bisher immer verschont geblieben.

"Vater, bitte, nicht...", wagte ich noch einen letzten Widerspruch. Er ließ den Gürtel einmal durch die Luft schnellen, was ein trockenes Schnalzen hervorbrachte.

"Komm her, Mädchen, ich muss dich bestrafen. Das ist meine Pflicht als dein Vater!" Ich schüttelte langsam den Kopf, ich wollte das alles nicht glauben. Doch bevor ich zurückweichen oder mich wehren konnte, packte mich mein Vater plötzlich grob im Nacken. Ich schrie halblaut auf. Meine Muskeln spannten sich an und ich versuchte, mich gegen die grobe Behandlung zu wehren.

Allerdings hatte ich ganz vergessen, wie stark und wie groß er war. Er überragte mich um mehr als einen Kopf und zwang mich nun mit fast spielerischer Leichtigkeit nach vorn, bis mein Oberkörper auf der Oberkante der Sofalehne zum Liegen kam. Dann holte er aus zum ersten Schlag. Ich schloss die Augen.

The dark inside meWhere stories live. Discover now