Freedom

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Ich wurde wach, als ich hörte, wie die Tür aufging. Ich blinzelte verschlafen und sah in Panthers nicht weniger müdes Gesicht. Er schien so erschöpft, dass er mich noch nicht einmal anzüglich angrinste.

„Steh auf, du darfst gehen...", brummte er nur. Im ersten Moment konnte ich mein Glück kaum fassen, dann konnte ich gar nicht schnell genug aufspringen. Panther begleitete mich nach oben, diesmal hatte ich keine Kapuze auf dem Kopf und sah mich unauffällig um. Ich hatte mich die ganze Zeit über in einem alten, offensichtlich verlassenen Wohnhaus befunden, dass die Hounds wohl zu ihrem persönlichen Folterkeller umgebaut hatten. Auch im Erdgeschoss, von dem ich allerdings nur den Flur sah, schälte sich die Tapete von den Wänden und der Boden starrte nur so vor Schmutz.

Als ich die Tür öffnen wollte, lehnte Panther sich plötzlich nach vorn und hielt sie zu. Ich zuckte zusammen und drehte mich zu ihm um. War das alles nur ein schlechter Scherz gewesen? Panther starrte mich bedrohlich an, er schien auf einmal kein bisschen mehr erschöpft zu sein.

„Du weißt, was passiert, wenn du mit irgendjemand über dieses Haus und was hier passiert ist, redest, nicht wahr?", fragte er drohend und ich beeilte mich, zu nicken.

„Wir finden dich, egal wo du dich versteckst", legte Panther nach und mir fuhr die Angst in den Bauch. Hieß das, dass sie Mary und Marc gefunden hatten? Hatte er eine Anspielung gemacht, oder wollte er mir nur Angst einjagen?

„Ich weiß, ich bin doch nicht dumm", erwiderte ich und war erleichtert, dass meine Stimme nicht so sehr zitterte, wie ich erwartet hatte. Panther brummte zufrieden und gab mir ein graues T-Shirt mit Männerschnitt, welches zwar viel zu groß für mich war, aber immerhin musste ich dann nicht im BH quer durch die Stadt laufen. Ich zog es schnell über, dann konnte ich endlich dieses Haus verlassen.

Das T-Shirt war eindeutig zu wenig Stoff für die Kälte, die mich draußen erwartete, trotzdem atmete ich die Luft tief ein. Sofort bildete sich Gänsehaut auf meinen Armen, doch das war mir egal. Ich war die ganze Nacht in dem Haus eingesperrt gewesen. Ich musste sofort nach Hause und dann musste ich Marc anrufen und sie warnen, dass die Hounds sie suchten.

Panther war hinter mir aus dem anscheinend leeren Haus getreten. Ich war schon ein paar Meter vom Haus weggekommen, als er nochmal nach mir rief. Ich zuckte zusammen, blieb aber stehen.

„Soll ich dich nach Hause fahren?", rief Panther mir zu und ich drehte mich mit ungläubigem Gesichtsausdruck um.

„Ich laufe lieber.", gab ich kalt zurück, drehte mich um und beeilte mich, von hier fort zu kommen. Es war eine verlassene Gegend, voller leerstehender Häuser und ich überlegte, ob sie mich in der Nacht einfach in dem Haus allein gelassen hatten. Das Risiko, dass mich jemand gehört hätte und mich gefunden hätte, war verschwindend gering. Der Gedanke, dass ich ganz alleine hier gewesen war, gruselte mich. Wenn Panther nicht zurückgekommen wäre und mich rausgelassen hätte, wenn sie mich einfach vergessen hätten, wäre ich innerhalb einiger Tage verdurstet.

Ich brauchte eine Weile, bis ich in einen Teil von Philly kam, den ich kannte und von dort nochmal über eine dreiviertel Stunde nach Hause. Den ganzen Weg über machte ich mir furchtbare Sorgen. Ich musste laufen, weil ich kein Geld und somit auch keine Fahrkarte dabeihatte. Als ich in unsere Straße einbog, war ich vollkommen durchgefroren. Meine Hände waren blau angelaufen und ich zitterte durchgängig. Es war zwar schon Anfang März, doch vom Frühling war noch nichts zu spüren.

Ich klingelte zum ersten Mal in meinem Leben unten an der Haustür, denn ich hatte absolut nichts, nicht mal den Hausschlüssel, dabeigehabt, als die Hounds mich mitgenommen hatten. Mein Herz klopfte. Was sollte ich tun, wenn mir niemand aufmachte?

„Hallo?", hörte ich plötzlich Lilys helle Stimme aus der Gegensprechanlage.

„Lily, ich bin es. Kannst du auf den Knopf mit dem Schlüssel drücken?", meine Stimme zitterte. Zumindest Lily war da. Immerhin ging es ihr gut. Die Tür summte und ich drückte sie auf. Die gebrochene Rippe, die Cassel mir verpasst hatte, hinderte mich daran, die Treppe hochzustürmen, doch ich beeilte mich, so gut ich konnte. Als ich oben ankam, stand Lily im Türrahmen, die Tür lag immer noch im Wohnzimmer auf dem Boden.

Ihr schmales Gesicht war bleich und sie wirkte übernächtigt. Ihr Stirn hatte sich in kleine Falten gelegt. Sie schien in der einen Nacht um Jahre erwachsener geworden zu sein. Als ich sie in die Arme schloss, konnte ich ihre Anspannung fühlen.

„Wo sind Tyler und David? Geht es ihnen gut?", fragte ich sie und sah erschrocken, wie Tränen in ihre Augen traten.

„Ich habe den Krankenwagen gerufen, wie du gesagt hast", erzählte sie, „die Leute in den weißen Klamotten haben uns ins Krankenhaus mitgenommen. Sie haben gesagt, Tyler hätte eine...", sie überlegte kurz, suchte das richtige Wort, „...eine Gehirnerschütterung. Sie wollten ihn über Nacht da behalten." Sie schluckte. „David hatte eine... ich habe das Wort vergessen, irgendwas mit der Lunge, etwas richtig Schlimmes!" Sie schluchzte auf und schnell schloss ich sie wieder in die Arme.

„Warum bist du denn jetzt nicht im Krankenhaus?", fragte ich sie. Ein Schluchzer ließ sie erbeben.

„Die haben gesagt, ich kann nicht über Nacht dableiben. Deswegen bin ich mit Finn wieder nach Hause gelaufen." Ich konnte kaum glauben, dass das Krankenhauspersonal wirklich so unverantwortlich gewesen war, ein kleines Mädchen mit ihrem gerade mal einem Jahr alten Bruder am Abend nach Hause laufen zu lassen. Lily drückte sich an mich und ich streichelte ihr beruhigend über den Rücken.

„Ich muss kurz einen Anruf machen, dann gehen wir zum Krankenhaus, in Ordnung?" Sie nickte. Ich richtete mich auf. Mit ein paar Schritten war ich beim Wohnzimmertisch, wo mein Handy unberührt lag. In wenigen Sekunden hatte ich Marcs Nummer gefunden und hörte das Tuten, während das Handy versuchte, eine Verbindung aufzubauen. Ich wartete fast zwei Minuten, dann legte ich auf und wählte nochmal. Als nach dem dritten Versuch immer noch keine Verbindung zustande gekommen war, gab ich auf. Anscheinend musste ich es einsehen. Marc ging nicht an sein Handy...



The dark inside meWhere stories live. Discover now