Die Party

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Es war dunkel, als wir aus dem Haus traten. Die Sonne war bereits vollständig untergegangen und der Weg zur U-Bahn wurde eher schlecht als recht von den Laternen beleuchtet. Es war kalt und ich fror bereits in meiner abgetragenen Jacke. Ich wollte ständig an meine Jeans packen, um mich zu vergewissern, dass das Klappmesser noch da war. Mary schien von meiner Unruhe angesteckt zu werden und wir konnten gar nicht schnell genug in die U-Bahn steigen.

Etwas später kamen wir in einem wesentlich besseren Viertel an. Hier gab es keine Hochhäuser, sondern hübsche Einfamilienhäuser, teilweise wirklich groß. Die Straßen waren breit und gut beleuchtet und die Vorgärten hübsch und gepflegt. Mary ging schweigend neben mir her. Wir wussten beide, das wir nicht hierher gehörten. Allein der Liegestuhl in einem Garten sah aus, als würde er mehr kosten, als ich im Monat verdiente.

Die Musik war schon von weitem zu hören, wir konnten das Haus von Kyles Eltern gar nicht verfehlen. Als wir an der Tür klingelten, öffnete sie sich unvermittelt und ein betrunkener Junge, den ich nicht kannte, strahlte uns an.

"Ladies! Herein in unser kleines bescheidenes Häuschen..." Er lallte und hatte eine Fahne. Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch und wäre am liebsten umgedreht, doch Mary nahm mich an der Hand und gemeinsam betraten die Höhle des Löwen. Sofort wollte Mary sich davon machen. Ich hielt sie am Ellbogen fest.

"Wir bleiben nicht lange, ok? Und wehe dir, du rührst den Alkohol an, dann kannst du was erleben!" Sie sah mich genervt an.

"Hältst du mich für komplett bescheuert? Natürlich trinke ich keinen Alkohol..." Durch unseren Vater hatten wir gesehen, was Alkohol mit Menschen machen konnte. Wahrscheinlich würden wir nie einen Tropfen Alkohol trinken. Ich seufzte und ließ sie gehen.

Sie machte sich sofort auf die Suche nach Louis und ich stand allein und ein bisschen verloren im Hausflur. Da ich ja nicht für ewig hier stehen bleiben konnte, zog ich meine Jacke aus und ging langsam in das Wohnzimmer. Zum Glück war dieses Haus gut geheizt. Kurz keuchte ich auf. Das Wohnzimmer war etwa so groß wie unsere gesamte Wohnung. Allerdings war es hier tatsächlich noch voller. Auf den Sofas saßen Jungen und Mädchen in meinem Alter, diejenigen, die keinen Platz mehr gefunden hatten, tanzten zu ohrenbetäubend lauter Musik, die aus großen Boxen kam. Hier war es mir eindeutig zu voll und zu laut. Schnell ging ich weiter und kam in die Küche. Hier war es ein bisschen ruhiger und auch ein bisschen leerer. Ich ließ meine Augen durch den Raum gleiten, suchte nach einem Gesicht, das ich kannte. Natürlich kannte ich niemanden. Ein paar Gesichter kamen mir bekannt vor, vermutlich aus der Schule, aber es war niemand da, mit dem ich hätte reden können.

Entmutigt lehnte ich mich an den Kühlschrank. Selten hatte ich mich so fehl am Platze gefühlt. Wir waren noch nicht mal fünf Minuten hier und trotzdem wünschte ich mir nichts sehnlicher, als so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Ich verfluchte Mary, dass sie unbedingt hier her gewollt hatte und ich verfluchte meinen Vater, dass er mich überredet hatte.

Ich schaute auf, als sich ein Junge neben mich stellte. Auch ihn kannte ich nicht. Er war groß, fast einen Kopf größer als ich, und ziemlich muskulös. Er schien nicht ganz so betrunken zu sein, wie die meisten hier, und seine Augen funkelten. Automatisch überkam mich das Bedürfnis, vor ihm zurückzuweichen.

"Na Babe, hätte nicht erwartet, heute Abend hier etwas so Leckeres zu entdecken..." Er leckte sich vielsagend über die Lippen und zuckte mit der einen Augenbraue. Ich musste einen Würgereiz unterdrücken. Da ich nicht wusste, was ich erwiedern sollte, blickte ich stumm wieder auf den Boden. Er hielt mir einen roten Becher vor mein Gesicht.

"Hier Süße, damit du ein bisschen lockerer wirst." Bevor er das Zeug über mich verschüttete, nahm ich den Becher. Er war gefüllt mit einer dunklen Flüssigkeit. Ich roch kurz daran, es war eindeutig Alkohol darin, vermutlich mit Cola vermischt. Ich stellte den Becher auf die Ablage neben mir.

"Nein danke, lieber nicht", versuchte ich, ihn abzuwimmeln. Er sah meine Ablehnung wohl als persönliche Beleidigung an, denn er plazierte seinen einen Arm direkt neben meinem Gesicht, mit der anderen Hand nahm er wieder den Becher und hielt ihn mir direkt vor den Mund.

"Nun sei doch nicht so spießig, das schmeckt wirklich gut!", versuchte er weiterhin, mir das Getränk aufzudrängen. Mein Blick schweifte kurz durch die Küche, niemand würde mir helfen. Ich wollte gerade meine Hand zur Faust ballen und diesem Arschloch klar machen, dass man sich mir nicht aufdrängen sollte, da sah ich ihn in der Küchentür stehen. Er sah wieder mal verboten gut aus, seine blonden Locken umrahmten seinen Kopf und er strahlte eine unfassbare Lässigkeit aus.

Wie aufs Stichwort kreuzten sich unsere Blicke. Er runzelte die Stirn, er schien wütend zu sein. Dann bewegte er sich auf mich und den großen Jungen neben mir zu. Oh nein, das war das Letzte, was ich wollte. Als der Junge vor mir meinem Blick folgte, um zu sehen, wen ich da anstarrte, nutze ich den Moment, duckte mich unter seinem Arm durch und huschte flink durch eine andere Tür aus der Küche. Ohne anzuhalten, stieß ich die Tür gegenüber auf. Sie führte ins Badezimmer. Das war perfekt! Schnell machte ich die Tür hinter mir wieder zu. Ich wollte gerade abschließen, da hörte ich, wie sich von der anderen Seite Schritte näherten. Ohne darüber nachzudenken, hüpfte ich in die Badewanne und zog den Vorhang zu.

Die Tür ging auf und ich versuchte, möglichst flach zu atmen, um keine Geräusche zu machen. Ich hörte kurz das Atmen von jemand anderem, dann hörte ich die Tür wieder zu gehen. Durch den Vorhang konnte ich sehen, dass niemand mehr im Bad war. Ryan hatte wohl nur kurz reingeschaut und die Tür wieder geschlossen, als er gesehen hatte, dass ich nicht hier war. Erleichtert seufzte ich.

Gerade als ich aus der Badewanne steigen wollte, ging die Tür wieder auf. Scheiße, ich wollte nicht hier im Bad sein, wenn irgendjemand Wasser lassen musste! Aber jetzt konnte ich wohl kaum hinter dem Vorhang hervor kommen. Was sollte ich sagen? Tut mir leid, ich bin nur gerade vor dem Typen geflüchtet, der mich eingeladen hat? Das klang sogar in meinem Kopf seltsam.

Ich hätte kaum verzweifelter sein können, als plötzlich der Vorhang beiseite gerissen wurde. Vor mir stand ein Mädchen mit blauen Haaren. Sie war stark geschminkt und hatte Piercings in einem Ohr. Sie sah weder besonders überrascht, noch besonders sauer aus. Versuchsweise zog ich meine Mundwinkel nach oben. Es musste schlimm ausgesehen haben, denn sie fing an zu kichern. Dann stieg sie auch in die Badewanne und reichte mir die Hand.

"Hey, ich bin Delilah, aber alle nennen mich Devil. Wie heißt du?"


Hey Leute, tut mir leid, dass so lange kein Kapitel kam. Bei mir hat die Uni wieder angefangen, weswegen ich so wenig Zeit hatte. Ich werde aber versuchen, immer zwei Kapitel pro Woche hochzuladen.

The dark inside meWhere stories live. Discover now