Bad Surprise

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Das Abendessen war recht steif gewesen. Die Steaks, die Marc hatte anbrennen lassen, waren ungenießbar und so aßen wir einfach belegte Brote.

Tyler hatte immer noch hohes Fieber und konnte nicht aufstehen, und so saß ich allein mit David, Lily und Finn am Tisch. David hatte Finn auf dem Schoß und fühlte sich sehr wichtig, weil er ihn mit Brei füttern durfte. Ich versuchte die ganze Zeit, die beiden mit anderen Gesprächsthemen abzulenken, doch ich tat mir schwer damit. Meine Gedanken waren bei Marc und Mary, alle paar Minuten überlegte ich, wo sie jetzt wohl gerade waren.

Ich brachte Finn nach dem Essen ins Bett und schickte auf die beiden Kleinen zum Zähneputzen. Dann ging ich zu Tyler. Ich brachte ihm etwas zu Essen und er musste nochmal Fieber messen. Es war immer noch furchtbar hoch und ich gab ihm eine Paracetamol, damit er in der Nacht schlafen konnte. Noch etwas, worüber ich mir Sorgen machen musste.

Am nächsten Tag war ich die ganze Schulzeit über mit den Gedanken ganz woanders. Ich wäre am liebsten gar nicht hingegangen, doch ich hatte das Gefühl, ich müsse zumindest den Schein, dass alles in Ordnung sei, aufrechterhalten. Ich hatte überlegt, was ich Ryan sagen sollte, doch die Frage erübrigte sich, da er schon wieder nicht auftauchte.

Ich meldete Tyler und Mary im Sekretariat als krank und ging in den Unterricht. Es war Freitag und wie jeden Freitag herrschte in der Schule eine angenehme Wochenendstimmung. Ich jedoch kämpfte mit der Angst um meine Geschwister. Nach außen versuchte ich, so normal wie möglich zu wirken, doch in meinem Inneren kämpfte ich gegen den ständigen Drang, laut zu schreien und meine Panik rauszulassen.

In Biologie sah ich immer wieder auf mein Handy. Ich hätte so gerne eine Nachricht bekommen von Marc, dass alles in Ordnung war und sie sicher irgendwo untergekommen waren, doch ich wusste, dass er dieses Risiko nicht eingehen würde, dafür war er zu vorsichtig.

Mich gruselte es vor dem Moment, in dem ich im Dirty Love erscheinen würde und so tun musste, als sei alles in Ordnung. Ich hatte nicht die Absicht, Noah und Panther noch mehr Angriffsfläche zu liefern und sie auf den Gedanken zu bringen, dass Mary möglicherweise die Hinrichtung der beiden jungen Männer gesehen hatte.

Als Biologie endlich vorbei war, seufzte ich erleichtert auf. Jetzt konnte ich immerhin nach Hause und mich um meine verbliebenen Geschwister kümmern. Tyler schien es endlich etwas besser zu gehen. Er saß auf dem Sofa, als ich in die Wohnung kam und sah die Teenage Mutant Ninja Turtles im Fernsehen. Ich zog amüsiert eine Augenbraue hoch.

„Bist du dafür nicht schon ein bisschen zu alt?", neckte ich ihn. Er schnaubte, doch das Fieber hatte ihn etwas umgänglicher gemacht.

„Es kommt nichts Besseres", meinte er mit einem Achselzucken. Ich brachte ihn dazu, Fieber zu messen und stellte erleichtert fest, dass es tatsächlich gesunken war. Da es immer noch Mittag war und auch Lily und David nach Hause kamen, beschloss ich, uns eine warme Suppe zu kochen. Die Suppe bestand zwar fast ausschließlich aus Kartoffeln und Karotten, die im Angebot gewesen waren, doch sie war warm und schmeckte gar nicht mal so schlecht.

Den Nachmittag über versuchte ich, Hausaufgaben zu machen und für Prüfungen zu lernen, doch ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Ständig schweiften meine Gedanken ab zu Marc und Mary. Immer wieder spielte sich in meinem Kopf unser Abschied ab, wie bei einer kaputten Filmrolle. Und jedesmal endete mein Gedankengang damit, dass ich mir vorstellte, wie ein Hound Mary und Marc erschoss.

Egal was ich tat, mein Kopf kam immer wieder darauf zurück und jedes Mal bekam ich aufs Neue Bauchschmerzen. Nach außen versuchte ich, ruhig zu wirken, ich wollte die anderen nicht beunruhigen, doch sogar Finn schien zu merken, dass etwas nicht stimmte, denn er quengelte den ganzen Tag über bis meine Nerven kurz vorm Zerreißen waren.

Um halb acht war ich gerade dabei, auf dem Sofa Wäsche zu legen und mir Sorgen zu machen, als sich die Ereignisse plötzlich überschlugen. Ohne Vorwarnung wurde die Wohnungstür aufgetreten. Sie krachte aus den Angeln und der Teppich staubte, als sie flach auf den Boden knallte. Ich sprang erschrocken auf. Ein T-Shirt von Tyler fiel mir aus den Händen. Tyler, der neben mir gelegen hatte und schon seit einigen Stunden vor sich hin döste, wurde schlagartig hellwach und richtete sich auf.

Männer mit schwarzen Lederjacken auf denen übergroß das Logo der Hounds of Hell, der dreiköpfige Hund, abgebildet war, drängten sich durch den Türrahmen, zwei davon kannte ich. Ich konnte einen überraschten Aufschrei nicht unterdrücken. Tyler! David! Lily! Finn! schoss es mir durch den Kopf. Ich musste sie beschützen!

„Was soll das?", schaffte ich noch zu rufen, da wurde ich schon von einem der Männer zurück auf das Sofa geschubst. Ich wollte wieder aufspringen, doch bevor ich mich auf noch einen Zentimeter bewegt hatte, sah ich auch schon in den schwarzen Lauf einer Browning. Ich keuchte auf. Einer der Männer, die ich kannte, zielte weiterhin auf mich, die anderen schwärmten aus. Soweit ich sehen konnte, waren sie zu viert. Mitch, einer der beiden Wichser, die mich und Mary auf dem Rückweg von Kyles Party erwischt hatten, ich hatte weder seinen Namen noch sein Gesicht vergessen, stand vor mir und leckte sich über die leicht geöffneten Lippen, dann zwinkerte er mir anzüglich zu. Mir wurde schlecht.

Tyler bewegte sich links von mir. Schnell legte ich meine Hand auf seinen Arm. Er durfte sich nicht bewegen. Wie leicht könnte Mitch denken, er wolle irgendwoher eine Waffe ziehen und auf ihn schießen... Meine eigene Waffe lag leider unerreichbar in der Schublade meines Nachttisches.

Ich musste ein erneutes Aufkeuchen unterdrücken als einer der beiden Männer, die ich nicht kannte aus Mamas altem Zimmer kam. Er hatte eine absurd fette Goldkette um den Hals. Seine beiden groben Hände hatte er um David und Lilys schmale Hälse gelegt und zwang sie nach vorne. Lily sah mich verängstigt aus ihren großen dunklen Augen an. David hatte die Zähne zusammengebissen, als wolle er sich wehren.

Nur Sekunden später kam Cassel aus dem Zimmer der Jungs. Er hielt Finn mit beiden Händen von sich weg. Finn, erschreckt von diesem fremden Mann, der ihn einfach so von seinen Bauklötzchen weggerissen hatte, fing an, ohrenbetäubend zu schreien. Mit einem flehenden Blick zu Mitch, beugte ich mich vor und streckte die Arme nach Finn aus. Mitch schien nicht begeistert, doch er nickte Cassel zu und der gab mir Finn.

Sanft setzte ich ihn auf meinen Schoß, drückte ihn beschützend an mich und murmelte ihm leise zu. Der letzte Mann kam zurück ins Wohnzimmer.

„Die Jüngere ist nirgendwo...", verkündete er und mir wurde, obwohl ich das für unmöglich gehalten hatte, noch übler. Sie suchten nach Mary! Mitchs Miene verdüsterte sich. Die anderen Männer sahen ihn an, anscheinend erwarteten sie eine Entscheidung von ihm.

Auch ich und meine Geschwister blickten ihn an. Er hatte immer noch seine Browning auf mich gerichtet, doch die ließ er nun sinken und steckte sie hinten in seinen Hosenbund. Anscheinend glaubte er nicht, dass wir gefährlich waren. Sofort hatte ich das Gefühl, die Atmosphäre würde sich ein bisschen entspannen.

Mitch kratzte sich den kurzgeschorenen Kopf, dann deutete er auf mich.

„Wir nehmen sie mit. Sie kann am nützlichsten sein. Lasst die anderen hier."


So, das wars mal wieder. Ich hoffe, es gefällt euch. Voten und kommentieren nicht vergessen ;)

The dark inside meWhere stories live. Discover now