Love is in the Air

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Seine Mundwinkel zuckten, aber das Lächeln erreichte seine Augen nicht.

„Ich wollte mich bei dir entschuldigen...", sagte er leise. Ich runzelte die Stirn.

„Hast du doch schon... und ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dir nicht mehr böse bin", unterbrach ich ihn. Er schüttelte den Kopf.

„Das meine ich gar nicht. Weißt du noch der Montag, an dem ich dir in Sport in den Bauch geboxt habe?" Natürlich erinnerte ich mich noch daran, schließlich mussten wir gerade deswegen nachsitzen. Ich nickte wortlos.

„Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich dich geschlagen habe. Das hattest du nicht verdient..." Ich schnaubte.

„Na ja, ich habe dir ja zuerst meinen Ellbogen in den Bauch gerammt. Vielleicht sollte ich mich auch bei dir entschuldigen...", meinte ich. Er winkte ab und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. Dann wurde sein Blick wieder nachdenklich.

„Ich weiß nicht genau, ob ich dich das fragen darf...", er stockte, „aber was zur Hölle hast du denn bloß gemacht, dass dein Bauch so aussah?" Seine Augenbrauen waren besorgt zusammengezogen. Ich verzog das Gesicht beim Gedanken daran, wer mich so zugerichtet hatte und warum. Bedrückt blickte ich zu Boden.

„Eigentlich will ich nicht wirklich darüber reden..." Entschuldigend sah ich ihn an.

„Ok, dann nicht." Er wirkte nicht sauer, höchstens immer noch etwas besorgt. Langsam hob er eine Hand und strich mir eine widerspenstige Strähne hinters Ohr. Ich musste lächeln und er lächelte zurück. Diesmal erreichte sein Lächeln seine Augen und das Blau erstrahlte hell.

„Du bist wirklich süß...", murmelte er. Ich muss zugeben, ich war verblüfft. Hatte er mir grad ein Kompliment gemacht? Wo war der Ryan hin, der Ian zugestimmt hatte, als der mich als hässliche Schlampe bezeichnet hatte?

„Du bist... verwirrend!", brachte ich heraus. Warum klopfte mein Herz auf einmal so schnell? Ryan lachte einmal auf, wurde aber fast sofort wieder ernst.

„Tut mir leid", seine Stimme war sanft geworden.

„Was tut dir leid?", fragte ich nach.

„Alles!" Inzwischen flüsterte er fast. Seine Augen ließen keinen Rückschluss auf seine Gedanken zu. Ich spürte, wie mir ein zartes Rot in die Wangen stieg.

Wie in Zeitlupe beugte sich Ryan wieder vor und diesmal wich ich nicht zurück. Seine wunderschönen Augen hielten meinen Blick gefangen und ich atmete seinen Duft ein wie den Geruch nach Sommer. Sein Gesicht kam immer näher und meine Gedanken spielten verrückt. Wollte er mich küssen? Wollte ich überhaupt, dass er mich küsste? Wenn er mich küssen wollte, warum wollte er mich küssen? Sah er in mir nur eine Herausforderung, ein schwierig zu knackendes Mädchen, dass er ins Bett bekommen wollte? Oder... mehr?

Bevor ich mich entscheiden konnte, was ich tun sollte, was ich tun wollte, öffnete sich die Tür hinter uns mit Schwung. Ryan und ich fuhren auseinander. Augenblicklich färbte sich mein Gesicht tomatenrot. Mr. Smith kam in den Raum und konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. Ryan fuhr sich verlegen durch die Haare und ich starrte auf meine Hände. Schließlich beruhigte sich Mr. Smith wieder.

„Ihr seid mir schon zwei... Den einen Tag schlagt ihr euch und am nächsten wollt ihr euch gegenseitig aufessen..." Ich war mir nicht sicher, aber ich meinte sogar, Lachtränen in seinen Augen zu sehen.

„Es war mehr Zeit dazwischen!", wagte ich einzuwenden. Mr. Smith schüttelte nur amüsiert den Kopf.

„Habt ihr euren Aufsatz fertig?", fragte Mr. Smith, „ich habe alles erledigt für heute und will jetzt nach Hause." Ich schaute auf die Uhr. Die anderthalb Stunden waren noch nicht rum. Mr. Smith hatte meinen Blick gesehen.

„Es erfährt schon niemand, dass ich euch früher rausgelassen habe. Außer uns dreien ist sowieso niemand mehr hier..." Also zuckte ich mit den Achseln und gab Mr. Smith meine zwei Blätter. Jetzt hatte der Text zwar kein Fazit, aber den würde sich wahrscheinlich eh nie wieder jemand durchlesen. Auch Ryan gab seine Blätter ab. Dann wurden wir von Mr. Smith rausgescheucht.

Schweigend gingen wir durch die menschenleeren Gänge unserer Highschool. Ich sah ihn immer wieder flüchtig aus dem Augenwinkel an. Warum sagte er nichts? Sollte ich etwas sagen? Hatte er mich wirklich küssen wollen? Bereute er es inzwischen? Der Gedanke machte mich irgendwie traurig.

Niedergeschlagen drückte ich die Haupttür auf und trat nach draußen. Es war kalt und klar und die Luft roch nach Schnee. Tief atmete ich ein. Ryan war mir gefolgt. Immer noch schweigend überquerten wir den Hof. Aus irgendeinem Grund wollte ich so schnell wie möglich weg von ihm. Ich hatte das Gefühl, hier in seiner Gegenwart verletzlicher zu sein als sonst. Als hätte er die Mauer, die ich um mich errichtet hatte, ohne großen Widerstand eingerissen und das Innere meiner Seele freigelegt.

Ich beschleunigte meine Schritte und als wir das Tor erreicht hatten, wandte ich mich schnell von ihm ab. Ich wollte nach Hause!

„Liz, warte..." Seine Stimme zwang mich zum Umdrehen. Er stand direkt vor dem Tor und ein Windhauch zerzauste seine lockigen Haare. Fragend sah ich ihn an. Er schien mit sich zu kämpfen.

„Ich...", er zögerte. Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Er senkte seinen Blick. So schüchtern kannte ich ihn gar nicht. Ich kam noch etwas näher zu ihm und legte meine Hand unter sein Kinn. Sanft zwang ich seinen Kopf nach oben, sodass er mich ansehen musste.

„Was?", fragte ich, meine Stimme nur ein leiser Hauch. In seinen Augen fochten Verzweiflung, Angst und Hoffnung einen erbitterten Kampf. Ich versuchte, aufmunternd zu lächeln.

„Ich glaube, ich mag dich!" Er sagte es schnell, dann atmete er einmal tief ein. Es schien ihn viel Überwindung gekostet zu haben, das laut auszusprechen. Ich lächelte. Irgendetwas kribbelte in meinem Bauch, breitete sich aus, bis selbst meine Fingerspitzen von diesem aufregenden, flatternden Kribbeln kitzelten. Ich schluckte.

„Ich glaube, ich mag dich auch...", brachte ich heraus. Er blinzelte ein paar Mal schnell hintereinander, dann sah er mich ungläubig an. Nach ein paar Sekunden jedoch breitete sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus und er seufzte tief, als wäre eine riesige Last von seinen Schultern genommen worden.

The dark inside meWhere stories live. Discover now