Oh love

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Tausend Gedanken schossen mir durch meinen Kopf, wirbelten herum und verlangten Aufmerksamkeit. Oh mein Gott! Meinte er das ernst? Wollte er wirklich mit mir zusammen sein? Sei nicht so dumm, er ist ein oberflächliches Arschloch, was könnte ihm an dir schon gefallen? Aber wenn er es nun doch ernst meinte...

Mein Herz schlug mir so hart gegen die Rippen, dass ich glaubte, ich müsse zerspringen. Mit großen Augen betrachtete ich Ryan und versuchte abzuschätzen, ob er mich verarschen wollte. Doch in seinen Augen konnte ich nur Hoffnung und auch ein bisschen Angst sehen.

„Ich...", was sollte ich sagen? „Willst du das wirklich?" Ryans Lippen verzogen sich zu einem verzweifelten Lächeln.

„Verdammt, natürlich will ich das!" Langsam kam er mit seinem Gesicht näher an meins. „Liz, du bist die wundervollste Person, die ich kenne!" Was hatte ich dem noch entgegenzusetzen?

„Dann... ja, ich wäre wahnsinnig gerne mit dir zusammen..." Ich fühlte mich so verletzlich wie noch nie in meinem Leben, als ich es aussprach, doch zum ersten Mal machte es mir nichts aus. Ryan wollte mit mir zusammen sein!

Ryan fing an zu strahlen. Ich biss mir auf die Lippen und plötzlich war sein Gesicht direkt vor meinem und unsere Lippen verschmolzen miteinander. Mein ganzer Körper kribbelte und ich fühlte mich, als würde ich schweben.

Zuerst hielten wir noch Händchen beim Küssen, doch irgendwann reichte das nicht mehr. Ich fuhr mit meinen Händen über seinen muskulösen Rücken, dessen Struktur ich auch durch die dicke Jacke noch gut ertasten konnte. Ryans linker Arm schlang sich um meine Hüfte und er zog mich so nah an sich, dass ich meinen Kopf in den Nacken legen musste, damit wir uns weiter küssen konnten. Doch das machte mir nichts aus. Im Gegenteil, es war das schönste Gefühl der Welt. Und niemand konnte uns stören. Hier waren wir so weit weg von allen Personen, die uns kannten, von allen Leuten, die uns unterbrechen könnten. Hier waren wir einfach nur ein Junge und ein Mädchen, die sich küssten.

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir ewig dort auf den Dünen stehen können, versunken in einem unendlichen Kuss, doch das Wetter machte uns einen Strich durch die Rechnung. Nach einer Weile zitterte ich so heftig, dass meine Zähne aufeinander schlugen. Ryan betrachtete mich besorgt.

„Komm, ich glaube, wir müssen uns aufwärmen", meinte er und wir gingen wie ein typisches Paar händchenhaltend in die Kleinstadt. Nach kurzem Suchen fanden wir ein gemütliches Diner, in das wir uns setzten und uns etwas zum Mittagessen bestellten.

„Tut mir leid wegen dem Wetter. Es macht eigentlich mehr Sinn an den Strand zu gehen, wenn es warm ist...", meinte Ryan entschuldigend. Ich runzelte die Stirn.

„Also für das Wetter kannst du jetzt wirklich nichts..." Ryan zuckte mit immer noch schuldbewusstem Ausdruck die Schultern, dann nahm er meine Hand und küsste die Fingerspitzen.

„Oh Gott, deine Finger sind ja immer noch furchtbar kalt..." Sofort fing er an, meine Hand zwischen seinen zu reiben. Ich musste lachen. Der Gedanke, dass wir wirklich zusammen sein sollten, was so unfassbar absurd.

Zum Glück kam das Essen und ich bekam meine Hand wieder. Ryans plötzliche Führsorge machte mich furchtbar verlegen. War das immer so, wenn man einen Freund hatte?

Während des Essens redeten wir nicht viel, doch danach saßen wir noch lange in dem Diner. Zum Teil redeten wir, diskutierten über verschiedene Themen, schafften es, uns in Rage zu reden, ohne zu streiten oder wir erzählten uns Geschichten, kleine Anekdoten aus unserem Leben. Die andere Zeit schwiegen wir. Ich versuchte mich an den Gedanken zu gewöhnen, Ryan als Freund zu haben. Sogar das Händchenhalten fand ich schwierig, aber auf der anderen Seite war es auch schön.

„Wie wollen wir das eigentlich morgen in der Schule machen?", kam mir irgendwann in den Sinn. Ryan grinste schelmisch.

„Natürlich machen wir das öffentlich! Direkt morgen werde ich dich vor der gesamten Schule im Gang küssen!" Seine Augen blitzten vor Vergnügen. Ich wurde feuerrot beim Gedanken an hunderte Schüler, die uns begafften, während Ryan mich küsste.

„Um Himmels Willen, bitte nicht!", protestierte ich. Ryan war so viel mehr Rampensau als ich, er machte sich einen Spaß daraus, den anderen Schülern etwas zum klatschen zu geben. Ich hingegen hatte die letzten beiden Jahre damit verbracht, möglichst unsichtbar für alle zu werden. Diesen Schutz würde ich jetzt nicht einfach so aufgeben.

„Ryan, wirklich, versprich mir, dass du mich morgen nicht vor allen anderen küsst!", bat ich ihn nochmal ernst. Diesmal wurden seine Augen nachdenklich. Er legte den Kopf leicht schief.

„Warum ist dir das so wichtig?" Er beugte sich leicht vor, sein Daumen strich über meine Handfläche. Ich starrte ihn an. Dann fiel es mir ein. Er war nicht dabei gewesen. Er war an dem Tag nicht in der Schule gewesen, wie sollte er da auch wissen können, warum ich am liebsten unsichtbar blieb?

Ich hatte noch nie darüber gesprochen, weder mit meinen Geschwistern, noch sonst irgendjemandem. Die ganzen letzten zwei Jahre hatte ich einigermaßen erfolgreich daran gearbeitet, diesen beschissenen Tag aus meinen Erinnerungen zu verdrängen. Eigentlich mehr als nur einen Tag. Alles begann damit, dass Marc und ich einmal zu oft in einem Hinterhof auf Blechbüchsen schossen mit Waffen, die uns nicht gehörten.


Das wars mal wieder, ich hoffe es gefällt euch. Ich bin leider krank geworden, mit Fieber und allem drum und dran, deswegen kann ich nicht versprechen, dass die nächsten Kapitel pünktlich kommen, versuche es aber trotzdem. Schönes Wochenende euch ;)

The dark inside meOnde histórias criam vida. Descubra agora