Kapitel 23: Weihnachtliche Vorfreude

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Die Tage bis zum Weihnachtsball vergingen wie im Flug. Ich musste verdammt viel für die Uni lernen, und so merkte ich kaum, wie die Zeit verstrich. Meine Schwester war inzwischen abgereist, sie musste schließlich arbeiten und konnte nicht ewig vor der Realität davonlaufen. Ihr Ehemann Benjamin war ausgezogen mit der Erklärung, dass er Zeit brauchte, und so wohnte sie alleine mit dem ungeborenen Kind in ihrer alten Wohnung. Sie war einerseits verletzt, aber auch verständnisvoll und dankbar, denn sie brauchte ebenfalls Zeit, um sich über ihre Gefühle klar zu werden.

Noah und ich trafen uns noch ein paar Mal zum Reden oder Filme gucken. Es war einfach zu kalt und regnerisch, um mit unserer Liste weiterzumachen. Der Ball sollte am 22. Dezember, einem Freitagabend stattfinden, teilte Noah mir mit. Zwei Tage vorher, am 20. Dezember, fiel mir ein, dass ich nichts zum Anziehen hatte. Ich verfluchte Lola dafür, dass sie mich gut zwei Wochen zuvor dafür aufgezogen hatte, ich würde zu viel planen. Wäre ich frühzeitig shoppen gegangen, hätte ich mir eine Menge Stress erspart.
Und so rief ich Mittwochmorgen meine beste Freundin an und berichtete ihr panisch von meinem Problem.
"Ich hole dich um 15 Uhr ab, und dann wird geshoppt. Keine Panik, Estelle. Wir kriegen das schon hin."
Auch wenn ich nicht so ganz an ihren Optimismus glaubte, redete ich mir ein, dass sie recht hatte. Sie musste einfach recht haben.

"Wie sehen deine Pläne für die Feiertage aus?", erkundigte ich mich auf der Fahrt in die Stadt.
"Wir fahren über die Feiertage in die Schweiz zu meinen Verwandten. Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins, alle kommen zusammen und feiern", erklärte Lola. "Und was ist mit dir?"
"Heiligabend verbringe ich mit meiner Familie, meine Schwester kommt über Weihnachten auch vorbei. Für den 25. Dezember hat Noah mich gebeten, mit ihm zu feiern."
"Was ist das jetzt eigentlich zwischen euch?"
"Ich weiß es nicht."

Wir gingen in das große Einkaufszentrum, um nach einem Kleid, Schuhen und Schmuck zu suchen. Außer dem Kleid und den Schuhen von dem Kongress, auf dem ich Noah kennengelernt hatte, besaß ich keine derartige Kleidung. Ich war selten auf Anlässen, die Kleid und Pumps erforderten.

Sie Suche nach dem passenden Kleid gestaltete sich weitaus schwieriger, als ich es mir erhofft hatte. Ich probierte einiges an, doch nichts sah gut an mir aus. Zu eng, zu weit, zu kurz, zu lang.
"Ich werde kein passendes Kleid finden, Lola", bemerkte ich, nachdem ich das Zehnte anprobiert hatte.
"Keine Panik. Es gibt noch genug andere Läden", sagte sie aufmunternd.

Tatsächlich konnte ich im nächsten Laden endlich ein Kleid finden. Es war dunkelblau und bodenlang und der V-Ausschnitt betonte mein Dekolleté. Es war ein schlichtes, nicht zu auffälliges Kleid, was mir besonders gut gefiel.
"Es ist wunderschön", hauchte Lola.
Und so machte ich endlich einmal Gebrauch von meinem beachtlichen Budget, welches ich sonst so selten anrührte, und kaufte das Kleid. Zum Glück konnte ich auch noch dunkelblaue High Heels und silberne Ohrringe finden. Zufrieden kehrte ich nach meinem Shoppingtag nach Hause zurück. "Danke, dass du mich beraten hast", sagte ich zu Lola, als sie mich vor meinem Haus absetzte.

Inzwischen war bei uns Zuhause endlich weihnachtliche Stimmung eingekehrt. Mein Vater hatte im Wohnzimmer einen großen Weihnachtsbaum aufgestellt und dekoriert, während meine Mutter die Fensterbänke mit kleinen Schnee- und Weihnachtsmännern verziert hatte. Weihnachten war die Zeit, in der meine Eltern glücklich und ausgelassen und die Stimmung im Haus harmonisch war. Es war für uns immer sie schönste Zeit im Jahr. Und so packte ich Freitag Morgen beim Frühstück, der Ball stand unmittelbar bevor, die Gelegenheit beim Schopf und berichtete meinen Eltern meine Pläne für den Abend.
"Ich habe mir überlegt, für Heiligabend eine Weihnachtsgans zu machen. Hilfst du mir heute Abend, alles Nötige einzukaufen, Estelle?", fragte meine Mutter fröhlich.
"Heute abend bin ich nicht Zuhause, Mom. Tut mir leid, aber dafür helfe ich dir morgen bei der Zubereitung, in Ordnung?"
"Wo bist du den heute Abend?", wollte mein Vater wissen, bevor er genüsslich in sein Croissant biss.
"Ich gehe zu einem Schulball. Ich wurde eingeladen", erklärte ich vage.
"Von wem denn?", fragte meine Mutter. Ich konnte ihren Tonfall nicht deuten.
"Noahs Schwester geht auf die Schule. Noah hat mich gefragt, ob ich ihm begleiten möchte, und ich habe zugesagt", berichtete ich und hatte nun doch Angst vor der Reaktion meiner Mutter.
"Mit diesem Kellner?", fragte sie nervös und presste ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. "Ich habe dir doch verboten, dich weiterhin mit ihm zu treffen." In ihrer Stimme hörte ich keine Wut, nur Bedauern und Enttäuschung.
"Ich bin in der Lage dazu, selbst zu entscheiden, mit wem ich mich treffe, Mom. Ich bin 18, ich bin erwachsen."
"Das weiß ich, mein Schatz. Aber der Junge tut dir nicht gut."
"Da liegst du falsch, Mom. Mit Noah fühle ich mich unbeschwert. Ich bin glücklich. So glücklich wie seit Jahren nicht mehr."
"Das .. das hast du damals auch gesagt, Estelle. Ich möchte dich doch nur beschützen. Ich könnte nicht verkraften, wenn dir noch mal so etwas zustoßen würde."
"Ich verstehe dich, Mom, und ich bin dir sehr dankbar, aber diesmal ist es etwas anderes. Noah ist anders. Bitte, du musst mir vertrauen. Er ist mir wirklich wichtig."
"Dann muss ich mich wohl bei ihm entschuldigen." Ich war unheimlich erleichtert, dass sie Noah endlich eine Chance geben würde.

Am Nachmittag kam Lola vorbei, um mich zu frisieren und zu schminken. Sie kannte sich einfach besser damit aus als ich. Lola machte aus meinen Haaren eine schöne Flechtfrisur und zauberte ein dezentes Make Up her, welches meine Augen betonte. Anschließend half sie mir ins Kleid.
"Du siehst so schön aus, Estelle", sagte sie und drückte mich fest an sich.
"Nur dank dir. Ohne dich hätte ich das alles nicht geschafft. Danke, dass du meine beste Freundin bist." Tränen der Rührung stiegen ihr in die Augen.
"Ich danke dir", erwiderte sie.

Das Klingeln an der Tür ließ uns aufschrecken. "Mach dir einen schönen Abend", sagte Lola und drückte mich noch einmal zum Abschied.

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Ich verspreche euch, dass das nächste Kapitel wieder spannender wird :)

Noah & Estelle - Jede Sekunde zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt