Kapitel 79 - Mister Ich-Habe-Keine-Betitlung-Verdient

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Oben ein weiteres Edit von articulateme :)

Als Mom, Rosy und ich wieder Zuhause ankommen, laufe ich wie ein leeres Vakuum in mein Zimmer. Ich weiß genau, was ich tun muss, um endlich abzuschließen, ich wusste es die ganzen letzten Stunden. Ich öffne meine Zimmertür, gehe zu meiner Sockenschublade, öffne sie, hole meine violetten Socken heraus, betrachte sie, betrachte sie, betrachte sie, fühle und denke und fühle und atme und dann gehe ich in die Ecke meines Zimmers, wo mein Mülleimer steht.

Ich blicke hinein und dann streiche ich nochmal über das H und das V, das Harry eingestickt hat. Ich schlucke schwer, doch diesmal hält mich niemand auf. Diese violetten Socken und ich trennen uns nun endgültig und das hier ist der Anfang. Der Schmerz, dieses ständige hin und her zwischen ihnen und mir war zu aufbrausend, zu anstrengend und es hat mir nicht gut getan. Wenn es so hätte sein sollen, wäre es passiert, aber es ist nichts passiert.

Deswegen lasse ich beide Socken in den Mülleimer fallen und sehe zu, wie sie zwischen dem Papier einsinken, damit ich sie nie wieder herausholen kann. Sie waren Zeitverschwendung, eine Erinnerung an meine Kindheit, an der ich versuchte festzuhalten, aber keinen Sinn hatte. Es hatte nie einen Sinn. Meine Metapher hat nun ein Ende.


„Nein, keine Widerrede, Charlotte", sagt Benja zu Charly, während wir alle im Park auf der Wiese sitzen und den Sommerbeginn genießen. „Das Schuljahr ist fast zu Ende und Erinnerungen müssen sein. Sträub dich nicht." Benja hält seine Kamera hoch, um Charly zu fotografieren, die grimmig guckt.

Sie hält ihre Hand vor die Linse. „Benjamin, ich warne dich. Ich schupse dich in den Brunnen, ich scheiß auf deine Fotos."

„Und ich scheiß auf den Brunnen, also los." Benja befreit seine Kamera und hält sie sich wieder vor das Auge. „Zeig mir deinen hübschen Zähnchen."

Ich liege währenddessen auf dem Rücken in der Wiese und betrachte den fast klarblauen Himmel über uns, verschränke die Arme hinter meinem Rücken. Einige Tage sind seit Williams Beerdigung vergangen und seit einigen Tagen, hat sich so einiges geändert. Harry sehe ich in der Schule so gut wie gar nicht mehr, anscheinend schaffen wir es beide gut, uns aus dem Weg zu gehen. Wenn wir den gleichen Kurs haben, beachten wir uns einfach nicht, manchmal registriere ich ihn kaum. Doch trotzdem denke ich ständig an ihn und wie sehr er mir fehlt. Ständig.

„Du bist echt blöd", meckert Benja und lässt die Kamera sinken, weil Charly sich die Hände vor das Gesicht hält. „Wir gehen nach diesem Sommer alle auf verschiedene Colleges, willst du nicht noch ein paar Fotos machen?"

„Benja, wir haben bestimmt schon tausend Fotos gemacht!"

Er verdreht die Augen. „Blöde Kuh." Dann hebt er die Kamera wieder an und sieht durch sie hindurch zu mir. Ich jedoch reagiere absolut nicht und er nimmt mit gerunzelter Stirn die Kamera weg. „Hey, du bist so still."

„Mir ist nicht danach Fotos zu machen", ist meine knappe Antwort.

„Du wirst bedrückt."

„Ich bin bedrückt."

Benja seufzt und sieht auf seine Kamera, drückt ein paar Knöpfe. „Wenn ich dich damit aufmuntern kann, dann zeig ich dir ein paar Bilder, die ich von lachenden Kindern gemacht habe."

„Ich denke nicht, dass das helfen würde, Benja."

„Mir hilft es immer", sagt Charly und setzt sich neben Benja, der durch seine Galerie tippt. „Hach, das ist ja goldig!"

„Nicht wahr?" Benja lacht. „Hier hat eins Eis auf der Nase."

Mit einem leichten Kopfschütteln schließe ich die Augen und versuche sie auszublenden. Sie versuchen ständig, mich aufzumuntern oder mich zum Lachen zu bringen, misslingt ihnen allerdings zu oft. Es tut mir leid für sie, aber ich brauche meine Zeit. Es ist wie damals, dort brauchte ich auch mehrere Wochen, um wieder normal zu werden.

Violet Socks I HSWhere stories live. Discover now