Kapitel 1 - Adonis höchstpersönlich

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„Weißt du, was sich noch auf Violet reimt?"

Gelangweilt und kurz davor diese Gabel vor mir zu greifen und sie direkt ins Auge dieses debilen Kerls zu stechen, blinzle ich. „Nein, was denn?"

„Lederfett."

Heiliger.

Er tippt sich nachdenklich ans Kinn. „Es ist echt witzig. Ich habe noch nie einen Namen gehört, auf den sich so viele Begriffe reimen. Kennzeichnungsetikett, Sterbebett, Wasserklosett, ..."

„Ja, wirklich, zum totlachen. Das sind wunderbare Reime."

„Schmierfett!"

Mein Blick fällt auf die Uhr, die über einem alten Hirschgeweih hängt. Erst halb acht. Wir sitzen gerade mal eine halbe Stunde hier und schon jetzt ist die Sympathie zu Torben, der mir gegenüber sitzt, enorm. Nicht.

„Ich hab noch einen", sagt Torben und schnippst, als hätte er gerade herausgefunden, wie man Krebs heilt. „Lederfett!"

Ich atme tief durch. „Lederfett sagtest du bereits. Das zählt nicht mehr."

„Mist." Er kraust die Stirn und starrt auf einen Fleck, um sich zu konzentrieren. „Normalerweise bin ich besser in so etwas."

Und normalerweise verbringe ich meine Freitagabende auch nicht mit grenzdebilen Kerlen, die zu einem Date mit schmutzigen Jeans und zu kleinen High-School-Jacken auftauchen. Zwar meinte er, er hätte keine Zeit gehabt, sich etwas Ordentliches für unser erstes Treffen anzuziehen, denn sein Papagei war auf dem Baum sein Nachbarn geflohen und geschlagene vier Stunden nicht mehr heruntergekommen, doch dass ich weiß, dass er gar keinen Papagei hat, scheint irrelevant zu sein. Übrigens war dieser nichtexistente Papagei auch die Ausrede dafür, dass er zwanzig Minuten zu spät gekommen ist und ich in der Kälte stehen musste.

„Gib mir noch ein paar Sekunden." Er rauft sich heftig nachdenkend die Haare, die nebenbei kreuz und quer abstehen, denn nicht mal die scheint er zurechtgemacht zu haben. „Violet ... Violet ..."

Jetzt reicht es mir. Wo sind wir hier? In einem Sprachkurs für Legastheniker? Ich werde mir keine weitere halbe Stunde mehr antun, Storys über Footballspiele oder den neuen E-Klasse Mercedes anzuhören, der ja in rot total grausam aussieht und nur wahre Pracht ausstrahlt, wenn man ihn in schwarz oder mattem weiß kauft. Und noch weniger bin ich hier, um mir anzuhören wie viele Wörter mit Fett, - kett, oder - bett enden, um einen idiotischen Reim mit meinem Namen zu finden.

Deswegen sage ich: „Weißt du, was sich auf Torben reimt?"

„Was denn?"

„Verstorben."

Er runzelt die Stirn.

„Verdorben", rede ich weiter. „Oder noch besser ... Gestorben." Denn das ist er genau in diesem Moment für mich.

„Willst du schon gehen?", fragt Torben verwirrt, als ich beginne wortlos meine Jacke anzuziehen.

„Wie nett, dass du fragst", sage ich ironisch und knüpfe meinen Mantel zu. „Ich muss leider dringend nach Hause."

„Weshalb?" Jetzt stehen seine Haare alle nach oben, nachdem er seine Hände aus ihnen genommen hat. Gewaschen hat er sie wohl auch nicht.

„Oh, weißt du", erkläre ich, als ich aufstehe und meine Handtasche schnappe, „gerade eben habe ich ein seltsames Signal empfangen und ich glaube, meine Fledermaus steckt in Schwierigkeiten, deswegen muss ich dringend zu ihr."

„Deine Fledermaus?", fragt Torben noch verwirrter, als ich meinen Stuhl an den Tisch schiebe.

„Ja, Max, meine Fledermaus. Ich verständige mich mit ihr immer über die höhen Schalle, die für das menschliche Ohr nicht zu hören sind. Er ruft nach mir, deswegen muss ich abhauen."

Violet Socks I HSWhere stories live. Discover now