Kapitel 33 -Der Ich-Wäre-Viel-Lieber-Am-Strand-Blick

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„Und wenn wir am Samstag schon einkaufen gehen, sollten unsere Kleider bis nächste Woche fertiggeschneidert sein", erzählt Charly, während ich ihr seufzend meinen Spint zuknalle. Sie blättert in ihrem Terminkalender herum. „Wir müssen nur endlich mal die Sache mit der Bezahlung klären. James, Carla, Rene und Marcus haben immer noch nicht bezahlt."

Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand und muss feststellen, dass ich das erste Mal in meinem Leben keine Lust auf die gleich kommenden Theaterstunden habe. Die Laune darauf wurde mir gestern Abend stetig von Harry verdorben.

„Bis jetzt haben wir nur zweihundertdreißig Pfund", sagt Charly wieder und schreibt etwas in ihr Buch. „Das wird nie im Leben reichen."

Eigentlich würde ich darauf etwas sagen, doch mein Blick wird von einer Gruppe an Leuten eingefangen, die gerade durch den Haupteingang den Schulflur betreten. Sofort höre ich Charly nur noch halbherzig zu, als ich deren Schritte verfolge. Jessica, die Braue, Brandon, Chris, Liam und die Person, die ich gerade am wenigsten sehen will, schreiten gemeinsam durch den Flur, als wüssten sie genau, welchen Rang sie hier haben. Alle haben gehobene Köpfe, sehen niemanden um sich herum an, während Jessica an Harrys Arm hängt, Chris daneben mit den anderen läuft. Wäre das hier ein Teeniefilm, würde jetzt eine Zeitlupenfrequenz daraus gemacht werden, in der man genau beobachten kann, wie ich sie alle verstohlen anblicke, niemand von ihnen jedoch mich auch nur eine Sekunde beachtet, um klarzumachen, dass ich der Loser bin und sie die Coolen.

Jedoch ist das hier kein Teeniefilm, deswegen versuche ich zwar wegzugucken, doch trotzdem treffen meine Augen auf Harrys. Ich wusste, dass es mit dem Rausschmiss meiner Socken aus Benjas Zimmer nicht getan ist und ich somit unseren kleinen Kuss nicht vergessen kann, aber trotzdem wünsche ich mir in diesem Moment, ich würde nicht an das Gefühl seiner weichen Lippen auf meinen denken. Ich will es vergessen, wirklich, aber wenn ich so in seine Augen sehe, scheint es unmöglich.

Ich bin mir nicht sicher, aber während Harry mich ansieht und ich ihn, fühlt es sich an, als würden wir wieder eine kurze Konversation führen. Allerdings ist es diesmal ziemlich unnett, was wir uns zurufen. Er wirkt extrem resigniert, woraus man auch schließen könnte, dass ich mir dieses Gespräch nur einbilde. Wahrscheinlich tue ich das. In seinem Ausdruck liegt null Interesse. Es ist, als würde er mich von oben herab betrachten und mir weismachen, dass ich wirklich nur der Loser in diese Szenario bin. Womit er ja auch Recht hat. Jetzt gerade bin ich für ihn niemand mehr von Bedeutung, sondern nur ein Stück vom langweiligen Rest in diesem Flur.

Weswegen er den Blickkontakt als erstes wieder abbricht, sein neutralen Ausdruck beibehält und seinen Arm um Jessicas Schultern legt, die sich sofort grinsend an ihn kuschelt. Sie laufen genau an mir vorbei und zwei Sekunden später ist die Zeitlupenfrequenz vorbei.

Zwei Finger, die genau vor meiner Nase mehrmals schnipsen, holen mich wieder in die Realität und mein Kopf schwenkt zu Charly, die mich skeptisch ansieht. „Hörst du mir eigentlich zu oder bist du nur auf Brandons Hinterteil fixiert?"

Ich runzle die Stirn. „Auf Brandons Hinterteil?"

„Ja." Sie deutet auf Harry und den ganzen Rest. „Kaum läuft Brandon hier vorbei, bist du gar nicht mehr anwesend."

Ich blinzle. Mir scheint total entgangen zu sein, dass Brandon auch dabei war. Früher habe ich immer nur ihn angestarrt, als er mit ihnen vorbeigelaufen ist, selten sah ich zu Harry. Anscheinend hat der Kuss und der Streit mit Harry mehr in mir verunreinigt, als ich dachte.

„Wie auch immer, du scheinst echt verloren zu sein", meint Charly und steckt ihr kleines Buch in die Tasche. „Bereit fürs Theater?"

Nein, bin ich nicht. Doch ich nicke und gemeinsam laufen wir zum Theaterkurs und ich stelle mich schon mal auf den nächsten Streit mit Harry ein. Oder vielleicht ignoriert er mich auch komplett. Ich bin mir nicht sicher, welche Variante mir besser gefällt.

Violet Socks I HSWhere stories live. Discover now