Kapitel 112. Gefährliche Verwandlung

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Kurz vor der Mittagszeit brach Ora ein weiteres Mal zu der Lichtung auf.
Sie war ein wenig müde, aber die Zeit mit ihrer Famile war es ihr wert gewesen.
Sie ging gemütlich vor sich hin.
Nach einer Weile kam sie in die Nähe der alten Brücke.
Sie konnte Stimmen hören, die ihr bekannt vorkamen.
Als sie näher kam, bemerkte sie, dass die kleine Familie noch immer dort war.
Sie ging sofort zu ihnen.
"Was macht ihr denn noch hier?", fragte sie.
"Wir wollten uns noch bei dir bedanken!", sagte die Frau.
Das Mädchen stockte.
"Ihr habt die ganze Zeit hier gewartet?", fragte sie besorgt, "Wo es doch so kalt ist? Was hättet ihr getan, wenn ich heute nichtmehr gekommen wäre?"
"Dann wären wir morgen nochmal gekommen!", sagte die Erwachsene, "Für das, was du getan hast, müssen wir uns bedanken!"
Der Drache seufzte.
Sie sah Ninon an.
"Ich will nicht, dass ihr euch bedankt!", sagte sie, "Ich bin glücklich, wenn eure Tochter ein langes Leben hat!"
"Gibt es nicht irgendwas, was du dir wünschen würdest?", fragte der Mann.
"Wenn mir etwas einfällt, dann melde ich mich!", sagte die Königin, "Aber haltet euch nicht länger in diesem Wald auf! Es ist gefährlich! Wenn man einmal mit Magie in Berührung gekommen ist, wird man sie nie mehr los! Und es gibt vieles, das eure Vorstellungen über Weites übertrifft..."
Sie war kurz leise.
"Ich muss gehen!", sagte sie, "Für ein längeres Gespräch bin ich nicht in Stimmung!"
"Ist okay!", sagte die Frau, "Wir verstehen das! Wir sehen uns wohl ein andermal!"
Sie gingen getrennte Wege.

Die Drachin ging weiter zur Lichtung.
Die Polizisten warteten wieder auf sie.
"Was wollt ihr?", fragte Ora, "Gibt es noch ein Problem?"
"Ähh... ja, ähm... unser Chef will eine genaue Uhrzeit wissen!", sagte der Polizist.
Das Mädchen schnaubte.
"Wenn das so ist, dann erwartet mich um Punkt Mitternacht!", sagte sie, "Nicht früher und nicht später!"
"Um Mitternacht zünden viele Leute ein Feuerwerk!", sagte der Mann, "Es wäre gefährlich, dann über die Stadt zu fliegen!"
"Ich werde aufpassen!", sagte der Drache, "Pünktlich zur letzten Minute komme ich! Keine weitere Verhandlung!"
Der Erwachsene schluckte.
"Na gut...", sagte er, "Wir richten es aus!"
"Dann geht jetzt!", sagte die Königin, "Lasst mich allein! Ich möchte meine Ruhe!"
Der Beamte nickte.
"Sollte es keine Probleme mehr geben, dann sehen wir uns am Samstag!", sagte er, "Wir freuen uns!"
"Ich mich auch...", sagte die Drachin nachdenklich.
Die Polizisten verschwanden.
"Du scheinst nicht besonders glücklich!", hörte Ora, "Sag, was bedrückt dich?"
Sie wurde wieder von einer Wurzel hochgehoben.
Sie seufzte.
"Vielleicht war ich zu streng zu Papa!", sagte sie, "Er hat sich schließlich entschuldigt!"
"Seine Wunden werden heilen!", sagte der Baum, "Wahrheit zu verlangen ist nie falsch! Es zeugt von Stärke, die Meinung zu sagen! Und selbst, wenn du ihn verletzt hast, wird er dir verzeihen!"
"Er ist ein guter Mensch!", sagte das Mädchen, "Ich hab so viel Glück garnicht verdient!"
"Das hast du sehr wohl!", sagte die Pflanze, "Das Leben hat schon so viele Opfer von dir verlangt! Du bist ein besonderes Mädchen, Ora! Auch besonderen Mädchen passieren gute und schlechte Dinge!"
"Warum bin ich besonders?", fragte der Drache, "Was ist an mir anders, als an irgendwem sonst?"
"Für eine Veränderung gibt es nicht immer einen Grund!", sagte das Gewächs, "Du wurdest in dieses Leben hineingeboren! Und du erledigst deinen Dienst besser, als es irgendwer anders könnte!"
"Welchen Dienst denn?", fragte die Königin, "Warum sagt mir keiner, welchen Grund das alles hat, was ich in meinem Leben je getan habe?"
"Früher oder später wirst du es herausfinden!", sagte der Baum, "Hab Geduld! Es wird sich alles aufklären!"
Sie ließ sie hinunter und war still.
Die Drachin knurrte.
Sie sagte nichts, sondern öffnete einfach die Kiste und holte die Briefe heraus.

Als sie gerade gehen wollte, hörte sie ein Knacksen.
Sie sah sich um und horchte.
"Wer ist da?", fragte sie unfreundlich.
Sie fuhr die Krallen aus.
Sie roch einen Menschen, den sie nicht kannte.
"Komm raus!", rief sie, "Wenn ich nicht ungemütlich werden soll!"
Im nächsten Moment kam ein unbekannter junger Mann hinter den Bäumen hervor.
Er hatte die Hände gut sichtbar von sich gestreckt.
"Ganz ruhig!", sagte er, "Ich will nur reden!"
"Ich schätze es nicht, wenn man mich ausspioniert!", knurrte Ora, "Ich habe keine Zeit für ein Gespräch! Schreib einen Brief und komm ein andermal wieder!"
Sie drehte um und ging auf die Bäume zu.
"Hast du auch für deinen Bruder keine Zeit?", fragte der Fremde.
Das Mädchen blieb schlagartig stehen.
Die drehte sich langsam um.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
"... Sacha?", fragte sie vorsichtig.
Der Junge nickte.
Der Drache schluckte.
"W... was tust du hier?", fragte sie.
"Ich wollte euch kennenlernen!", sagte der Jugendliche, "Mein... unser Vater hat mir alles erklärt!"
"Er hat gesagt, er stellt uns am Jahresende vor!", sagte die Königin.
"Ich konnte nicht so lange warten!", sagte der Teenager und senkte den Kopf, "Entschuldige, wenn dir das unangenehm ist!"
"Nicht doch, ich... das geht mir nur alles zu schnell!", sagte die Drachin, "Ich dachte nicht, dass ihr ihm so schnell verzeiht!"
"Liegt wohl in der Familie...", sagte ihr Halbbruder, "Er klang auch recht überzeugend!"
"Sonst wärst du nicht hier!", sagte Ora, "Was hat er dir alles erzählt?"
"Einiges...", sagte Sacha, "Bei einem hat er gesagt, du bringst ihn um, wenn er uns das sagt! Und dann hat er es uns gesagt!"
"Weshalb sollte ich ihn umbringen?", fragte das Mädchen und verschränkte die Arme.
"Wie ist deine Freundin denn so?", fragte der Junge und zuckte mit den Augenbrauen.
Der Drache wurde schlagartig rot.
"Ich töte diesen Mann!", sagte sie gespielt wütend und beschämt gleichzeitig.
"Er hat gesagt, ich hätte es irgendwann eh selber rausgefunden!", sagte der Jugendliche.
"Ich kann es dir aber auch selber sagen!", sagte die Königin, "Das hätte ich auch getan! Irgendwann..."
"Jetzt hat er dir die Arbeit abgenommen!", sagte der Teenager, "Komm schon, erzähl von ihr und deiner Familie!"
"Sie ist wundervoll und ich liebe sie!", sagte die Drachin, "Außerdem versteht sie sich super mit meinen Schwestern und meiner Tochter! Besser könnte es nicht laufen! Und ich hoffe, du verstehst dich gut mit ihnen!"
"Werde ich sicher, aber... hab ich... das grade richtig verstanden?", fragte ihr Halbbruder, "T... Tochter?"
"Das hat er dir wohl nicht erzählt!", sagte Ora.
"Ich bin Onkel?!", fragte Sacha ungläubig.
Er strich sich verdutzt durch die Haare.
"Das ist mit jetzt schon zu viel!", sagte er und ließ sich rückwärts in den Schnee fallen.
"Steh sofort wieder auf, du erkältest dich noch!", schimpfte das Mädchen.
Der Junge gehorchte sofort.
"Du bist schlimmer als meine Mutter!", sagte er.
"Komm, wir gehen zu mir nach hause!", sagte der Drache, "Dort können wir in Ruhe reden!"
"Lerne ich meine Nichte kennen?", fragte der Jugendliche aufgeregt.
"Ja, und meine Freundin!", sagte die Königin seufzend.
Der Teenager grinste.
"Ich freu mich schon!", sagte er, "Gehen wir?"
"Jup!", sagte die Drachin und zog ihn mit sich mit.

Die Königin der DrachenOù les histoires vivent. Découvrez maintenant