Kapitel 10. Ora's neues Zuhause

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"Hey Schwesterherz, komm doch mal!", rief Ella, "Ich hab' hier was gefunden, was dich interessieren könnte!"
"Was denn?", fragte Ora und kam die Treppe herunter.
"Hier, das Familienportrait unserer Mutter!", sagte ihre Schwester, "Fällt dir was auf?"
"...nicht ein einziger Junge...", sagte Ora nachdenklich.
"Unsere ganze Familie besteht aus Frauen!", sagte Ella, "Taran hatte recht!"
"Wie kommt es, dass nicht einmal ein Junge geboren wurde?", fragte Ora.
"Das liegt wohl in der Familie", sagte Ella, "Aber das bedeutet, du trägst ein kleines Mädchen in deinem Bauch!"
"Na mach mal langsam!", sagte ihre Schwester, "Das ist jetzt noch kein bisschen wichtig! Ich weiß ja noch nicht mal, wie lange sowas dauert!"
"Also eure Mutter hat das Ei nach etwa vier Monaten gelegt! Dann hat es noch einige Monate gedauert, bis ihr geschlüpft seid!", sagte Jade (Wie der Edelstein), eine alte Freundin ihrer Mutter, "Wie viele genau weiß ich nicht mehr, aber definitiv mehr als bei mir!"
"Wieso das?", fragte Ella.
"Weiß nicht, aber es war so!", erwiederte die Erwachsene.
"T... tut es denn weh?", fragte Ora vorsichtig.
"Nun, ich finde es ist auszuhalten", meinte Jade, "Das wird schon!"
Einige Tage später entschloss Ora sich, in den Wald zu gehen.
Ella wollte mitkommen, doch ihre Schwester ließ sie nicht.
"Was hat sie vor?", fragte Ella.
"Nun, sie hört auf ihren Instinkt!", erklärte Jade, "Und das ist gut so!"

Die Schüler in Paris hatten an diesem Tag Wandertag und gingen in den Wald.
Manche hatten Lust darauf, andere garnicht.
Mae und Lina waren irgendwas dazwischen.
Sie waren froh, dass sie keinen Unterricht hatten und gleichzeitig wollten sie nicht in den Wald gehen.
Ohne Ora machte das keinen Spaß.
Der Drache war lange nicht mehr in die Schule gekommen.
Sie verwandelte sich auch nicht mehr in einen Menschen, seit sie das mit dem Kind erfahren hatte.
"Glaubt ihr, wir könnten Ora treffen?", fragte Mae.
"Sie muss sich wahrscheinlich um wichtigere Sachen kümmern", sagte ihre Lehrerin.
Doch in diesem Augenblick sah sie etwas im Augenwinkel.
Es war Ora, welche aus irgendeinem Grund Steine aus dem See, welcher in der Nähe war, holte.
Bevor die Schüler näher kommen konnten, flog sie weiter zu einer Höhle, die einige Meter über ihnen in einen Berg hineinführte.
Nach wenigen Minuten kam sie wieder heraus und holte die nächste Ladung Steine.
Die Schüler kamen näher.
"Hey Ora, was machst du da?", fragte Lina.
Der Drache zuckte und drehte sich um.
Doch anstatt wie sonst immer "Hallo" zu sagen, zischte sie laut und flog zurück zu ihrer Höhle.
"Was war das denn eben?", fragte Damien.
"Das nennt man Mutterinstinkt!", erklärte Louis, "Sie beschützt ihr Kind, auch wenn es noch garnicht da ist!"
"Hör auf zu lügen Lou, das ist uncool! Sie mag uns einfach nicht mehr!", sagte Joel.
"Louis hat recht!", lobte Madame Rousseau, "Gut gemacht!"
"Haben Menschen das auch?", fragte Aimee neugierig.
"Eigentlich schon, nur dass wir andere Leute oder Tiere nicht anfallen, sollten sie zu nah ran kommen!", erwiederte die Frau, "Wir sorgen uns um das Kind und würden alles tun, um es in Sicherheit zu wiegen!"
"Oder wir setzen es aus und bringen es ins Weisenhaus, weil wir es nicht haben wollen!", sagte Lina frech.
"Das machen Tiere aber auch, nur dass sie es nicht ins Heim bringen, sondern dem Schicksal überlassen, oder selber töten!", sagte Louis, "Ich glaube zwar nicht, dass Ora das machen würde, aber ausgeschlossen ist es nicht."
"Richtig!", sagte Rousseau, "Wir sollten hier weg, damit sie ihre Ruhe hat und... was auch immer sie mit den Steinen vor hat... machen kann!"
Also gingen die Schüler wieder.
Alle, bis auf Joel.
Dieser hatte sich in den Kopf gesetzt, hinauf zu der Höhle zu klettern und zu sehen, was da oben war.
Seiner Lehrerin blieb nichts anderes übrig, als ihm nachzuklettern.
Sie hatte schließlich die Verantwortung für ihn.
Die anderen Schüler zögerten, doch kamen hinterher.
Sie wollten es nämlich auch sehen.
Oben angekommen war von Ora keine Spur.
In der Mitte der Höhle waren große und kleine Steine zu einem Kreis gelegt worden.
In der Mitte des Kreises lagen viele trockene Stöcke, sowie Blätter und Halme.
"Was soll das denn sein?", fragte Joel.
"Das ist ein Nest!", fiel Maelle auf.
"Wir sollten nicht hier sein!", sagte Damien und wollte wieder umdrehen, als sich ihnen ein riesiger goldbrauner Drache in den Weg stellte.
Er knurrte.
"Das ist ein Nesträuber!", sagte Madame Rousseau und wich zurück, "Das gibt es scheinbar auch bei Drachen!"
Doch bevor der fremde Drache die Klasse angriff, stellte sich Ora ihm in den Weg.
Sie fauchte und schlug aufgeregt mir den Flügeln.
Dann sprang sie den Artgenossen, der etwa dreimal so groß war wie sie selbst, an und kratzte ihm eines seiner Augen blutig.
Als dieser zum Angriff ansetze, biss Ora ihm kräftig in den Nacken, sodass er zurückwich.
Erst als sie wieder von seinem Rücken sprang bemerkte er, dass er die Königin angegriffen hatte.
Er ging noch weiter zurück und rutschte mit den Hinterbeinen ab.
Ora bäumte sich auf und drängte ihn hinaus.
Er verschwand schnellstmöglich.
Dann drehte das Drachenmädchen sich um und sah ihre Freunde wütend an.
Sie schnaubte.
"Tut uns leid, Joe wollte unbedingt hier raufklettern!", versuchte Damien sich zu verteidigen.
"Hey! Ihr hättet ja nicht nachkommen müssen!", sagte Joel.
"Es reicht jetzt! Wir gehen jetzt und lassen sie in Ruhe!", sagte Masame Rousseau, "Wir haben lange genug gestört!"
"Hiergeblieben!", sagte Ora, als die anderen gehen wollten, "Wenn ihr schonmal hier seid, könnt ihr auch mit anpacken!"
"Steine schleppen?", fragte Joel, "Ohne mich!"
Ora schlang ihren Schwanz um das Bein des Jungen, sodass dieser nicht weggehen konnte.
"Du wolltest unbedingt sehen, was hier oben ist, also musst du auch dafür bezahlen!", sagte Ora, "Genau wie im Museum!"
"Das meinst du doch nicht ernst?", fragte Lina vorsichtig.
"Nein, eigentlich nicht!", sagte Ora und lachte, "Ihr hättet eure Gesichter sehen sollen!"
Die Schüler wussten nicht so ganz, ob sie nun lachen oder weinen sollten.
"Ach übrigens, ich denke es ist trotzdem angebracht, dass wir helfen!", sagte Madame Rousseau, "Schließlich sind wir hier unerlaubt eingebrochen!"
Die Schüler hörten schlagartig auf zu lachen.
"Das ist doch nicht ihr Ernst?", fragte Louis.
"Doch, das ist mein voller Ernst!", erwiederte die Lehrerin, "Ora, wir warten auf Befehle!"
"Im Ernst?", fragte diese ungläubig.
Die Frau nickte.
"Ich denke, da findet sich was!", sagte Ora dann.
"Aber wir kommen doch hier garnicht richtig hoch!", versuchte Joel sich herauszureden.
"Das haben wir gleich!", sagte der Drache.
Sie schloss die Augen, und plötzlich begann die Erde zu beben.
Vor dem Eingang der Höhle hob sich die Erde und formte einen Weg.
"Aber Steine schleppen ist doch das Allerletzte!", jammerte Joe.
"Nein, Steine hole ich selber, ihr könnt Stöcke, trockene Blätter und so holen.", sagte der Drache, "Einfach alles was gut glüht, wenn es heiß ist."
"Wofür brauchst du das?", fragte Mae.
"Ein Drachenei brütet sich auch nicht von selbst aus!", erwiederte Ora.
Die Schüler hatten zuerst wenig Lust, doch nach einiger Zeit schien es ihnen Spaß zu machen.
Sie machten Wettrennen.
Wer das meiste Brennholz sammelte und am schnellsten war, gewann.
Nur Joel wollte nicht zugeben, dass er Spaß daran hatte.
Nach einer Stunde mussten die Schüler weiter, doch das was sie rangeschafft hatten reichte für die ersten zwei Wochen.
"Falls ihr mich sucht, ich wohne jetzt hier!", rief Ora ihnen nach und machte sich zurück an die Arbeit.

Die Königin der Drachenحيث تعيش القصص. اكتشف الآن