Kapitel 110. Die Sache mit Kräften

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Ora wachte Instinktiv kurz vor vier Uhr morgens auf.
Sie setzte sich auf.
Rewe wachte durch ihre Bewegungen auf.
"Ach, schon so spät?", fragte sie mit einem ironischen Unterton.
"Ich konnte nichtmehr schlafen!", sagte das Mädchen, "Und früh dran sein schadet nicht!"
"Hier, den wirst du brauchen!", sagte die Frau und legte ihr ihren Pullover hin.
"Danke!", sagte der Drache.
Sie zog sich an und stand auf.
"Schlaf ruhig weiter, ich verschwinde!", sagte sie und küsste sie auf die Wange, "Wir sehen uns später!"
Ihre Freundin lächelte.
"Bis später, Süße!", sagte sie leise und kuschelte dich wieder in die Decke.
Die Königin verschwand mit einem halben Apfel im Wald.

Sie ging zu der Brücke.
Dort setzte sie sich auf das steinerne Geländer und aß die Frucht.
Anschließend breitete sie eine Decke aus und legte sich mit dem Blick nach oben darauf.
Sie sah in den Sternenhimmel und seufzte.
"Hast du einen Plan, wie du das Mädchen behandeln willst?", hörte sie plötzlich.
Eine Wurzel ragte neben ihr aus dem Boden nach oben.
"Du bist auch schon wach?", fragte der Drache.
"Natürlich, ich wache immer!", sagte der Baum, "Kannst du meine Frage beantworten?"
"Ich schätze, ich gehe nach meinem Gefühl!", sagte die Königin, "In irgendeiner Weise fühle ich mich, als könnte ich alles tun!"
"Das ist ein gutes Zeichen!", sagte die Pflanze, "Wenn du dir selbst vertraust, kannst du deine Kräfte fehlerfrei einsetzen!"
"Fehlerfrei?", fragte die Drachin, "Was würde passieren, wenn ich einen solchen Fehler machen würde?"
"Es geht um deine körperliche und geistige Gesundheit!", sagte das Gewächs, "Wenn du Probleme hast, einen Zauber auszuführen, dann kann dich das sehr stark verletzen! Ich muss dich noch einmal ausdrücklich darum bitten, kein Risiko einzugehen! Wenn du irgendwelche Probleme hast, dann breche dein Vorhaben sofort ab! Magie ist gefährlich! Auch für die, die sie ausführen!"
Dann verschwand die Wurzel.
Ora sah ihr hinterher.
"Sehr viel Info war das jetzt wirklich nicht!", sagte sie.
"Sieh zu, was du damit anfängst!", hörte sie leise.
Sie seufzte und legte sich wieder flach hin.
Sie gähnte und schloss ohne es zu merken die Augen.
Nach einer Weile nickte sie ein.

Als sie wieder aufwachte, waren die Sterne bereits verschwunden.
Sie schrak auf.
Nichtmehr lange bis Sonnenaufgang.
Ihr Magen knurrte.
Sie bereute es, dass sie nichts gegessen hatte.
Sie sah sich um.
Im Fluss unter der Brücke schwammen ein paar Fische.
Sollte sie?
Es wäre etwas unschön, blutverschmiert auf diese Menschen zu warten.
Andererseits konnte sie sich hungrig nicht besonders gut konzentrieren.
Sie sah in den Himmel.
Sie hatte noch genug Zeit, um sich anschließend zu waschen.
Also gab sie ihrem Trieb nach und stillte ihren Hunger.
Danach wusch sie sich im Fluss, auch wenn das Wasser kalt war, bevor sie wieder an ihren Platz ging.

Sie wusste nicht, dass sie die ganze Zeit dabei beobachtet wurde.
Die Menschen hatten nämlich beschlossen, pünktlich zu sein, und konnten von einer gewissen Entfernung alles sehen.
"Bist du sicher, dass das die richtige Lösung ist?", fragte der Familienvater seine Frau leise.
"Sie... hatte eben Hunger!", sagte diese, "Ich weiß, du hast Zweifel, aber es geht um unsere Tochter!"
"Glaubst du, dieses... Mädchen kann ihr wirklich helfen?", fragte der Mann zweifelnd.
Er sah das zehnjährige Mädchen an, das neben ihm stand.
"Das ist unsere letzte Hoffnung!", sagte die Erwachsene.
"Werd ich wieder gesund, Papa?", fragte das junge Mädchen.
Ihr Vater seufzte.
"Wir hoffen es!", sagte er, "Es wäre wunderbar!"
"Dann können wir!", sagte die Mutter, "Das mit den Fischen sprechen wir aber lieber nicht an.."
Ihr Mann nickte.
Sie gingen näher heran.
Der Drache bemerkte sie zuerst nicht.
Die Menschen gingen langsam zu ihr.
Als sie fast da waren, hörte die Königin ihre Schritte.
"Oh, ihr kommt früh!", sagte sie überrascht und lächelte, "Das ist schön!"
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sie aufstand.
Sie hielt den beiden Erwachsenen jeweils die Hand hin.
Die Frau nahm die Begrüßung vorsichtig an, doch ihr Ehemann verweigerte sie sehr direkt.
Die Drachin ließ ihre Hand gekränkt sinken und ging ein Stück weg.
"Kein Freund vom Händeschütteln?", fragte sie leise, "Dann nicht..."
Sie senkte den Kopf ein wenig.
Der Mann fühlte sich etwas schlecht.
"Entschuldige..", sagte er, "Ich wollte dich nicht beleidigen!"
"Schon gut...", sagte Ora.
Sie sah das Mädchen an.
"Dann bist du wohl die angeschlagene Tochter, richtig?", fragte sie.
Die Kleine nickte.
"Kannst du mir helfen?", fragte sie schüchtern.
"Ich werd's versuchen!", sagte der Drache und kniete sich zu ihr nach unten, "Wie heißt du?"
"Ninon...", sagte das Mädchen und ging vorsichtig zu ihr, "Ich hab so Kopfschmerzen!"
Ihr stiegen Tränen in die Augen.
"Halt noch ein wenig durch, ok?", bat die Königin, "Wir kriegen das hin!"
"Der Tumor in ihrem Gehirn kann nicht entfernt werden!", sagte die Mutter, "Magie ist unsere letzte Hoffnung!"
"Ich verstehe!", sagte die Drachin, "Aber ihr müsst euch klar darüber sein, dass Magie einen gewissen Preis hat!"
"Du bekommst, was du willst, aber bitte hilf unserer Tochter!", sagte die Frau.
"Ich möchte nichts!", sagte Ora, "Der Preis für Magie ist ein ganz anderer! Bei einem solchen Zauber ist das Risiko, dass einer der Betroffenen verletzt wird, sehr hoch! Ich musste jemandem versprechen, kein Risiko für meine eigene Gesundheit einzugehen! Ich selbst kann sofort abbrechen, wenn ich etwas spüre, aber wenn eure Tochter in Gefahr ist, spüre ich das nicht! Es besteht die Gefahr, dass sie durch den kleinsten Fehler stirbt! Das muss euch klar sein! Ich übernehme keine Verantwortung für das Überleben der Kleinen!"
Die Erwachsenen stockten.
Sie sahen sich gegenseitig an.
"W... wie würde sie dann sterben?", fragte der Mann.
"Herzinfakt, Hirntod, je nach dem!", sagte der Drache, "Ich gehe nicht das Risiko ein, dass der Zauber sie auseinander reißt! Es wäre ein sofortiger und schmerzloser Tod!"
"D... dann gehen wir darauf ein!", sagte die Frau, "Wenn es wirklich schiefgeht, dann leidet sie zumindest nicht länger!"
"Dann soll es so sein!", sagte die Königin, "Setzt euch zu mir!"
Sie setzte sich auf die Decke auf dem Geländer.
Die drei Menschen setzten sich um sie herum.
Die Drachin zog das Mädchen sanft auf ihren Schoß.
Diese zitterte ängstlich.
"Hab keine Angst!", sagte Ora leise, "Alles wird gut!"
Die Kleine klammerte sich an die Hände ihrer Eltern.
"Du musst sie jetzt leider loslassen!", sagte der Drache sanft, "Sonst kann ich deine Kopfschmerzen nicht heilen!"
Das Mädchen ließ sofort los.
"Mach, dass es aufhört, bitte!", schluchzte sie und kauerte sich zusammen.
"Shhh..", sagte die Königin, "Du musst jetzt ganz leise sein! Was findest du denn ganz schön?"
"Zuhause sein!", sagte die Kleine.
"Gut!", sagte die Drachin, "Dann mach die Augen zu und stell dir vor, du bist mit Mama und Papa zuhause und alles ist gut! Es ist warm, du hast keine Kopfschmerzen und einen Arzt brauchst du nicht! Kannst du das?"
Das Mädchen nickte und schloss die Augen.
Ihre Anspannung löste sich.
Ora lächelte.
Sie zog einen weißen Stein aus ihrer Tasche.
"Nicht erschrecken!", sagte sie leise.
Sie legte den Stein an die Stirn der Kleinen.
Diese zuckte kurz, da er kalt war, doch beruhigte sich schnell wieder.
Der Drache zeigte durch ein Handzeichen, dass ihre Eltern leise sein sollten.
Diese nickten nur.
Die Augen der Königin leuchteten Grün auf.
Sie schloss sie und konzentrierte sich.
Sie fuhr mit dem Stein über den Kopf des Mädchens, bis sie die richtige Stelle gefunden hatte.
Dann nahm sie ihn weg und hielt ihn etwas weiter in die Luft.
Sie flüsterte etwas in einer unbekannten Sprache.
Im nächsten Moment ächzte die Kleine plötzlich, als würde sie nach Luft schnappen.
Ihre Eltern erschraken und wollten ihr helfen, doch die Drachin hielt sie auf.
Sie öffnete ihre Lider.
Der weiße Film bedeckte wieder ihre Pupillen.
Sie legte ihre Hand auf die Stirn des Mädchens und verkrampfte sich leicht.
Aus deren Lunge stieg plötzlich schwarzer Rauch.
Dieser Nebel näherte sich dem Stein und schien darin zu verschwinden.
Es wurde immer mehr und Ora zitterte immer stärker.
Aus ihrer Nase floss ein kleiner Tropfen lilafarbenes Blut.
Als der Rauch vollständig verschwunden war, hatte der ursprünglich schneeweiße Stein sich pechschwarz gefärbt.
Die Kleine konnte wieder normal atmen und der Drache gewann langsam die Kontrolle über sich selbst zurück.
Sie wischte sich das Blut weg und hustete nur kurz.
"Das ging einfacher, als ich dachte!", ächzte sie.
"Mama, die Kopfschmerzen sind weg!", sagte das Mädchen.
Ihren Eltern stiegen Tränen in die Augen.
"Danke!", sagte die Mutter.
"Sch... schon gut!", sagte die Königin, "Ich... bin gleich wieder da!"

Die Königin der DrachenWhere stories live. Discover now