Kapitel 35. Ruhe vor dem Sturm

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Am nächsten Tag wachte Ora zur Hälfte auf ihrer Schwester auf.
Diese lag noch immer eingerollt da und schlief friedlich.
Die Krankenpfleger hatten ihr eine Salbe auf die Haut geschmiert, die die Narben langsam verschwinden ließ.
Auch die Schürfwunden waren völlig verheilt.
Nur ihre Flügel waren noch immer zerschnitten, da sie sie nicht einfach zusammennähen konnten.
Als das Mädchen sich langsam entfernen wollte, um nach den anderen zu sehen, wachte Anna jedoch auf.
"Muss ich dich wieder anketten?", fragte sie und hielt ihre Hand fest.
Ihre Stimme klang sehr heiser.
"Macht dir das Spaß, mich zu demütigen?", fragte der schwarze Drache und hob eine Augenbraue.
"Ein bisschen vielleicht...", erwiederte die Jüngere und kicherte leise.
"Ich bin ja gleich zurück!", versprach Ora und klopfte ihr auf die Schulter, "Ich hole nur das Frühstück!"
"Aber dass du mir bloß wieder zurückkommst!", sagte die Prinzessin gespielt streng.
Die Königin verließ den Raum.

Die Dètectives waren bereits im Esszimmer.
Doch sie saßen nicht, sondern standen mit dem Rücken zur Wand, während einige Wachen sie mit Speeren bedrohten.
"Hey!", rief der Drache, "Was soll das?"
"Wir haben diese Gestalten hier im Flur erwischt!", erklärte einer der Wachmänner, "Wir vermuten, dass es sich um Schnüffler handelt!"
"He!", sagte Peyrot, "Wir und Schnüffler? Wieso..."
Bevor er fertig gesprochen hatte, hielt ihm eine der anderen Leibwachen ein Schwert an den Hals.
"Klappe, sonst tot!", sagte die Frau.
"Sollen wir sie loswerden?", fragte der Mann.
"Nein, ganz sicher nicht!", sagte das Mädchen, "Sie sind meine Gäste!"
"Und wieso hat er dann oben in jeden einzelnen Raum hineingeschnüffelt?", fragte der Erwachsene.
"Was...?", fragte Ora und sah die beiden erwartungsvoll an.
"Na ja... ich hab' meine Freundin gesucht!", erklärte der Polizist, "Sie schlafwandelt, wisst ihr? Ich hab' sie erst hier unten gefunden! Ihr könnt das gerne überprüfen, sie schläft immernoch!"
"Ähh ... würde ich gerne, aber wo ist sie?", fragte der Drache.
Der Beamte sah neben sich.
Seine Verlobte war einfach verschwunden.
Sie hatte sich weggeschlichen und trottete nach draußen.
"Au weia!", sagte das Mädchen und rannte ihr hinterher.
Sie konnte die Frau gerade noch aufhalten, bevor sie geradewegs ins Nichts lief.
Langsam schob sie sie zurück ins Schloss.
"Was macht man da am besten?", fragte sie.
"Auf jeden Fall nicht aufwecken!", warnte sie der Mann, "Sonst könnte sie einen Herzinfakt kriegen!"
"Hmm... bringt sie zurück ins Schlafzimmer und versucht, sie ins Bett zu bringen!", sagte die Königin, "Und sperrt vorsichtshalber die Tür zu, nicht dass sie uns am Ende doch noch irgendwo runterfällt!"
Die Wachen folgten ohne Fragen zu stellen ihrem Befehl.

"Willst du mit uns Essen?", fragte Ora, "Oben im Krankenzimmer ist genug Platz!"
"Es wäre mir eine Ehre, aber...", sagte Peyrot.
"Keine Sorge, deine Freundin wird freigelassen, sobald sie aufwacht!", erwiederte das Mädchen, "Und sie bekommt selbstverständlich auch ein gutes Frühstück!"
"Wie geht es deiner Schwester?", fragte der Mann.
"Ach, ihr geht es prächtig!", sagte der Drache, "Ihr geistiger Zustand ist ein wenig... angeschlagen, aber das ist ja denkbar! Na ja... sie will eben nicht alleine sein!"
Sie nahm ein Tablett, auf welchem einige Teller standen.
"Na komm, lass uns gehen!", sagte sie.
Der Polizist ließ sich letztendlich überreden und folgte ihr.
Vor dem Zimmer rannten sie beinahe mit einer sehr jungen Krankenschwester zusammen.
"Oh ähhm... entschuldigt bitte!", sagte diese und machte hektisch einen Hofknicks, "Es tut mir leid Majestät! Wirklich!"
"Alles gut, ich habe nicht vor, dich aufzufressen!", erwiederte Ora, "Wieso so stürmisch?"
"Na ja ich... die Frau Oberschwester hat gesagt, ich soll eurer Schwester die Verbände abnehmen aber...", sagte das kleine Mädchen mit gesenktem Kopf, "... ich habe das noch nie gemacht und... aber sie wird sehr wütend sein, wenn ich das nicht mache..."
"Hey, das ist doch nicht schlimm, wenn du dir nicht sicher bist!", sagte die Königin beruhigend, "Aber sag mal... bist du nicht noch ein wenig zu jung, um hier zu arbeiten? Wie alt bist du?"
"176 Jahre!" (Umgerechnet ca. 8 Jahre), sagte der kleine Drache, "Fast genau 100 Jahre jünger als ihr! Ich mache hier ein... ähh... Prakitum? Das ist der erste Tag!"
"Ein Praktikum?", korrigierte Ora, "Mit einem Messer an anderen herumzuschnibbeln gehört aber nicht zu Aufgaben, die ein so hübsches junges Mädchen wie du erledigen sollte! Noch dazu gleich beim ersten Mal! Komm mit, ich mache das und du darfst zusehen, ok? Ich werde demnächst mal mit der Schwester darüber reden!"
"Wirklich?", fragte die Kleine, "Danke!"
"Klar!", sagte die Königin und lächelte, "Eins noch: Wie heißt du?"
"Cristal!", sagte das Mädchen, "Zuhause nennen mich aber alle nur Crissi! Ihr könnt mich nennen, wie ihr wollt, Majestät!"
"Komm, meine Schwester möchte dich bestimmt auch kennenlernen!", sagte der Drache, "Und nenn mich nicht dauernd Majestät! Ich bin Ora, verstanden?"
Cristal nickte.
Sie gingen zusammen in das Zimmer.

Die Königin der DrachenWhere stories live. Discover now